Sevilla – Ambiente, Glanz und Bürde

Wir haben uns zwei Tage lang in Sevilla die Füße platt gelaufen und sind immer noch etwas atemlos – immer wieder „schau mal hier“ und „hast du das schon gesehen“. Nur gut, dass wir das zu zweit erleben. Wir sind noch ganz besoffen von der überbordenden Schönheit vieler Bauwerke, den engen Gassen, den tollen Bodegas mit ihren Tapas- Verlockungen, den wunderbar schattigen Grünanlagen, den Geschäften, Innenhöfen wie marokkanische Riads … Und wenn man die philosophische Fakultät der Universität besucht, beginnt man zu glauben, dass hier sogar Fabriken schön sind. Denn was heute Teil der Universität ist, war früher einmal eine Tabakfabrik, die halb Südeuropa mit Rauchwaren versorgt hat.

Wie sollen wir nun diese vielfältigen Eindrücke in ein paar Sätze kleiden und mit einer kleinen Auswahl an Fotos illustrieren, wenn wir nach zwei Tagen bereits 200 Sevilla-Fotos auf dem Datenträger haben? Zumal auch der geneigte Leser zum Lesen und Bilderscrollen nicht einmal eine Minute Zeit aufbringt?

Vielleicht fangen wir einfach mal ganz klassisch an:

Sevilla ist die Hauptstadt der autonomen Region Andalusien, viertgrößte Stadt Spaniens und hat heute etwa 700.000 Einwohner. Die Altstadt Sevillas ist die größte Spaniens und neben Venedig und Genua eine der größten Europas. Der außergewöhnliche Reichtum dieser Stadt ist über Jahrhunderte gewachsen. Hier waren schon die Römer; hier gab es einen intensiven maurischen Einfluss, der sich vor allem auch in der Architektur manifestiert. Sevilla ist eng mit dem Katholizismus und den Namen Magellan und Columbus verbunden. Die Entdeckung Amerikas machte Sevilla zu einer der bedeutendsten Metropolen seiner Zeit. Durch das Handelsmonopol mit der Neuen Welt war Sevilla mehr als zwei Jahrhunderte hindurch Operationsbasis für die überseeischen Unternehmungen im Atlantik und im Pazifik. Was hier so freundlich mit „Unternehmungen“ bezeichnet ist, kann (und sollte) man auch als „Beutezüge“ betrachten. Denn der Reichtum und der Glanz von Sevilla beruhen zu einem Großteil auf der brutalen Ausbeutung Lateinamerikas und der Unterjochung der indigenen Völker dieser Region. Dabei gingen die weltlichen und die kirchlichen Herren der Welt in aller Regel eine unheilige Allianz ein. Das macht nicht alles schlecht, was heute ist. Aber es gehört zur Entwicklungsgeschichte und historischen Wahrheit dieser Stadt wie das Salz ins Meer.

Sinnbild für diesen Sachverhalt ist der Torre del Oro, der Turm des Goldes. Er stammt aus der Zeit der Mauren und wurde in den Zeiten des expansiven Kolonialismus von der sog. „Silberflotte“ der spanischen Krone als Lagerstätte für Edelmetalle genutzt. Die Edelmetalle kamen dann in die Casa de la Moneda (16.-18. Jh.), wo z.B. lt. Augenzeugen „eine so große Masse an Gold“ geprägt wurde, „dass man sie sich kaum vorstellen konnte“. Von dem damit verbundenen Leid der Menschen machen wir uns erst recht keine Vorstellungen.

Bevor wir uns also mit den vielen Facetten der Schönheit dieser Stadt beschäftigen, wollen wir dieses Symbol der Ausbeutung nicht nur Lateinamerikas auf uns wirken lassen.

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