Wochenende in Christchurch

In aller Regel geht in der Reiseszene um, dass Christchurch nicht besonders besuchenswert sei, vor allem mit Verweis auf das Erdbeben von 2011 – die Schäden seien noch sehr dominant im Stadtbild, die Stadt habe sich von diesem Schock noch nicht erholt.

Wir plädieren ganz klar dafür, Christchurch auf jeden Fall anzuschauen. Wir meinen, die größte Stadt der Südinsel (350.000 Einwohner) ist mit Abstand interessanter als beispielsweise Wellington. Klar, das Erdbeben wird noch auf lange Jahre das Stadtbild prägen. Immer noch stehen mehrstöckige Häuser, die komplett umzäunt sind und die abgerissen werden müssen. Große Flächen sind einfach nur leer und werden als Parkplätze genutzt. Die größte – und medienwirksamste – Baustelle ist die Christchurch Cathedral, die zur Hälfte eingestürzt ist. Nach langer Diskussion folgt die Stadtverwaltung inzwischen dem Wunsch der Bürger, diese Ikone wieder aufzubauen, sozusagen als manifestierter Wille der Menschen, sich nicht unterkriegen zu lassen und den Widrigkeiten der Natur zu trotzen.

Man spürt diese Mentalität, wenn man mit den Menschen spricht. Das Erdbeben hat 185 Menschenleben gefordert und Tausende so in Angst versetzt, dass sie die Stadt auf immer verlassen haben. Hinzu kommt, dass im Ostteil der Stadt ein großer Bereich als „red Zone“ klassifiziert wurde, in der das Wohnen wegen Schäden bzw. Veränderungen im Untergrund, hervorgerufen durch die Ereignisse, zu unsicher wurde.

Aber nach und nach kommen auch viele zurück, andere ziehen hierher. Man versucht, alles Erhaltenswerte zu retten und sukzessive zu renovieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die frühere Canterbury University im Herzen der Stadt, die viele Größen in Wissenschaft (u.a. einen Nobelpreisträger in Physik) und Kunst hervorgebracht hat und inzwischen als Kunstzentrum Verwendung gefunden hat. Insgesamt bestimmt Alt neben Neu die Szenerie. Einige der Neubauten sind durchaus gelungen (Galerie für Moderne Kunst, Leitspruch: Everything will be alright; die Stadtbibliothek: ein Hort der Kommunikation!), die Geschäftspassagen ähneln denen anderer Großstädte. Eine nette Attraktion ist sicherlich die auf alt getrimmte Straßenbahn, die an den großen Bruder in San Francisco erinnert und gemächlich Touristen durchs Zentrum schuckelt.

Wer ein eindringliches Bild vom Ausmaß der Zerstörung durch das Erdbeben und den damit verbundenen menschlichen Tragödien haben möchte, sollte die Ausstellung „Quake City“ besuchen. Insbesondere die Dokumentation mit den Schicksalsberichten von Überlebenden geht unter die Haut. Auch die Installation mit 185 weißen Stühlen, die jeweils ein Opfer symbolisieren, hat uns sehr berührt.

PS: Christchurch hat die freundlichsten Busfahrer des Planeten! Dafür gibt es mehrere Belege, es möge folgender Bericht genügen: Als wir unser WoMo abgegeben hatten, wollten wir mit dem Bus in die Stadt fahren. Die Haltestelle war noch 50 m von uns entfernt, als der Bus am Stopp hielt. Ein Sprint mit unserem ganzen Gepäck war aussichtslos, daher haben wir’s gar nicht erst versucht. Aber der Bus blieb einfach stehen. Die Tür öffnete sich schließlich, der Fahrer erkundigte sich, ob wir vielleicht gerade unser WoMo abgegeben hätten, wie die Reise denn so gewesen sei etc. Selbstredend setzte er uns dann auch noch direkt vor unserem Hotel ab. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Ob das nur daran liegt, dass die Fahrgäste dem Busfahrer stets ein freundliches „Thank you“ zurufen, wenn sie aussteigen?

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