Bangkok – Stadt der Engel

Bei dieser 8-Millionen-Stadt geht’s schon gleich mit einem Superlativ los: Der offizielle zeremonielle Name lautet nämlich in lateinisch transkribierter Form:

Krung Thep Maha Nakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Yutthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udom Ratchaniwet Maha Sathan Amon Phiman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit

168 Buchstaben … Kein Ort hat mehr. Als Kurzübersetzung gilt Stadt der Engel. Bleiben wir im schnelllebigen Digitalzeitalter lieber bei der gängigen Bezeichnung!
Bangkok ist übrigens erst seit Ende des 18. Jahrhunderts Hauptstadt, vorher war es Ayutthaya. Die alte Königsstadt wurde 1767 von den Burmesen erobert und größtenteils zerstört. Bangkok bildete sich in der Folge als vor militärischen Attacken sicherere Alternative heraus.

Nach einem ca. 15-stündigen und 9.000 km langen Flug von Frankfurt kamen wir am Spätnachmittag in Bangkok an, wurden von einem Fahrer am Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht. Unsere ersten Eindrücke auf der Fahrt: Ganz schön was los hier, Hektik und Stau auf den Straßen. Wir waren zentral untergebracht, in einem Hotel direkt am mächtigen Chao Praya Fluss, nur wenige Gehminuten von der weltberühmten Khao San Road entfernt. Und die haben wir uns nach einer Dusche und einem Päuschen am Abend noch näher angeschaut. Die Khao San hat eine wechselvolle Geschichte. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten als DER Treffpunkt für internationale Traveller entwickelt, spätestens seit hier ein paar Szenen für „The Beach“ mit Leonardo di Caprio gedreht wurden (1999). Die meiste Zeit geht es hier turbulent zu, das wollten wir uns gleich nach dem Einchecken anschauen, bevor uns die Müdigkeit der Anreise einholte.
Die Massen schieben sich durch die Straße – Bars, Restaurants und Imbisse, Stände, wo man u.a. frittierte Insekten (Grillen, Heuschrecken, Skorpione, Maden …) zum Knabbern oder auch Zeugnisse und Ausweisdokumente kaufen kann. Aber wir wollen erstmal nur gucken, kosten kommt später ;-). Natürlich haben wir mit Blick auf das vielfältige Ess- und Trinkangebot noch ein paar Ratschläge im Kopf. Links und rechts immer wieder ein „Guesthouse“, das mit günstigen Übernachtungspreisen wirbt. Von überall her wummert Musik, immer wieder schiebt sich ein knatterndes Moped durch die Menschentrauben. Für europäische Ohren ein Frontalangriff auf die Sinne, und ein guter Vorgeschmack darauf, wie es insgesamt in Bangkok zugeht. Und drückend warm ist es, schnell klebt die Kleidung am Körper.

Am nächsten Morgen, frisch geduscht und gesättigt vom ausgezeichneten Frühstück, wollen wir zunächst ein paar bekannte Sehenswürdigkeiten aufsuchen. Einige lassen sich bequem zu Fuß erreichen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Fußgänger in Bangkok als notwendiges Übel betrachtet werden und mithin keine Rücksicht von den anderen, PS-stärkeren Verkehrsteilnehmern erwarten können. Man muss also wach und schnell sein und die Hackordnung beachten. Auch Abgas- und Feinstaubstandards, wie wir sie aus europäischen Großstädten kennen, sind für Thailand unüblich.
Als alternatives Verkehrsmittel bieten sich neben regulären Taxis die schnellen Tuk-Tuks, eine Art Moped mit Kabine, an. Tuk-Tuk-Fahrten sind ein Riesenspaß, treiben aber gelegentlich den Adrenalinspiegel hoch – nicht nur, weil die Fahrer manchmal halsbrecherische Abkürzungen nehmen, sondern auch oft völlig überzogene Preisvorstellungen haben, selbstredend nur bei Touristen. Längere Strecken lassen sich gut mit dem Wassertaxi bewältigen. Der „Klassiker“ ist das sog. Longtailboat, das in aller Regel mit einem LKW-Motor ausgestattet ist und das Wasser lautstark durchquirlt.

Bangkok hat derart viel Sehenswertes, dass man im Rahmen eines normalen mehrtägigen Touristenaufenthalts kaum eine Chance hat, einen umfassenden Überblick zu bekommen. Eine auf jeden Fall wichtige Anlaufstation ist ein großer Rasenplatz im ursprünglichen Kern der Stadt, Sanam Luang. Hier werden traditionell königliche Zeremonien abgehalten werden, beispielsweise Huldigungen zum runden Geburtstag. Aber hier können auch Besucher der Stadt ein Picknick abhalten.

Blick vom Sanam Luang auf Wat Phra Kaeo/Grand Palace
Der nicht mehr als Wohnsitz der königlichen Familie genutzte Gebäudekomplex „Grand Palace“

Um den Sanam Luang herum sind diverse Monumente, Tempel und Institutionen angesiedelt, allen voran der Grand Palace. Wer diese Anlage besuchen möchte, muss eine „schickliche“ Kleiderordnung beachten, unbedeckte Schultern bei den Damen oder haarige Männerbeine in kurzen Hosen sind unerwünscht. Respekt- und achtlose Zeitgenoss/inn/en können sich aber die entsprechende Garderobe vor Ort für ein Entgelt leihen – manchmal mit modisch fragwürdigem Ergebnis:

Die Anlage des Grand Palace bedeckt eine Fläche von knapp 220.000 qm, ihre Mauereinfassung ist etwa 2 km lang. Sie gehört zu den absoluten Höhepunkten der thailändischen Kultur und ist ganzjährig gut besucht. Es finden laufend Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten statt.
Uns haben dort zwei „Wats“ besonders beeindruckt, nämlich der Wat Phra Kaeo und der Wat Po. Norddeutschen mag das „Wat(t)“ zwar leicht von den Lippen gehen, es bedeutet jedoch in buddhistischen Ländern wie Laos, Kambodscha oder Thailand etwas gänzlich anderes: Unter „Wat“ versteht man hier einen von einer Mauer umgebenen, normalerweise religiös genutzten Gebäudekomplex.
Der Wat Phra Kaeo ist ein Heiligtum des thailändischen Buddhismus. Er beherbergt den Emerald Buddha (smaragdener Buddha), der tatsächlich aus Jade besteht. Er wird dreimal im Jahr im Rahmen einer Zeremonie in eine festliche saisonale Kleidung (Sommer, Regenzeit, Winter) gehüllt. Der Wat Phra Kaeo ist im Grunde eine buddhistische Tempelanlage ohne Wohnquartier. Es finden sich hier immer Buddhisten zum Gebet ein – die Füße stets von der Buddha-Figur abgewendet, weil die Fußunterseite in ihrer Glaubensvorstellung am weitesten von der Seele entfernt und damit „unrein“ ist. Im Tempel herrscht striktes Fotografierverbot. Das Gebäude ist auch von außen sehr beeindruckend, insbesondere die furchteinflößenden steinernen Tempelwächter (Yaks) und die zierlich anmutenden Fabelwesen mit der Bezeichnung „Kinari“: halb Mensch, halb Reh.

Ebenso die Wandmalereien, die historische und mythologische Szenen sowie Eindrücke aus dem Palastleben darstellen:

Der Wat Po beherbergt einen 45 m langen und 15 hohen, mit unzähligen Goldplättchen verzierten Liegenden Buddha. Die Figur soll den Moment des Übergangs ins Nirvana darstellen. An ihren Füßen sind symbolisch die 108 Zeichen eingearbeitet, an denen man den „Erleuchteten“ erkennen kann.

Bei dieser Fülle an Fantasie und Kreativität ist es dann nur konsequent, selbst die Eintrittskarten in ansprechender Grafik zu gestalten:

Es ist keineswegs so, dass nur an diesen prominenten Orten Glaube und Spiritualität zur Schau gestellt würde. Der Buddhismus ist überall im Land präsent, etwa 94 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten. Ihr Glaube wird der sog. „Theravada-Schule“ zugerechnet und enthält Volksreligion-Elemente wie Ahnenverehrung, lokale Naturgeister, astrologische und numerologische Vorstellungen etc. Der Buddhismus ist fester Bestandteil des Thai-Alltags, allerorts gibt es Möglichkeiten für Gebet und Fürbitte.

Mönche genießen eine hohe Wertschätzung, für sie sind zum Beispiel immer Plätze in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Wartebereich von Flughafen-Abflughallen reserviert. Kein normaler Thai würde es wagen, sich dort hinzusetzen. Das Töten von Tieren innerhalb eines bestimmten Umkreises eines Tempels ist verboten. Religiöse Ämter sind übrigens ausschließlich Männern vorbehalten, in Thailand gibt es beispielsweise keine Frauenorden oder -klöster. Frauen dürfen Mönche nicht berühren oder ihnen direkt Gegenstände oder Essen überreichen – das muss immer durch Männerhand geschehen. Nach einer versehentlichen Berührung muss sich der Mönch einer Reinigungsprozedur unterziehen. Interessanterweise haben Buddha-Darstellungen oftmals eine weibliche Anmutung …

Nicht nur im Zusammenhang mit religiös geprägten Verhaltensregeln wird auch von Besuchern des Landes Respekt und Achtung erwartet. Die Ehrerbietung und Demut des thailändischen Volkes gegenüber dem König und seinem Gefolge scheint für rationale Gemüter aus der westlichen Kultur schwer nachvollziehbar. Über Jahrzehnte besonders beliebt beim Volk war Rama IX. (Bhumibol der Große), der die Geschicke des Landes von 1950 bis zu seinem Ableben im Jahr 2016 lenkte und selbst in politisch turbulenten Zeiten stets als Integrationsfigur anerkannt war. Bis zu seinem Tod war sein Abbild in der Öffentlichkeit stets präsent.

Eine auch nur annähernd vergleichbare Beliebtheit lässt sich bei seinem Nachfolger Rama X. nicht feststellen. Er residiert die meiste Zeit fern von der Heimat in einem Garmischer Luxushotel und macht in erster Linie durch Skandale auf sich aufmerksam. Schlagzeilen wie „Wird er seine Geliebte zur Zweit-Königin machen?“ oder „Hat er seine Schwester verprügelt?“ prägen das Bild.
Gleichwohl gilt ebenso für ihn wie seine Familie das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, aufgrund dessen Kritiker zu langen Haftstrafen verurteilt werden können. Daher heißt auch für Thailand-Besucher die Maxime: keine kritischen oder gar abfälligen Bemerkungen über den Regenten und seinesgleichen!

Ein krasses Gegenbild zu Glanz und Glitter findet man beispielsweise in einigen Gegenden von China-Town. Die Thai-Chinesen, hauptsächlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert eingewandert, bilden zwar die größte ethnische Minderheit in Thailand, aber die Einwohnerzahl von Samphanthawong (dieses Viertel wird als „China-Town“ bezeichnet) nimmt kontinuierlich ab. China-Town ist nicht mit dem Skytrain (elektr. Hochbahn) erreichbar, wohl deshalb kommen nicht so viele Touristen hierher, sondern eher Thais zum Einkaufen. In diesem Stadtteil geht’s eng zu, unmittelbar an den von Autos befahrbaren Straßen ist der Lärm ohrenbetäubend, die „Luft“ aus Blei. In den Seitengassen befinden sich dicht an dicht kleine Läden und Stände mit typisch südostasiatischem Billigzeug, Restaurants und Imbisse. Uns haben die Straßenzüge fasziniert, wo Schrottfahrzeuge in kleinste Einzelteile zerlegt und zum Verkauf angeboten werden. Nachhaltiger geht’s kaum …

Früher galt Bangkok als „Venedig des Ostens“ – dieser Begriff wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Wenn man bedenkt, dass die erste „richtige“ Straße erst um 1860 gebaut wurde, ist das nachvollziehbar. Damals wurde das öffentliche Leben durch den Chao Phraya Fluss und die Wasserkanäle, die Klongs, bestimmt. Im Zuge der Urbanisierung wurden viele Wasserwege zugeschüttet und Straßen gebaut, mit den üblichen Folgeerscheinungen, wie etwa Überflutungen bei Hochwasser. Trotz U-Bahn und Skytrain ist der Fluss nach wie vor ein wichtiger Verkehrsweg. Er ist schlammig-grau, soll aber recht sauber sein. Fahrten auf dem Chao Praya und durch die Klongs erlauben spannende Einblicke in den Alltag vieler Thais. Dabei nicht vergessen: Fischefüttern ist gut fürs Karma!

Eine weitere spannende Möglichkeit, die Stadt zu erkunden, ist eine Fahrradtour! In Anbetracht unserer ersten Eindrücke von der Verkehrssituation waren wir zwar zunächst skeptisch, aber bekanntermaßen macht nur der Versuch klug – er stellte sich als voller Erfolg und großer Spaß heraus. Wir waren mit einer kleinen Gruppe und mehreren Guides unterwegs. Wenn man eine Straße überqueren muss, stellen die Guides (gut sichtbar in ihren grellgelben T-Shirts) todesmutig einfach ihre Räder quer auf die Fahrbahn und halten die Autos an, bis die Gruppe sicher auf der anderen Seite angekommen ist. Wir waren sowohl in den Wohnvierteln wie auch im Außenbezirk auf einer Bananenplantage mit den Rädern „on the road“. Als wir gerade mit einem Boot auf die andere Seite eines größeren Klongs übersetzten, wurden wir von einem Regenschauer überrascht. Wenn’s hier regnet, dann aber auch aus Kübeln. Aber unsere Guides waren auch auf dieses (alltägliche) Ereignis vorbereitet – bei den ersten Tröpfchen verteilten sie Regenhüllen.

Immer gut und entspannend, besonders nach einer Radtour, ist eine Massage, die man fast überall genießen bekommen kann, wo etwas los ist. Die Thais sind wahre Meister dieser manchmal etwas rustikal wirkenden Entspannungstherapie. Um sie zu genießen, sollten man in Hygienefragen nicht übermäßig empfindlich sein.

Selbstverständlich hat Bangkok auch all die vielen Einkaufsmöglichkeiten anderer Weltmetropolen. Die Kaufhäuser, Shopping Malls, Spezial- und Luxusläden dieser Welt werden einander ja immer ähnlicher. Die größte zusammenhängende Einkaufszone der Stadt befindet sich zwischen dem Mah Boonkrong Shopping Centre an der Phya Thai Road und dem Gaysorn Plaza an der Rajdamri Road – hier kann man auf einer Fläche von etwa 3 Quadratkilometern vom Turnschuh bis zum Maserati alles kaufen, was das Shopperherz höherschlagen lässt und die Kreditkarte zum Glühen bringt. Und spätestens hier wird dann klar, dass das moderne Bangkok neben Buddha noch einer anderen Gottheit frönt: dem Mammon. Und die Türme des Kommerzes sind schon längst über die Tempel hinausgewachsen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert