Durch Wein- und Straußenland zur Garden Route: von Stellenbosch nach Plettenberg

Kapstadt war für einen längeren Aufenthalt klar gesetzt bei unserer Südafrika-Reise. Leider war im November kein Direktflug aus Deutschland möglich, wir hätten einen Zwischenstopp in Johannesburg einlegen müssen. Da wir einige Jahre in Großbritannien gelebt haben, war es uns sympathischer, von Deutschland nach London zu fliegen und von dort direkt nach Kapstadt. Wir wollten spätabends ab London fliegen, am nächsten Morgen den Mietwagen in Empfang nehmen und zu unserer Unterkunft in Stellenbosch fahren, einchecken, einen Tag ausruhen. Zwischen Deutschland und Südafrika gibt es – abhängig von der Jahreszeit – entweder gar keine Zeitverschiebung oder plus eine Stunde, also ist Jetlag kein Thema. Ein guter Plan, aber eben nur ein Plan :-(.
Denn als wir bereits in der British-Airways-Maschine auf der Startbahn saßen, gab es technische Probleme und das Flugzeug hob nicht ab. Funkenschlag in einer Turbine, Feuerwehreinsatz, prüfen, Fluggäste vertrösten … Was sich so flott dahinschreiben lässt, dauerte in der tristen Wirklichkeit mehrere Stunden und war ziemlich nervig. Schlussendlich wurden wir mitten in der Nacht mit quietschroten Doppeldeckerbussen auf irgendwelche Hotels in London verteilt und flogen erst 24 Stunden später ab. Und mussten die Zeit bis dahin mit Lesen, Rumhängen und Essen verbringen.

Nach der verspäteten Ankunft in Kapstadt holten wir rasch das Auto ab und fuhren zur Unterkunft. Wir hatten nämlich als allererste Aktivität am „zweiten“ Tag eine fünfstündige Radtour durch die Weinberge von Stellenbosch gebucht, mit Wein- und Brandy-Verkostung. Wir waren spät dran und konnten gerade noch unser Gepäck aufs Zimmer bringen, schon ging’s in die Pedale … Glücklicherweise war unsere Radgruppe klein und wir hatten beim Radeln keinen Gegenverkehr. Denn Weinproben, sommerliche Hitze, Müdigkeit und körperliche Betätigung sind keine ideale Kombination, aber das Kölsche Grundgesetz stellte seine Gültigkeit unter Beweis: Et hätt noch immer jot jejange.

Die drei großen Topanbaugebiete in Südafrika (Küstenregion, Boberg, Breede River/Karoo) produzieren Weine, die international zu den besten gehören. Sie sind in grandiose Landschaften eingebettet. Einen guten Eindruck gewinnt man bei der sogenannten VierPässeFahrt (Hellshoogte, Franschhoek, Viljoen, Sir Lowry’s), die das Hottentots‘ Holland Nature Reserve umschließt und über Stellenbosch und Franschhoek führt. Die reine Fahrzeit beträgt etwa 3,5 Stunden. Stellenbosch liegt 50 Kilometer östlich von Kapstadt im fruchtbaren Eerste-River-Tal, ist das Zentrum dieser Weinregion und auch Sitz der renommierten Stellenbosch Universität (1918 gegründet, ca. 30.000 Studenten). Stellenbosch gilt als zweitälteste Stadt Südafrikas, deren Gründung im Jahr 1679 auf Simon van der Stel zurückgeht. Mit der Ansiedlung von im Weinbau versierten Hugenotten in diesem Gebiet entwickelte sich auch die Qualität des südafrikanischen Rebensafts in Richtung der europäischen Standards.
Sowohl in Stellenbosch wie im beschaulicheren Franschhoek finden sich viele Beispiele kapholländischer wie auch viktorianischer Architektur.
Zur Geschichte von Stellenbosch gehört freilich auch sein fragwürdiger Ruf als Zentrum der Apartheid-Ideologie, mit der Universität als Kaderschmiede.
Afrikaans, die auf dem Holländischen basierende traditionelle Sprache der Buren in Südafrika, ist in dieser Region die dominierende Amtssprache, aber selbstverständlich kommt man mit Englisch sehr gut zurecht.
Die Weingüter in und um Stellenbosch und Franschhoek sind nicht nur EINEN Besuch wert. Die Weine, die wir hier gekostet haben, waren ausgezeichnet, und die Gastronomieangebote bewegen sich auf hohem Niveau. Es ist ein besonderes kulinarisches Vergnügen, sich bei sommerlich-warmen Temperaturen auf der schattigen Terrasse eines Weinguts den vielerlei Gaumenversuchungen hinzugeben. Beim edlen Tropfen fällt auf, dass die südafrikanischen Winzer bedeutend experimentierfreudiger sind als die europäischen Kollegen und beispielsweise keinerlei Berührungsängste beim Thema Cuvées haben.

Eine weitere Beobachtung, die einen Unterschied zwischen den Kulturen betrifft:
Unsereiner ist natürlich in Anbetracht der üppigen Rebenpracht geneigt, sich spontan auf einen ausgedehnten Spaziergang in die Weinberge zu begeben, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Wir gehen als Deutsche davon aus, dass Weinberge, Wälder und Felder stets der Öffentlichkeit zugänglich sind und diese auch ein Recht hat, sie als Naherholungsorte zu nutzen. Das ist in Südafrika anders, hier gibt der Eigentümer den Takt vor, daher heißt es normalerweise: Betreten verboten – unterstrichen durch Stacheldrahtumzäunungen. Manchmal würden deutsche Winzer sich derartige Verhältnisse sicherlich auch wünschen!

Auf den Wein folgte ein weiterer Gruß aus der Heimat, und zwar bei der Ortsbezeichnung: Wir orientierten uns bei der Weiterfahrt an der Beschilderung „Heidelberg“, es ging quer durch südafrikanisches Farmland, die letzten 15 Kilometer eine Schotterpiste entlang. Wir hatten nämlich einen Farm-Aufenthalt gebucht, bei dem uns der Bauer einen Einblick in sein Dasein geben wollte. Die Skeiding Guest Farm lebt hauptsächlich von der Rinder- und Straußenzucht und hat im Tourismus eine zusätzliche Einnahmequelle. Das Essen hier ist ausgezeichnet, viele Zutaten kommen aus der eigenen Produktion. Wir waren an diesem Novemberwochenende die einzigen Gäste und wurden am Abend von der Tochter des Hauses mit einem fantastischen Essen (Butternut Soup, Gemüse, Straußsteaks vom Grill, Tipsy Tart als Dessert) verwöhnt. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Pick-up zum Tierefüttern mit raus und haben bei der Gelegenheit einiges über die Landwirtschaft in Südafrika gelernt. Diese unendliche Weite der Landschaft vor der Kulisse einer Bergkette am entfernten Horizont strahlt eine große Ruhe aus und hat etwas Erhabenes.

Wir wollten mehr über Strauße erfahren, und dazu war reichlich Gelegenheit in Oudtshoorn, unserer nächsten Station. Die Fahrt dorthin verlief durch ein Gebiet namens Little Karoo, eine Halbwüste, die sich über 300 Kilometer von Montagu bis Uniondale erstreckt und zwischen den Langebergen im Süden und den Swartbergen im Norden eingebettet ist. Auch in Oudtshoorn waren wir in einem wunderschönen Guesthouse mit hervorragender Küche untergebracht.. Uns wurde klar, dass diese Südafrika-Reise ein erhebliches Taillenvergrößerungspotenzial in sich barg ;-).

Oudtshoorn ist mit ca. 60.000 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt in der Little Karoo und gilt als „Welthauptstadt der Straußenzucht“, und dieser Wirtschaftszweig ist neben dem Tourismus die Haupteinnahmequelle der Region.
Strauße wurden zunächst primär wegen ihrer Federn gezüchtet; die erste Straußenfarm wurde in Südafrika gegründet. In den Boom-Jahren der Straußenfederproduktion zählte man in der Region um Oudtshoorn um die 100.000 Tiere. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war die Epoche der „Feder-Barone“ – so nannte man die Straußenfarmer und Federhändler, die durch den Strauß zu Reichtum gelangten und sich verschnörkelte Villen mit Jugendstileinrichtung („Straußenpaläste“) bauten. Die Damenwelt wollte ihre Hüte mit hübschen Federn schmücken, und in Haushalt und Industrie kamen die Federn des flugunfähigen Vogels wegen ihrer elektrostatischen Eigenschaften als Staubwedel und Reinigungsbürsten zum Einsatz. Entsprechende Kunststoffalternativen gab es damals noch nicht.
Heutzutage spielt der Strauß in erster Linie eine Rolle als Fleischlieferant, Hauptabnehmer ist die Europäische Union. 2011 verfügte die EU vor dem Hintergrund der Vogelgrippe einen Importstopp für Straußenfleisch aus Südafrika, was dramatische Folgen für die Straußenfleischproduktion in Südafrika hatte: Tausende von Tieren mussten gekeult, viele Betriebe geschlossen werden. Inzwischen hat sich die Situation wieder entspannt. Straußenleder gilt als sehr hochwertig. Es wird gerne für Accessoires verwendet und zeichnet sich durch seine Weichheit und ein genopptes Narbenbild aus.

Strauße sind die größten Vögel der Welt. Sie können Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h erreichen und ohne große Mühe 30 Minuten lang 50 km/h schnell laufen. Die Männchen werden im Ausnahmefall bis zu 2,80 Meter groß und haben eine Gewicht von bis zu 160 Kilogramm, die Weibchen erreichen eine Höhe von bis zu 1,90 Meter und wiegen bis 110 Kilogramm. Beide bebrüten das Gelege (mit bis zu 25 Eiern), das Männchen vorwiegend nachts (deshalb sein schwarzes Gefieder), das Weibchen tagsüber (hat zu diesem Zweck graubraunes Gefieder). Sehen Strauße sich bedroht, kommen ihre nach vorne gerichteten krallenartigen Zehen zum Einsatz. Sie können damit einen Menschen und sogar Raubtiere wie Löwen töten.

Strauße haben die größten Augen aller Landlebewesen (Durchmesser bis zu 5 cm). Sie können andere Tiere in einer Entfernung von bis zu 3,5 Kilometern erkennen. Da bleibt leider nicht viel Platz fürs Hirn …

So lange sein Kopf bedeckt ist, glaubt der Strauß, es wäre Nacht. Dieses Verhalten macht man sich auch beim Reiten der Tiere zunutze ;-).

Von Oudtshoorn fuhren wir wieder Richtung Süden, mit dem Tagesziel Plettenberg Bay an der Garden Route. Dazu querten wir eine landschaftlich reizvolle Gebirgskette (Kammanassieberge).

Gleichschirmfliegers Himmelreich
Gute Aussichten beim Abendessen

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