Totenkopfschädel, Skelette, Menschenknochen, mal einzeln, mal auf einem größeren Haufen, fast wie Unrat zusammengekehrt … Das ist für uns Europäer das Setting für einen Horrorfilm.
Instinktiv zucken wir zurück, denn das hat mit Vergänglichkeit und Tod zu tun, mit dem Ende. Das ist es, was übrig bleibt von uns. Von unseren Hoffnungen und Wünschen, unserer Geschäftigkeit, unserer Schönheit, unserer Individualität … Ein paar glattgenagte Knochen. Daran wollen wir nicht erinnert werden, darüber reden wir nur ungern, wir denken nicht allzu häufig darüber nach. Wenn der Tod einen ereilt, regeln wir das. Beerdigung organisieren, Erde drauf, schnell weiter mit dem Leben. Der Tod ist ewige Düsternis. Er ist tabu. Wir wollen nur das Licht.
Für die Toraja wäre diese Sicht kaum nachvollziehbar. Sie würdigen und ehren ihre Ahnen nicht nur zu besonderen Anlässen. Sie stehen in ständigem Austausch miteinander. Ihr Denken ist geprägt von aktiven Beziehungen, die über die gegenwärtige Präsenz hinausgehen. Das äußerte sich zum Beispiel auf einer Wanderung so, dass unser Guide bei der Mittagspause ein wenig Reis mit Gemüse für die Ahnen beiseitestellt und dieses Essen auch, von uns abgewendet, mit freundlichen Worten begleitet. Denn wenn man die Ahnen gut behandelt, halten sie schützend die Hand über ihre Nachkommen. Die Lebenden sehen sich als biologisch aktives Glied in einer unendlich langen Seinskette. Wer diese Kette sprengt, verliert sich im Universum. Ohne die über Generationen gewachsene Familie ist der Einzelne nichts. Und es ist die Aufgabe der Lebenden, die Verstorbenen mit hohem Aufwand ins Jenseits zu verabschieden, weil diese nur so optimal für den beschwerlichen Weg ins „Paradies“ gewappnet sind. Wenn sich die Ahnen abwenden, kann man kein glückliches Leben führen.
Der Umgang mit dem Tod und mit den Toten ist für die Toraja ein vollkommen anderer als für uns. Solange die Beerdigungszeremonie noch nicht stattgefunden hat, gilt der Verstorbene in ihrer Vorstellung als krank und nicht tot. Daher haben sie keine Scheu, Verstorbene im Haus aufzubewahren und sich um sie zu kümmern, als atmeten sie noch. Man legt sich zu ihnen und wärmt sie, wenn es kalt ist, stellt ihnen Essen hin, kleidet sie …
Ähnlich wie bei den Begräbniszeremonien, die festgelegten Ritualen und Kategorien folgen, gibt es auch für Ruhestätten der Toten ein differenziertes Regelwerk.
Wir haben bei unseren Touren eine große Anzahl von Gräbern (Liang) gesehen. Wir können hier einen kurzen Überblick geben:
Spektakulär sind die sogenannten „hängenden Gräber“ (Liang Erong). Dabei werden die Särge an Holzgestellen an hohen Felswänden aufgehängt. Diese Bestattungsform ist 500 Jahre alt.
Etwa seit dem 17. Jahrhundert werden Felsengräber (Liang Pa) verwendet. Hier werden in einem sehr aufwendigen Prozess Höhlen in einen Felsen geschlagen. Die Toten werden meist ohne Sarg in dem Hohlraum abgelegt. Danach wird die Öffnung fest verschlossen. Diese Bestattungsfelsen sind über das ganze Toraja-Gebiet verteilt, man findet sie in sehr verschiedenen Größenkategorien vor, vom Einzelgrabfelsen bis zum Friedhof für viele Familien.
Typisch für Fels-Bestattungsformen sind die sogenannten Tao Tao. Das sind geschnitzte Ebenbild-Statuen, die eingekleidet werden. Es ist Teil der Grabpflege, dass die Bekleidung immer wieder erneuert wird.
Auch Menhire sind in manchen Toraja-Gegenden als Grabelemente vorzufinden. Sie haben eine ähnliche Funktion wie die Tao Tao.
Emotional berührt haben uns die Liang Pia, Gräber für Kinder, die noch keine Milchzähne haben. Die Babys werden in eine in harzhaltige Bäume gebohrte Höhle gebettet, und zwar in sitzender Position. Denn die Toraja glauben, dass der Baum das Kind mit seiner Milch säugt und das Kind in einer Art Symbiose den Baum ernährt. Somit wächst das Kind als Baum auf. Diese Art der Kindsbestattung ist heute nicht mehr üblich.
Es gibt viele Wege, mit dem Tod umzugehen.
Ihn weitgehend aus unserem Leben zu verbannen ist bestimmt der falsche.
PS: Heutzutage gibt es parallel zu den traditionellen Grabformen auch einen Trend zu pragmatischeren Lösungen. Eine solche ist zum Beispiel der Bau kleiner Häuser, die als Familiengrab dienen.