Wilde Verfolgungsjagd – den Franzosen auf den Fersen

Der Tag nach unserem Ausflug ans Cape Reinga fing so friedlich an … blauer Himmel, strahlender Sonnenschein. Hätten wir gewusst, was uns an dem Tag erwartete, wohl kaum wäre unser Frühstück so entspannt draußen sitzend verlaufen.

Beim Zusammenpacken stellten wir fest, dass unsere Mappe mit all unseren Unterlagen verschwunden war: Flug- und Mietwagenbestätigungen, Visa für Australien, detaillierte Reiseroutenausarbeitungen, Impfpässe, internationale Führerscheine … Auch mehrmaliges intensives Suchen brachte diese Mappe nicht wieder ans Licht. Zuletzt hatten wir sie bei einer späten Kaffeepause am Vortag an einem Rastplatz nahe dem Kap benutzt. Also blieb uns nur, dort wieder hinzufahren. Gesagt, getan. Wieder 60 Kilometer Richtung Kap. Unterwegs gehen wir im Geiste den Inhalt der Mappe nochmal detailliert durch …. Eigentlich alles nicht so arg … Die meisten Unterlagen waren zur Sicherheit elektronisch in einem Dropbox-Ordner abgelegt. Nur die fehlenden internationalen Führerscheine könnten zum Problem werden. Ob die australische bzw. gegebenenfalls die neuseeländische Polizei mit PDFs zufriedenzustellen wäre? Das war zu bezweifeln. Und wenn jemand die Mappe gefunden hätte, was würde er/sie damit machen? Liegenlassen? Bei der Polizei abgeben oder sonstwo abgeben? Mitnehmen? Uns anrufen? Alles Mögliche denkbar. Wolfgang hatte ja durch die neuseeländische SIM-Karte eine andere Nummer, nicht die in den Unterlagen angegebene.

Am Rastplatz angekommen mussten wir feststellen, dass die Mappe weg war. Offizielle Ansprechpartner fanden wir auch am 5 Kilometer entfernten Kap nicht, nur Parkplatzeinweiser. Dazu war Sonntag und ein langes Wochenende durch den Tag der Arbeit, der auf den folgenden Montag fiel. Enttäuscht fuhren wir die 50 km wieder zurück nach Houruka, dort sollte laut Parkplatzeinweiser eine Polizeistation sein. Und da war auch wieder eine Netzabdeckung, die es Richtung Kap weiter im Norden nicht gibt. Mittlerweile war es Mittag und Zeit für einen Kafffee. Und dabei erhielt Wolfgang eine erlösende Mail:

Wir haben eure Dokumente, ruft uns an. Nadine F.

Große Freude auf unserer Seite. Wir erinnerten uns, dass ein Campervan mit einem französischen Paar gleichzeitig am Rastplatz gewesen war. Wir hatten noch bei der Abfahrt rübergeschaut, die sahen ganz nett aus. Das anschließende Telefonat gestaltete sich dann allerdings sehr schwierig. Nicht nur eine schlechte Verbindung, sondern auch mäßige Englischkenntnisse bzw. ein schnell genuschelter Französischfluss mit südfranzösischem Akzent. Zum Haareraufen. Wir verstanden so viel, dass die beiden mit unserer Mappe mittlerweile 50 km weiter südlich in Ahipara waren. Wir baten sie darum, die Mappe dort bei einem Campingplatz zu lassen, schickten die genaue Adresse per Mail und SMS an die beiden und machten uns wohlgemut auf den Weg. Fast dort angekommen, kam ein Anruf der beiden, dass sie inzwischen mit unseren Papieren auf einer Fähre Richtung Rawene, weitere 60 Kilometer weiter südlich seien. Oh nein, das wurde jetzt einem Katz-und-Maus-Spiel. Wir machten uns ein weiteres Mal auf den Weg. Um unterwegs dann festzustellen, dass unsere Nachrichten die beiden wohl nicht rechtzeitig erreicht hatten, denn in diesem Bereich (der Westküste) gibt es nur eine rudimentäre Netzabdeckung.

Schließlich erhielten wir von den beiden die Nachricht, dass sie sich in der Nähe von Omapere (nochmals 50 km weiter) eine Übernachtungsmöglichkeit suchen und uns die Adresse schicken würden. in Omapere angekommen waren wir sicher, dass nun die Verfolgungsjagd ein gutes Ende finden würde, nur ein bisschen Geduld bis zum Eintreffen der Nachricht. Aber dann war da nur noch Schweigen. Kein Anruf, keine SMS … Ratlos fuhren wir in Omapere die Küstenstraße rauf und runter. Bei einem Halt kamen wir mit einem französischen Pärchen ins Gespräch. Die hatten auch eine verückte Geschichte zu erzählen. Sie waren ursprünglich als Tramper unterwegs, hatten jetzt aber einen alten Van. Ein Neuseeländer, der sie mitgenommen hatte, hatte ihnen diesen für umgerechnet 300 Euro (!) überlassen, weil er ihn nicht mehr wirklich brauchte. Und was sie uns sonst noch erzählten, wäre Stoff für eine (andere) Kurzgeschichte …

Plötzlich klingelte das Telefon. Die Finder unserer Unterlagen hatten eine Bleibe weiter südlich mitten im Waipouri Forest gefunden, wo es noch einige namhafte alte Kauribäume gibt. Ein riesiges Waldgebiet, weitere 40 km weiter. Bei Dunkelheit machten wir uns wieder auf den Weg. Weitere 40 Minuten … schlechte Straße, eng und kurvig … dann endlich ein Hinweis auf den Campingplatz, nochmal 3 Kilometer Schotterpiste. Dort angekommen sind wir mit der Taschenlampe über den Campingplatz gestolpert und habe „unsere Franzosen“ aus dem Bett geklopft. Nach einem kurzen Plausch am offenen Auto (Achtung Stechmücken!) und einem herzlichen Merci hielten wir dann endlich wieder unsere Dokumente in der Hand. Bei der nächsten Kaffeepause an einem Rastplatz werden wir wohl doppelt hinschauen, ob wir nichts vergessen haben!

Die Kauris – viel mehr als nur Holzlieferanten

Wir sind von Cape Reinga auf der Westseite der Nordinsel wieder Richtung Süden gefahren, unser nächstes Fernziel ist die Coromandel-Halbinsel östlich von Auckland. Einmal setzen wir mit der Fähre über (nach Rawene), bei Omapere direkt an der Küste erwischen wir auf einem Lookout gerade noch einen dieser Traumsonnenuntergänge.

Bei eintretender Dunkelheit fahren wir durch den Waipoua-Forest. Im Waipoua-Forest und im Trounson Kauri Park stehen fast drei Viertel aller noch verbliebenen Kauris in Neuseeland. Die Kauris waren schon hier, als noch kein menschlicher Fuß die Insel betreten hatte. Und sie hätten den Menschen fast nicht überlebt. Noch vor ca. 150 Jahren waren weite Teile der Nordinsel von diesem Baum überzogen, und von diesem Bestand sind nur etwa 2 Prozent geblieben. Kauris stehen deshalb unter strengem Schutz, und man muss besondere Vorkehrungen treffen, wenn man einen Kauriwald betritt. Die Schuhe sind aufwändig zu reinigen und zu desinfizieren, sowohl beim Betreten wie beim Verlassen des Walds. Erst vor wenigen Jahren wurde ein Parasit in Neuseeland eingeschleppt, der tödlich für den Kauri sein kann.
Im Waipoua-Forest befindet sich auch der älteste Kauri der Welt, der Tane Mahuta, der „Gott der Wälder“. Ein wirklich ehrfurchteinflößendes Exemplar, dessen Alter auf 2000 Jahre geschätzt wird. Sein Stammumfang beträgt etwa 14 m, seine Äste beginnen auf ca. 18 m Höhe und er ist fast 52 m hoch. Wir fühlen uns an die Mammutbäume in Kalifornien erinnert. Im Waipoua-Forest befinden sich noch einige weitere Exemplare aus der obersten Kauri-Liga. Und Kiwi-Gebiet ist das hier ebenfalls, deshalb werden auch nächtliche Führungen angeboten.

Sowohl die Europäer wie auch die Maoris schätz(t)en den Kauri in besonderer Weise. Für Letztere ist er heilig. Sie verwendeten die glatten Kauri-Stämme für ihre Kriegskanus, ihr Harz wurde als Brennstoff für Fackeln verwendet. Schon Captain Cook entdeckte die Qualitäten des Kauri-Baumes für den Schiffbau, und rasch wurde der Kauri auch zum zentralen Holzlieferanten für den Hausbau. Die Hochzeit des Kauri-Abbaus war die Phase zwischen 1870 bis 1920. Aus Kauri-Wäldern wurde in großem Stil Farmland.

Kauriharz wurde über Jahrzehnte in großen Mengen weltweit exportiert. Die chemische Industrie nutzte es zur Herstellung von Farben, Bodenbelägen und Klebstoff. Heute noch gilt es bei hochwertigen Musikinstrumenten als unübertroffener Lack.

Am eindrucksvollsten wird die Geschichte des Kauri-Abbaus in einem Museum in Matakohe (in der Nähe von Dargaville) dargestellt. Wir haben hier etwa drei Stunden verbracht und waren tief beeindruckt von den vielen Exponaten (u.a. Kauriharzklumpen in gewaltigen Dimensionen und wunderschöne Möbel), nachgestellten Szenen aus dem Leben der Holzfäller und sog. „Gumdigger“ (die die Harzklumpen zutage förderten), der Holzbarone, -händler und -verarbeiter. Es wurden stattliche Maschinenparks zusammengetragen und Werkzeuge zur Holzbearbeitung und -verarbeitung der unterschiedlichsten Art. Auffälligstes Ausstellungsstück ist sicherlich ein 22 m langes Holzbrett aus einem Stück Kauriholz.

Die Riesendünen an der Te Paki-Mündung auf der Nordinsel

Auf unserem Rückweg von Cape Reinga machen wir noch einen kurzen Abstecher zu den Riesendünen, die das nördliche Ende der berühmten Allradstrecke 90-Mile-Beach markieren. Diese wollen wir uns doch nicht entgehen lassen, auch wenn es schon spät am Nachmittag ist. Wir fahren etwa drei Kilometer Schotterpiste und unten angekommen sehen wir einen Lkw, an dem Sandboards vermietet werden. Das ist ganz offensichtlich ein Riesenspaß. Wir stellen unser WoMo ab, durchwaten den Te-Paki-Fluss und erklimmen die Dünen, die sich majestätisch vor uns hinstrecken. Ganz schön beschwerlich – bei jedem Schritt versinkt der Fuß tief im Sand und sackt weit zurück. Ein paar junge Leute in der Nähe von uns vergnügen sich mit ihren Sandboards. Eine sehr angenehme, entspannte Atmosphäre. Wir probieren ein bisschen mit der Kamera herum, Aufnahmen im Gegenlicht. Und wir tollen im Sand, laufen hierhin und dorthin, unbedingt auch auf den „Gipfel“.

Man kann hier übrigens auch mit einem Allrad-Fahrzeug durchs Flussbett preschen und dann – am besten oberhalb der Flutlinie – den Strand entlangrasen. Bei uns wäre das wahrscheinlich schon längst verboten …

Cape Reinga – ein magischer Ort

Schon seit wir aus Auckland Richtung Norden aufgebrochen sind, fragen wir uns, wo die vielen neuseeländischen Schafe denn nur sind. Was wir aber ständig sehen, sind Rinder – schwarz-weiße, braune, tiefschwarze … meist riesige Herden über die Landschaft verteilt.

Gestern und heute auf dem Weg entlang der hundert Kilometer langen Halbinsel Aupuri, an deren Spitze das Cape Reinga liegt, haben wir dann endlich Schafe in nennenswerten Mengen erblickt. Wir hatten uns allen Ernstes schon gefragt, ob jemand beim Schreiben Rinder und Schafe vertauscht haben könnte ;-). Heißt es doch, dass es in diesem Land etwa 22 Millionen Schafe gibt, auf jeden Neuseeländer kommen zurzeit etwa 6. Auch wenn der Bestand in den vergangenen Jahren beträchtlich zugunsten von Milchvieh abgenommen hat (wie eine Internetrecherche hervorbringt), ist das ja nicht unerheblich.

Wir fahren nach diesen Beobachtungen beruhigt weiter Richtung Cape Reinga, dem Sehnsuchtsziel aller Neuseelandtouristen entgegen. Die erstaunlich gut ausgebaute Straße schlängelt sich durch eine traumhafte Landschaft: Ausblicke auf tief sich ins Land ziehende Meeresbuchten auf der Ostseite, Wiesen, bewaldete Erhebungen, Sanddünen, Weiden mit besagten Rindern und Schafen und auch mal Pferden, hin und wieder erblicken wir auch mal Esel, Emus, Strauße und Truthähne! Kaum Ansiedlungen.

Den berühmt-berüchtigten Ninety-Mile-Beach, der sich am Westrand der Halbinsel entlangzieht und in Wirklichkeit nur 65 km lang ist, kann man auf dem Weg nach Norden leider nicht sehen.

Unterwegs gibt unser „Lkw“ immer mal wieder unerklärliche Töne von sich. Da Ignorieren nicht hilft, halten wir schließlich an. Hoffentlich hier oben fernab von Autowerkstätten nichts Schlimmes! Nein, zum Glück nur eine Verschleißerscheinung unseres betagten Gefährts: die Halterung eines Schmutzfängers ist defekt, er droht sich ganz abzulösen. Da kein Draht zur Hand ist, löst Wolfgang das Problem, indem er die Fixierung mit Seil, das wir am Viehgatter gefunden gaben, vervollständigt. Mal sehen, wie lange das hält … Als Camper muss man mit dem auskommen, was man nun mal hat.

Dann sind wir endlich am Kap. Eine der Attraktionen ist der imposante weiße Leuchtturm. Schaut man von hier aufs kräuselnde Meer, sieht man, wie Tasmansee und Pazifik ineinanderfließen. Ein magisches Schauspiel. Man kann sehr gut nachvollziehen, das dies für die Maori ein heiliger Ort ist. Sie glauben, dass die Seelen ihrer Toten über die Wurzeln eines Baumes ins Meer und damit in die Ewigkeit gleiten. Eine schöne Vorstellung, mit der auch wir uns durchaus anfreunden können.

Wir fahren vom Kap ca. 20 Kilometer wieder in Richtung Süden bis zum Te Paki Gate, von wo wir uns auf eine 14 Kilometer lange Rundwanderung begeben und einfach fantastische Natur in unterschiedlichsten Formen erleben. Und wir sind die meiste Zeit allein auf unserem Track! Es ist die pure Freude.

Waitangi – die schwierige Geburt der neuseeländischen Nation

In den 1830er-Jahren nahm der Zustrom an europäischen Einwanderern nach Neuseeland drastisch zu, es herrschten zum Teil chaotisch-rechtlose Zustände, die sowohl die Briten wie auch die Māori-Häuptlinge beunruhigten. Außerdem streckten die Franzosen, die ewigen Konkurrenten, ihre Hand nach Neuseeland aus. Es musste rasch etwas geschehen. Die britische Krone schickte William Hobson als Governor, auf dass dieser für klare Verhältnisse sorge. Innerhalb weniger Tage wurde ein Vertragswerk aufgesetzt, dass von einem Geistlichen vom Englischen in Māori übersetzt wurde. Dieses Vertragswerk, bekannt als Treaty von Waitangi, ist quasi die Verfassung Neuseelands. Es wurde 1840 von ca. 500 Māori-Häuptlingen unterzeichnet. Doch, wie bei Übersetzungen nicht selten der Fall, entsprachen sich die beiden Textfassungen stellenweise weder im Wort- noch im Bedeutungsgehalt. Im Verständnis der Māori beispielsweise kann ein Mensch kein Land besitzen, es ist vielmehr umgekehrt: Der Mensch gehört wie die ganze Natur der Mutter Erde und er darf sie für seine Bedürfnisse nutzen. Deshalb kann ein Māori auch kein Land verkaufen. Und am Kauf dieses Landes hatten die Briten und anderen Europäer ein hohes Interesse. Daher kam es, wie es kommen musste: Streitigkeiten, Auseinandersetzungen, Kämpfe wegen des Vertrages von Waitangi. Diese mündeten 1975 in einem Tribunal, das einen bis heute andauernden Schlichtungsprozess einleitete und die britische Krone zwang, das an den Māori seit dem Treaty of Waitangi verübte Unrecht offiziell einzugestehen.

Die sog. Treaty Grounds gelten als wichtigste historische Stätte Neuseelands. Sie sind ein sehr weitläufiges Gelände mit einem hervorragenden Museum, das die Ereignisse multimedial darstellt, laufenden Ausstellungen, verschiedenen historischen Gebäuden und dem weltweit größten Kanu (waka), in dem 80 Krieger Platz finden. Es gibt zu festen Zeiten Führungen und folkloristische Darbietungen, die den Besuchern die Welt der Māori näherbringen sollen.

Ein Besuch der Waitangi Treaty Grounds ist ein Muss – auch wenn der Eintrittspreis von inzwischen 50 Dollar pro Nase (Neuseeländer zahlen die Hälfte) etwas schmerzt.

Rundwanderung Paihia-Russell

Diese Rundwanderung, insgesamt ca. 24 Kilometer, war äußerst vielfältig. Sie beinhaltete zwei Fährüberfahrten und begann mit einem Boardwalk durch Mangroven, führte durch Wälder mit heftigen An- und Abstiegen, über Felsküste und Sandstrände. Passend zur Mittagspause auf einem Steg am Wasser haben uns ein paar Seeschwalben eine beeindruckende Vorstellung geliefert: Zeitweilig flatterten sie auf der Stelle, um im nächsten Moment wie ein Stein ins Wasser zu stoßen und mit einem Fisch im Schnabel wieder aufzutauchen. Ein tolles Schauspiel!

Da in Neuseeland jetzt Frühling ist, haben wir auch viele interessante Pflanzen und zum Teil grellfarbene Blüten gesehen, und nicht selten umgab uns ein intensiver Jasminduft.

Und bei manchen Wohnlagen konnten wir uns den einen oder anderen grünen Neidpunkt nicht verkneifen …

In Russell haben wir eine Kaffeepause eingelegt. Das ist der älteste Ort Neuseelands – wenn man einmal von den Maorisiedlungen absieht. Russell wirkte eher etwas beschaulich und bieder – das war in den Anfängen keineswegs der Fall. Schon bald nach dem ersten Besuch der Europäer unter James Cook entwickelte sich der Ort zu einem stark frequentierten Landeplatz auf der Südseeroute und zu einem Zentrum des Walfangs.

Shoppen mal ganz anders

Nach einer „freien“ (= auf einem Free-Camping-Platz) Nacht an der Ocean Beach am „Ende der Welt“ sitzen wir beim Frühstück im Camper. Unsere Nachbarn, ein junges Paar aus Deutschland (wie sollte es anders sein), sitzen draußen am Picknicktisch. Die junge Frau friert trotz Anorak. Deutlich sieht man ihr an, dass sie sich nicht so wohlfühlt. Das junge Glück zieht schließlich los zu einer mehrstündigen Wanderung (wie sie uns erzählt haben). Sie mit Pudelmütze und Handschuhen. Nach unserem Frühstück kommt die Sonne raus, Gelegenheit für einen kurzen Spaziergang am Strand entlang und zurück über die Dünen.

Dann Weiterfahrt in die Stadt Whangarei, wir brauchen noch ein paar Dinge. Shopping ist angesagt. Nachdem die etwas schwierige Parkplatzsuche – der Camper passt mit 6,50 m nicht auf normale Parkplätze – geht es Richtung Stadtzentrum. Unterwegs stoßen wir auf mehrere sogenannte „Hospice-Shops“. Der Name ist uns in Auckland schon begegnet. Es sind keine Läden, die in direktem Zusammenhang mit Hospizen stehen, was man annehmen könnte. Sondern Second-Hand-Läden, die für diverse soziale Anliegen Geld sammeln, indem sie gespendete Gebrauchtwaren verkaufen. Um zwar alles vom Eierlöffel über Kleidung bis hin zum Esstisch, je nach Platz und Möglichkeit. Wir werden im ersten Laden fündig: Eine Plastikspülschüssel, Plastikbehälter und ein scharfes Messer für kleines Geld, im zweiten dann finden wir den arg vermissten Deckel für unsere Pfanne. Dann noch Proviant aufstocken, weil gerade ein großer Supermarkt auf unserem Weg liegt. Danach geht’s wieder auf die Piste Richtung Norden. In Paihia machen wir bei traumhaften Blick auf die Bucht kurz Halt und entschließen uns nach kurzem Zögern zu einer Komfortübernachtung auf einem gut ausgestatteten Campingplatz, einem Top 10 Holiday Park – mit Aussicht auf eine heiße Dusche und frische Wäsche!

Kawakawa: Ein Klo als Wahrzeichen – das gibt‘s nur bei den Kiwis

Auf dem Weg zur Bay of Islands an der Nordostküste der Nordinsel fährt man durch einen eher beschaulichen Ort, dessen einzige echte Attraktion ein Klo ist … Es handelt sich um die Hundertwassertoilette (könnte der Name des Künstlers passender sein?) in Kawakawa. Hier lebte der Maler, Architekt und Umweltschützer Friedensreich Hundertwasser von 1973 bis zu seinem Tod im Jahre 2000. Die Toilette, eröffnet 1999, soll Hundertwassers letztes großes Werk gewesen sein. Na, wenn das kein Abgang ist.
Die Bedürfnisanstalt wird ganz normal in ihrer eigentlichen Funktion genutzt. Man muss also Rücksicht und Taktgefühl obwalten lassen, wenn man hier seine Fotos macht :-).
Der Toilette gegenüber wurde eine Sitzbank im Hundertwasserstil errichtet. Vielleicht soll man hier Platz nehmen, wenn sich eine Schlange bilden sollte?
Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darf man davon ausgehen, dass diese Bedürfnisanstalt zu den meistfotografierten der Welt gehört. Ob auch jede/r Fotograf/in hier etwas hinterlässt?

Eines ist jedenfalls sicher, der Ort Kawakawa kann sich glücklich schätzen, solch einen berühmten Bewohner gehabt zu haben, der ihm eine Toilette der ganz besonderen Art vermacht hat. Nützliche Kunst im besten Sinne. Denn nur aus diesem Grund halten die Touristenschwärme auf dem Weg zu aufregenderen Zielen im Norden wie dem Cape Reinga kurz an … und hinterlassen mit etwas Glück ein paar Dollar.

Die ersten drei Fotos gehören zu einem Wandmosaik in Kawakawa, das sicherlich nicht von Hundertwasser stammt, aber durchaus sehenswert ist.

Whangarei Falls und Ocean Beach

Inzwischen haben wir uns schon ein wenig an die exotischen Maori-Bezeichnungen gewöhnt, auch wenn wir uns immer wieder fragen, wie man denn diese Zungenbrecher auf Englisch ausspricht. Tja, hier kommen manchmal auch die Experten an ihre Grenzen … Ruakaka, Mangapai, Ngararatanua, Waikaraka, Hikurangi … Wer soll sich das merken? Und mitten drin in diesem Polinesien-Talk plötzlich ein straffes „Portland“ oder „Gumtown“. Wie bringt man das zusammen? Oder kann und soll das einfach so nebeneinander stehen? So wird’s sein.
Wir fahren an der Ostküste der Nordinsel hoch, und zwar mit dem Ziel Cape Reinga. Aber so schnell wie in Deutschland geht das nicht, vor allem nicht mit unserem Dieseldickschiff. Von unserer ersten Campingübernachtung in Ruakaka sind es Luftlinie vielleicht nur 35 km nach Whangarei. Aber das zieht sich. Dort angekommen finden wir ohne größeren Aufwand den Einstieg zur ersten Tageswanderung zu den Whangarei Falls. Der erste Abschnitt führt uns durch den A. H. Reed Memorial Kauri Park, Wir wandern durch den eindrucksvollen Rest eines Kauriwaldes, stauen über ein paar Riesen dieser Gattung. Ein Canopy Boardwalk führt uns durch die Wipfelzone. Uns gefällt die Art der Verzweigung und die häutige Rinde der Kauris sehr. Kauri-Holz ist gerade gemasert, lässt sich leicht bearbeiten und ist sehr stabil. Das ist sicherlich auch der Grund, warum mit der Einwanderung der europäischen Siedler der Kauribestand kontinuierlich stark zurückging. Heute steht der Kauri unter Naturschutz und darf nur noch von einem Maori für rituelle Zwecke gefällt werden.

Wir kommen zum Hatea-Fluss und folgen seinem Verlauf. Wir fühlen uns zeitweilig an heimatliche Flüsse erinnern, auch von der Vegetation her, denn es riecht nach Bärlauch, der hier entlang des Weges ausufernd blüht. Und dann stehen plötzlich mittendrin irgendwelche Palmen und Baumfarne … Das Highlight sind natürlich die Whangarei Falls. Das ist ein imposanter 26 m hoher Wasserfall. Der Rundweg ermöglicht Fotos aus verschiedensten Perspektiven. Wasserfälle üben eine eigene Faszination aus, immer wieder, und das wird nicht der letzte Wasserfall sein, den wir auf unserer Reise fotografieren.

Nach einer kurzen Mittagspause fahren wir zum Ocean Beach. Das ist ein kleiner Ort, der nahe der Spitze einer Landzunge an der Bream Bay liegt. Wir finden den Gedanken ganz reizvoll, jetzt mal eine Nacht „wild“ zu campen. Mit Hilfe von entsprechenden Apps ist das alles kein Problem. Es geht mächtig auf und ab, bis wir am Zielort sind. Wir finden uns auf einem Parkplatz in Strandnähe ein, der in einem ausgewiesenen Bereich eine kostenfreie Übernachtung für „self-contained“ Campingfahrzeuge erlaubt. Das setzt vor allem eine eigene Toilette voraus. Wir suchen uns ein schönes Plätzchen, wunderbar. Wir gehen zum Strand. Es sind ein paar Wolken aufgezogen, aber das stört uns nicht. Einmal die Füße und/oder Hände ins Wasser gesteckt. Frisch, prickelnd.
Dann geht’s die steilen Felsen hinauf. Wir nehmen Kurs auf eine Radarstation oben am Felsrand. Das bringt den Puls in Schwung. Hoch oben wird der Wald sehr dicht. Ein Weg schlängelt sich hindurch. Wir finden unseren Rhythmus und laufen immer weiter. Hin und wieder gibt der Wald grandiose Blicke aufs Meer oder die Gebirgskette frei. Es ist schon spät und allmählich machen wir uns Sorgen, ob wir vielleicht auf den falschen Trail geraten sind. Der Weg ist stellenweise ziemlich anspruchsvoll. Immer wieder fulminante Steigungen, dann drastische Abstiege, manchmal durch den Schlamm und über rutschiges Wurzelwerk, an manchen Stellen sid auch steile Holztreppen, die Beinmuskeln fangen langsam an zu schmerzen. Zumal man an einigen Stellen regelrecht klettern muss, vor allem abwärts ist das fordernd, gut dass man sich ohne einen Gedanken an giftige Lebewesen an Lianen, Baumstämmen und Ästen festhalten kann. Mit viel Glück schaffen wir den Weg zurück zu unserer Bucht gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit. Dort stellen wir fest, dass wir inzwischen einige Nachbarn haben. Direkt neben uns hat sich ein junges Paar aus Deutschland eingefunden, so um die zwanzig. Die beiden haben sich einen Van gekauft und wollen ein Jahr Neuseeland bereisen. Mindestens. Und dann vielleicht Australien. Oder Südostasien? Mal sehen, was sich ergibt. Eventuell auch alles.
Das haben wir nun schon öfter erlebt. Junge Leute im Abi-Alter, die ein altes Auto kaufen und sich irgendwie durchschlagen wollen. Neuseeland steht bei dieser Traumfabrik ganz hoch im Kurs. Dieses Land hat sich zu einem Sehnsuchtsort für viele junge Menschen entwickelt, die sich mal völlig losgelöst von den Zwängen des Alltags erleben und ausprobieren wollen. Und die Filmindustrie hat wahrscheinlich mit den Hobbits und Harry Potter die visuelle Vorlage dafür entwickelt. Die Deutschen sind dabei klar in der Mehrheit. Wohin man auch kommt, die Mehrheit der reisenden Ausländer in Neuseeland im hiesigen Frühjahr sind Teutonen.

On the road … ENDLICH!

Montagmorgen in Auckland. Es geht los! Auto abholen und losfahren ….

Montagfrüh brechen wir nach einem schnellen Frühstück zeitig auf, zurück zum Flughafen, 20 Kilometer südlich von Downtown. Der Plan ist, dass uns der Campervermieter von dort abholt. Am Flughafen dann ruft Wolfgang versehentlich die Vertretung in Christchurch weit entfernt auf der Südinsel gelegen an. Die versprechen sofortige Abholung, doch nichts passiert. Der Irrtum klärt sich durch ein Telefonat. Wir fahren letztlich per Taxi zu „Wendekreisen“, unserem Campervermieter. Dann folgen die Formalitäten, durch eine freundliche, singsangmäßig uns informierende Dame, Check des Fahrzeugs und Einweisung in die Handhabung. Ein Fahrzeug mit offensichtlicher Patina: Ein Kratzer hier und da, die ein oder andere Macke … na ja, bei 540.000 Kilometern Fahrleistung kein Wunder. Und endlich fahren wir los … nachdem unsere Sachen verstaut sind und wir uns am Schrank mit Überbleibseln der gerade wieder Abgereisten bedient haben: Von Nudeln und Reis über Gewürze wie Salz und Pfeffer bis hin zu Obst und angebrochenen Weinflaschen … nicht zu vergessen Lesestoff und Reiseführer in diversen Sprachen!

Viel Zeit ist über dem ganzen Procedere vergangen. Es ist schon Mittag und wir starten in Richtung Supermarkt für den obligatorischen ersten Großeinkauf. Verfahren uns prompt, ist schließlich alles neu … der Camper fährt sich wie ein LKW, die Beschreibung zum Supermarkt hat ihre Tücken und Eva verwechselt in der Aufregung rechts und links. Doch wir finden schließlich zu Pack‘n Save, einem richtig großen Supermarkt. Kämpfen uns durch das schier unerschöpfliche Angebot: Suchen Müsli, das nicht in die Kategorie Zuckerbombe fällt, Klopapier, Obst, Gemüse, Nüsse, Tee, Kaffee …

Nach der Anstrengung ist erstmal ein Imbiss angesagt, gleich auf dem Parkplatz, nicht eben das, was man sich unter romantischem Camperleben in Neuseeland vorstellt, aber es muss sein. Dann geht es endlich, endlich los. Einmal quer durch den Großraum Auckland Richtung Norden im Feierabendverkehr. Der ist zwar kein Vergleich mit dem, was wir aus Stuttgart oder München kennen, aber trotzdem schweißtreibend, weil die Orientierung per Karte und Navi noch schwerfällt: All die ungewohnten Namen, größtenteils Maori, sie klingen alle so ähnlich, wie soll man das auseinanderhalten! Wir landen dann schließlich im letzten Tageslicht auf einem Campingplatz in Ruakaka, direkt am Strand. Wir haben freie Platzwahl, der Platz ist spärlich belegt. Dann geht es sofort an die Zubereitung des Abendessens, auf dem Platz herrscht schon Stille, obwohl es erst 21.00 Uhr ist, bloß nicht zu viel Lärm machen … Nach dem Essen zügig ins Bett, es ist frisch geworden, wir frieren. Hoffentlich wird das in der Nacht nicht noch schlimmer. Wir ziehen vorsorglich mehrere Sachen übereinander und kriechen schleunigst ins Bett. War ein anstrengender Tag. Soll das jetzt Urlaub sein?

Na ja, ab 20 Grad könnte das ein richtig einladender Strand sein 😉.