Gefängnis Hoa Lo in Hanoi – Geschichte im Brennpunkt

Es gibt sehr viel Schönes zu sehen in Hanoi. Als Reisender konzentriert man sich auf diese Aspekte, schließlich möchte man sich später gerne vor allem an angenehme Erlebnisse erinnern. Aber insbesondere wenn man sich länger in einem Land aufhält, wächst das Bedürfnis, hin und wieder hinter die Kulissen zu schauen, Hintergründe zu beleuchten und Zusammenhänge zu erkennen.

Ein Besuch des Hoa-Lo-Gefängnisses in der südwestlichen Altstadt ist wie ein Blick ins Brennglas der jüngeren Geschichte Vietnams. Des Landes, dessen Geschicke seit Mitte der 1850er-Jahre über Jahrzehnte von Frankreich als Kolonialmacht bestimmt wurde, dann von Japan besetzt und gleich mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs abermals von Frankreich beansprucht wurde. Es folgte der Erste Indochina-Krieg (1946-1954), in dem die militärtechnisch weit unterlegenen Vietnamesen die Franzosen besiegten. Keine zehn Jahre später begann der Krieg im geteilten Land (Nord- und Südvietnam), ganz im Spiegel des Systemkampfs zwischen dem erstarkenden Kommunismus und dem Kapitalismus, mit viel Unterstützung durch die diese Systeme vertretenen Großmächte Sowjetunion und China einerseits und USA andererseits. Die US-Amerikaner engagierten sich zwischen 1965 und 1973 direkt mit ihren Streitkräften (und hatten bei ihrem Abzug etwa 58.500 Gefallene und eine Vielzahl körperlich Versehrter und seelisch Traumatisierter zu beklagen). In ganz Vietnam starben zwischen einer und fünf Millionen Menschen. Diese Phase ging als „Zweiter Indochina-Krieg“ in die Geschichtsbücher ein.

Hoa Lo ist unbedingt einen Besuch wert. Das ursprüngliche Areal der Anlage war um zwei Drittel größer als das heutige. Es demonstriert auf eindrückliche Weise die Unerbittlichkeit des französischen Strafvollzugs im besetzten Vietnam.
Der Bau wurde 1896 begonnen und drei Jahre später fertiggestellt. Er war konzipiert für maximal 500 Gefangene, Anfang der 1950er-Jahre waren hier permanent 2.000 Menschen inhaftiert. Man kann es als Ironie der Geschichte betrachten, dass sich 1930 im Hoa-Lo-Gefängnis eine Sektion der Kommunistischen Partei gründen konnte, und viele Insassen übernahmen nach ihrer Freilassung wichtige politische Ämter.

Nach der Befreiung Hanois im Oktober 1954 wurde das Gefängnis zunächst als reguläre Haftanstalt genutzt. Im August wurden von den Nordvietnamesen abgeschossene US-Bomberpiloten hier eingekerkert. Ebenso wie eine deutsche Krankenschwester namens Monika Schwinn, die 1969 von den Vietcong verschleppt wurde. Letztere gelangte erst vier Jahre später mit der Unterzeichnung des Pariser Friedensabkommens wieder in Freiheit.
Der Besuch des Hoa-Lo-Gefängnisses ist vor allem deswegen so bedrückend, weil er die folterähnlichen Haftbedingungen emotional nachvollziehbar und damit Geschichte erlebbar macht: drangvolle Enge, Krankheit, brütende Hitze, Bewegungslosigkeit durch eiserne Fußfesseln, schlechte Ernährung, ständige Exekutionen.

Etwas irritierend fanden wir die Darstellung des Gefängnisses in der Periode ab 1954, also nach der Befreiung durch die Vietnamesen. Vollkommen ausgeblendet bleibt beispielsweise der Normalbetrieb mit vietnamesischen Insassen – wie waren deren Haftbedingungen? Und wenn man der Darstellung der Inhaftierung der amerikanischen Kriegsgefangenen Glauben schenkt, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass diese zur Erholung im Gefängnis waren …

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