Highlight 3 in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon): drei Beispiele für Geschichte zum Anfassen

Vietnam war im Grunde für den längsten Teil des 20. Jahrhunderts im Krieg. Gegen die Franzosen, die Japaner, die Chinesen, die Briten, dann wieder die Franzosen, die Amerikaner; und dann natürlich, von 1955-75, der Norden des Landes gegen den Süden, bis zur Wiedervereinigung. In diese Phase fällt auch das amerikanische Kriegsengagement von 1964-1975. Im westlichen Bewusstsein ist dies der „Vietnamkrieg“ (den die Vietnamesen den „Amerikanischen Krieg“ nennen).

1978 marschierten die Vietnamesen in Kambodscha ein und blieben zehn Jahre. 1979 griffen chinesische Truppen Nordvietnam an, zogen sich jedoch drei Wochen später wieder zurück … Fast ein Jahrhundert Krieg, gegen wechselnde Gegner, die nicht selten militärtechnisch weit überlegen waren, und, last but not least, gegen sich selbst (Nord gegen Süd). Dennoch haben es die Vietnamesen geschafft, ihr Recht auf Selbstbestimmung durchzusetzen, das Land zu vereinen und eine nationale Identität zu entwickeln.

Man sagt, der „Vietnamkrieg“ sei der erste Krieg der Neuzeit gewesen, dessen Verlauf und öffentliche Wahrnehmung entscheidend durch die Medien geprägt war. Bei diesem Stichwort tauchen bei der heutigen Rentnergeneration in Deutschland unmittelbar bestimmte Bilder auf: – Da ist das nackte Mädchen, das sich nach einem Napalmangriff der Amerikaner die brennende Kleidung vom Körper gerissen hat und schreiend davonläuft. – Oder der Polizeichef von Saigon, der vor laufender Kamera per Kopfschuss einen Mann hinrichtet, den er für einen Offizier der Vietcong hält. – Ein buddhistischer Mönch, der sich mitten in Saigon auf der Straße sitzend mit Benzin überschüttet und sich selbst anzündet und verbrennt. – Die vielen Toten von My Lai (es waren 507 Dorfbewohner, die von einer kleinen Einheit US-amerikanischer Bodentruppen massakriert wurden, davon 173 Kinder und 76 Babys).

Die Reihe ließe sich ohne Mühe fortsetzen. Es war die Kraft dieser Bilder, die die Öffentlichkeit sowohl in Europa wie auch in den USA für das Grauen dieser Auseinandersetzung zwischen so ungleichen Gegnern sensibilisierte und dies- und jenseits des Atlantiks zu immer mehr Protest führte.

Wir beide, Jahrgang 1954 bzw. 1956, sind mit diesen Bildern aus dem Fernsehen aufgewachsen, und sie haben unser politisches Bewusstsein mitgeprägt. Deshalb ist die Beschäftigung mit dem Vietnamkrieg für uns nicht fern und abstrakt, sondern persönlich und zum Teil eine Rückschau auf unsere eigene Jugend.

Der Ort in Ho-Chi-Minh-Stadt, der die Monstrosität des Vietnamkrieges wohl sehr nachdrücklich darstellt und damit viele Besucher und Besucherinnen zu Tränen rührt, ist das 1975 eröffnete Kriegsrelikte-Museum (War Remnants Museum). Die ursprüngliche Bezeichnung war „Museum der amerikanischen und chinesischen Kriegsverbrechen“. 1990 fiel der Hinweis auf die chinesischen Nachbarn weg, 1994 erhielt das Museum seinen heutigen Namen. Seitdem kommen die Besucher in Scharen. Über das Außengelände verstreut ist verschiedenes Kriegsgerät wie Hubschrauber, Flugzeuge, Panzer und Bomben. Die Ausstellung drinnen zeigt anhand von drastischen Foto-Dokumenten, was Krieg für die Menschen bedeutet, die ihn erleiden müssen: Verwundung und Zerstückelung, Schmerz und Tod, von Agent Orange verstümmelte Kinder. Ein Raum ist den im Vietnamkrieg getöteten Reportern gewidmet. Vor dem Tor des Museums haben wir uns entschieden, uns diese Ausstellung nicht anzusehen. Weil wir wissen, wenn wir sie uns anschauen, wird uns das noch Tage (und Nächte?) beschäftigen. Und das woll(t)en nicht.

Daher an dieser Stelle nur ein paar von außen gemachte Fotos, die eher wie überdimensionale Spielzeuge wirken.

Für viele Saigon-Touristen gehört ein Besuch des Tunnelsystems von Cu Chi, etwa 25 Kilometer nördlich von der Metropole gelegen, zum Pflichtprogramm. Das Tunnelnetz, das insgesamt 220 Kilometer umfasst, wurde bereits zur Zeit des Ersten Indochina-Krieges gegen die Franzosen (1946-54) angelegt und genutzt und später im Krieg gegen die Amerikaner ausgebaut. Von hier aus konnten die nordvietnamesischen Vietcong Anschläge auf die südvietnamesischen und US-amerikanischen Militäranlagen in und um Saigon ausführen, um gleich danach wieder unterzutauchen. Sie boten auch der Bevölkerung Schutz, es gab hier unter der Erde sogar Schulen und Lazarette.

Damit auch ausländische Touristen durch die gut getarnten kleinen Zugänge und niedrigen Gänge passen, hat man sie für deren Körpergröße etwas erweitert. Dennoch: Wenn man in Hockstellung oder auf allen Vieren durch diese Tunnel kriecht, ist das durchaus ein mulmiges Gefühl. Die Eingänge waren für die Amerikaner kaum zu finden. Sie waren überdies durch Sprengfallen geschützt. Die Amerikaner hatten es also mit einem Gegner zu tun, der die meiste Zeit unsichtbar war. Darüber hinaus hatten die Vietcong überall in diesem Dschungel-Kampfgebiet Fallgruben mit Metall- oder Bambusspießen ausgehoben. Hier sollte sich jemand tödlich verletzen, aber nicht gleich sterben. Zur Hilfe eilende Kameraden wurden dann von den Vietcong-Kämpfern beschossen.

Die Tunnelsysteme dehnen sich zu drei Etagen tief aus.

Ein Busch mit Schießscharte, kaum erkennbar.
Der Eingang wird dann wieder von innen mit einem Deckel verschlossen.

Auswahl aus dem Arsenal an Fallgruben und ähnlichen Tötungsapparaturen:

In Cu Chi gibt es auch einen Schießstand, wo man – gegen eine satte Gebühr – beispielsweise mit einer AK47 schießen darf. Aus unserer Sicht ist das geschmacklos.

Einen längeren Besuch statteten wir dem Wiedervereinigungspalast ab, einem typischen Beispiel für opulente 60er-Jahre-Architektur. Das heutige Gebäude wurde 1966 fertiggestellt, nachdem der vormalige Palast von der südvietnamesischen Armee bombardiert wurde, um den damaligen Präsidenten Diem auszuschalten. Diem überlebte und ließ an gleicher Stelle neu bauen („Unabhängigkeitspalast“). Doch die Einweihung erlebte er nicht, er wurde 1963 bei einem von der CIA unterstützten Putsch ermordet. Sein Nachfolger residierte bis zum Ende des Krieges hier. Das weitläufige Gebäude vermittelt einen guten Eindruck in das südvietnamesische Präsidenten-Leben in Zeiten des Krieges. Neben den Privatgemächern, Sitzungsräumen, Festsälen sind im Keller auch Funkräume und die Kommandozentrale zu besichtigen.

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