Odense – ein bisschen Knud und ganz viel Andersen

Odense ist mit 175.000 Einwohnern die größte Stadt Fünens und nach Kopenhagen und Aarhus die drittgrößte des Königreichs. Für uns ein idealer Zwischenstopp auf dem Weg aus dem Hohen Norden Jütlands nach Kopenhagen, wo wir unseren Sohn Arne besuchen wollen.

Odense ist ideal für touristische Tagesbesucher, weil es in kompakter und überschaubarer Weise ein große Vielfalt an Attraktionen bietet, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Wer Geschichte nicht ganz so spannend findet, mag sich vielleicht beim Namen der Stadt noch nicht sofort an den Wikingergott Odin erinnern. Verzeihlich ist für Nichtdänen und andere Außerirdische auch, nicht zu wissen, dass Odense schon früh zum Bischofssitz (1020) wurde und dass im Jahre 1086 König Knud IV. zusammen mit seinem Bruder in der St.-Albani-Kirche erschlagen wurde und in der Folge zum wichtigsten christlichen Märtyrer Dänemarks avancierte.

Nicht vorbei kommt man in Odense allerdings am international berühmtesten Sohn der Stadt: Hans Christian Andersen (1805-1875). Wer kennt nicht die Prinzessin auf der Erbse, Däumelinchen oder den standhaften Zinnsoldaten … Andersen ist vor allem als Märchenerzähler bekannt (er schrieb fast 200 Kunstmärchen), verfasste aber auch autobiografische Romane, Theaterstücke, Gedichte und Reiseliteratur. Er bereiste weite Teile von Mittel- und Osteuropa und war mehrfach in Griechenland und der Türkei.

Der berühmte Literat Andersen istüberall im Zentrum der Stadt präsent. In der Fußgängerzone begegnet man Skulpturen mit Märchenmotiven, es gibt einen besonders gekennzeichneten Wanderweg „Auf den Spuren von …“ und, last but not least, sein Geburtshaus und ein Museum, inmitten eines wunderschönen Viertels mit lauter kleinen, vorwiegend eingeschossigen Schmuckkästchenhäusern. Unbedingt sehenswert. Wer sich weder für Andersen noch für hübsche Häuschen erwärmen kann, wird sich vielleicht an den prächtigen Stockrosen erfreuen, die meterhoch vor den Fassaden aus dem Kopfsteinpflaster sprießen und immer wieder „Fotografier mich“ rufen. Wer Ohren hat zu hören ….

Hier kam Andersen als Sohn eines Schuhmachers zur Welt

Hanstholm – geschichtsträchtiger Fischereihafen

Hanstholm zählt zwar nur etwa 2.200 Einwohner, ist aber Dänemarks größter Fischereihafen (Überseehafen). Das Ortszentrum liegt auf einer Dünenkette. Von dort schaut man auf die modernen Hafenanlagen, deren Kaimauern eine Gesamtlänge von 4,6 km erreichen. Täglich werden hier bis zu 2.400 t Fisch gehandelt, zumeist Heringe und Makrelen.

Wir sind in erster Linie hier, weil wir das Bunkermuseum des Ortes besuchen wollen. Denn uns ist schon aufgefallen, dass die Zeit der Besetzung Dänemarks durch Deutschland im Zweiten Weltkrieg (1940-45) an vielen Orten insbesondere durch Bunker sehr präsent ist. Viele touristische Anziehungspunkte sind mit diesen massiven Betonklötzen verunziert.

Nazideutschland begann gleich zu Beginn des Eroberungs- und Vernichtungskrieges mit dem systematischen Ausbau von Befestigungsanlagen an der gesamten kontinentaleuropäischen Westküste, von Spanien bis nach Norwegen. Das sind ca. 9.000 km Küstenlinie. Dänemark und Norwegen spielten dabei eine besondere Rolle, weil Deutschland über diese beiden Länder den Skagerrak und damit den Zugang zur Ostsee kontrollieren konnte. Hanstholm war während der Besetzung die größte Bunker- und Verteidigungsanlage Nordeuropas.

Das Bunkermuseum Hanstholm ist als Dokumentationszentrum in ein Freilichtmuseum eingebettet, dessen Ausmaße einem schier den Atem rauben. Auf einer Gesamtfläche von 9 qkm wurden auf der „Festung Hanstholm“ 459 (!) Betonbunker gebaut, die meisten sind mehr oder minder verdeckt. Das Freilichtmuseum umfasst den westlichen Teil der deutschen 38-cm-Geschützbatterieanlage, deren Kanonenrohre allein 110 t wogen. Diese Geschütze hatten eine Reichweite von 55 km und deckten damit den halben Weg bis nach Norwegen ab (wo in Kristiansand eine baugleiche Stellung errichtet wurde).

Das Dokumentationszentrum gibt einen Einblick in das Alltagsleben der Soldaten und beleuchtet das Miteinander von deutschem Militär und der Zivilbevölkerung vor Ort und verwendet dabei eine Vielzahl an Originaldokumenten und -utensilien, von Waffen bis zu Briefen, Zeitungsartikeln, Auszügen aus Dienstplänen und Fotos. Es entsteht dabei ein Bild des einigermaßen friedlichen Miteinanders zwischen Zivilbevölkerung und Besatzungsmacht. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Versorgungslage hier (wie auch sonst in Dänemark) 1940-45 vergleichsweise gut war, weshalb man in Deutschland damals von der dänischen „Sahnefront“ sprach. Und es gab keine kriegerischen Handlungen. Zeitweilig waren im Großraum Hanstholm bis zu 1.500 Soldaten stationiert, in der Verteidigungsanlage selbst etwa 900. Die Begehung der verschiedenen Originalräumlichkeiten einer Geschützbatterie hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck vom Alltag der hier stationierten Soldaten, denen der Einsatz mit modernster Ausstattung erleichtert werden sollte. Diese „Alltagsnormalität“ inmitten der zerstörerischen Kriegsmaschinerie hinterließ bei uns einen schaurig-bizarren Eindruck. Wie kann man in dem einen Moment ein Fußballspiel organisieren und gleich im nächsten möglicherweise ein Schiff mit 2000 Menschen an Bord versenken?

Die Munitionsbahn wurde zum Transportfahrzeug umfunktioniert

Skagen – nördlichster Punkt in Dänemark

Äußerste geografische Punkte haben ihren besonderen Reiz, manchmal sogar einen Hauch Magie, denn ab hier verliert sich der Blick in der Weite des Meeres und reflexartig denkt man darüber nach, wo man denn ankäme, wenn man schnurgeradeaus führe. Bei Skagen ist das vergleichsweise einfach: Das wären – je nach Blickrichtung – Norwegen oder Schweden; und so beeindruckend weit ist das wohl nicht …

Aber Skagens nördlichster Punkt (Grenen) hat neben einem ansehnlichen Leuchtturm eine kleine Strandnase, deren Spitze man nach einem 20-30minütigen Marsch erreicht. Für Fußlahme, Eltern mit Kleinkind und Verkaterte gibt es den „Sandormen“, den Sandwurm, einen Treckerbus. Hier stoßen, deutlich sichtbar an den Verwirbelungen im Wasser, die ungestüme Nordsee und die etwas ruhigere Ostsee in Form des Skagerraks bzw. Kattegats aufeinander. Dazu tummeln sich Seehunde in den Fluten. Schwimmen ist aus offensichtlichen Gründen streng verboten, aber die Zehen darf man schon mal in diesen Salzwassermix hineinhalten. Ist bestimmt ein Jungbrunnen. Eva hat‘s probiert!

Wer diese Region kontrolliert, kontrolliert den Zugang zur Ostsee. Das ist auch der Grund dafür, dass es hier diverse erbitterte militärische Auseinandersetzungen gegeben hat, u.a. im Ersten Weltkrieg zwischen England und Deutschland (Skagerrak-Schlacht). Auch für Nazi-Deutschland war Skagen ein Ort mit hoher strategischer Bedeutung. Sichtbares Zeugnis und Mahnmal ist eine Bunkeranlagen in Strandnähe.

Skagen selbst ist während der Hochsaison ein viel besuchtes Ziel, hauptsächlich von Tagesausflüglern. Nette kleine Fußgängerzone mit reichlichem gastronomischen Angebot. An dem Freitagnachmittag, als wir dort waren, gab es an verschiedenen Stellen Live-Musik, die für gute Stimmung sorgte. Alle Leute schienen einfach gut drauf, es wurde mit einem Bier in der Hand viel geredet und gelacht. Ob es sich dabei bereits um „ekstatisches Feiern“ handelte, können wir nicht sicher beurteilen, da wir nicht wissen, in welche Dimensionen das Gemütspegel der Dänen auszuschlagen vermag.

Typisch für die Wohngegend in zentraler Lage von Skagen sind die verwinkelten kleinen Gässchen mit ockergelb getünchten Häuschen. Einfach hygge!

Wanderdüne Råbjerg Mile

Dänemark hat viel Küste und noch mehr Sand, aber Wanderdünen sind hier selten. Der Seltenheitswert erhöht den Genuss, das ist wie sonst auch im Leben 😉.

Råbjerg Mile ist über 1 km breit und hat sich bereits 4 km landeinwärts gefräst. Die Düne misst am höchsten Punkt 40 m und bewegt sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 m pro Jahr, aber in stürmischen Jahren schaltet Råbjerg Mile auf Turbo und dann sind‘s schon mal 50 m. Den Hochrechnungen nach kommt die Düne etwa zwischen 2200 und 2250 auf der anderen Seite der nördlichen Jütlandspitze im Meer an.

Wir haben den Termin im Smartphone-Kalender mit Erinnerungsfunktion hinterlegt, weil wir das unbedingt anschauen und wieder ein Selfie machen wollen.

Bulbjerg – einziger Vogelfelsen Dänemarks

Der Bulbjerg in der Jammerbucht wird als „lebendige Steilküste“ bezeichnet und lohnt nicht nur wegen der im Felsen brütenden Vögel einen Besuch. Man hat von der 47 m hohen Kalksandsteinklippe zu beiden Seiten einen grandiosen Blick. Ideal für Spaziergänge am Strand! Man kann die Klippe leider nicht am Strand umlaufen, sondern muss hoch- und wieder absteigen, um auf die andere Seite zu gelangen.

David gegen Goliath – handwerkliche Fischer im dänischen Lild Strand

Als kleinflächiges Land mit einer Küstenlänge von etwa 7.400 km (Deutschland kommt auf gerade einmal 2.400 km) spielt die Fischerei für Dänemark nach wie vor eine wichtige Rolle. Neben der auf Masse und Marge getrimmten Fischindustrie hat hier allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz die handwerkliche Fischerei überlebt. Wir hätten nicht unbedingt erwartet, dass wir im Land der Wikinger tatsächlich noch Boote zu Gesicht bekommen, die nach der Ausfahrt mit Zugmaschinen und Winden an Land gezogen werden und ihren Fang lokal anbieten (wie wir dies z.B. 2019 in Portugal gesehen haben). Deshalb hat uns der kleine Ort Lildstrand (bei Bulbjerg, Jammerbucht) gut gefallen. Natürlich haben wir dort auch einen Fisch gekauft und abends im Wohnwagen gegessen. Lecker!

Wikinger-Grabanlage bei Højstrup/Tommerby (Jammerbucht)

Es ist allgemein bekannt, dass die Wikinger ein besonderes (mythologisches) Verhältnis zum Meer und damit auch zu Schiffen hatten. Dies zeigt sich u.a. in ihrem Totenkult. Es gibt in der Nähe von Tommerby eine Grabanlage, die diesen Sachverhalt verdeutlicht. Tommerby lag früher direkt am Wasser und hier kamen die Schiffe mit den Toten an, die dann symbolisch in schiffsförmigen Steinsetzungen beigesetzt wurden. In der Anlage sind zahlreiche „Schiffe“ zu erkennen, die die Verstorbenen ins Reich der Toten geleiten sollten. Ein Ort mit einer besonderen Atmosphäre, der die Fantasie anregt.

Und die Schafe sorgen dafür, dass der Bewuchs kleingehalten wird.

Der Strand als Autopiste in Dänemark

Wir hatten bereits angesprochen, dass das Autofahren an Stränden in Dänemark erlaubt ist – selbstverständlich nicht überall, aber durchaus an längeren Abschnitten. Das kann zunächst einmal einfach nur praktisch sein, weil z.B. eine Familie nicht alle Strand- und Badeutensilien bis zum Wasser schleppen muss; eingedenk der Tatsache, dass man an manchen Stränden in DK von der Düne bis zur Wasserlinie bis zu einem Kilometer zurückzulegen hat. Und wenn die Eltern dann das Lieblingskrokodil des dreijährigen Wutpinsels nicht eingepackt haben, kann das der Urlaubsfreude einen empfindlichen Dämpfer verpassen …

Davon abgesehen ist es für kleine und große Jungs ein Riesenspaß, den Strand entlangzudüsen und dabei Sand- und Wasser hochspritzen zu lassen. Und auch die Mädels scheinen das mehr als ein bisschen zu mögen 😊 In unserem Fall bedeutete das konkret: rauf die Piste, auf All-Rad mit zusätzlichem E -Motor auf der Hinterachse umschalten und los!

Rubjerg Knude – Klippe mit mobilem Leuchtturm

Rubjerg Knude ist mit 100 m der höchste Punkt der 13 km langen Steilküste bei Lønstrup. und genau hier steht ein Leuchtturm, der sicher zu den meistfotografierten in Dänemark gehört. Sein Feuer ist zwar seit 1968 erloschen, aber das schadet in keiner Weise seiner Beliebtheit. Er wurde 1900 gebaut, über Jahrzehnte im Flugsand begraben und dann wieder „freigeblasen“, um dann abermals in seiner Existenz bedroht zu werden: Er rückte nämlich nun immer näher an die Lehm- und Sandkante heran und stand kurz davor, ins Meer zu stürzen. Der Leuchtturm wurde 2019 zum Medienstar, als man ihn in einem aufwändigen Projekt um ca. 80 m landeinwärts versetzte. Genauer gesagt: Er wurde mit speziellen „Rollschuhen“ versehen und dann auf Schienen verschoben. Das Ganze hat ungefähr 700.000 Euro gekostet. Gut investiert! Heute kann man den Turm sogar wieder besteigen und die wunderbare Aussicht von oben genießen.

Abbruchkante mit Restmauer des früheren Leuchtturmgebäudes
Steife Brise hier oben 😊

Ankunft in der Jammerbucht

Wir haben zwei Regentage hinter uns, Erinnerungen an Neuseeland kamen auf, als die Regenböen gegen unseren Wohnwagen peitschten. Aber so ist das eben im Norden. Wir sind heute weiter bis zur „Jammerbugt“ gefahren, also an die Nordwestküste Jütlands. Die Bucht erstreckt sich über ca. 100 km von Hirtshals über Løkken bis nach Bulbjerg. Die Fahrt dorthin war sehr angenehm, durch sanft-hügelige Landschaften mit unzähligen Windrädern (Dänemark ist führend in diesem Bereich), über die Insel Mors (Dänemark ist Brücken-Land!), mit Blick auf den Limfjord, vorbei an Seen, bis kurz vor Løkken, wo wir wieder auf einem Campingplatz in Strandnähe Quartier bezogen haben. Das Örtchen heißt Grønhoj.

Gleich nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir uns auf zum Strand. Auch hier die Möglichkeit, mit dem Auto über den festgefahrenen Strand zu fahren. Mehr noch, hier verläuft sogar eine offizielle Straße. Am Wasser bläst uns der Wind fast um. Ob das der Grund ist, dass nur wenige Menschen sich hier einfinden? Uns gefällt‘s. Das lässt sich gut an. Wir machen auch einen Abstecher in die Dünen, weil uns ein Schild mit einer Art Hausnummer neugierig gemacht hat. Ein schmaler Pfad führt uns nach oben und siehe da: Ferienhäuser, durch die Dünen gut vor dem Wind geschützt. Gibt‘s das bei uns auch? Man kann übrigens die Dünen nach Lust und Laune betreten; keine Verbotsschilder, keine Absperrungen. Das macht definitiv Lust auf mehr!

Für die Möwenfreunde haben wir wieder ein seltenes Exemplar der deutsch-dänischen Kampfmöwe gefilmt 😉