Camping am See in Långasjönäs

Wir steuern ja gerne die sogenannten „Naturcampingplätze“ an, die eher etwas einfacher eingerichtet sind und deren großer Vorzug die Lage mitten in der Natur ist. Långasjönäs liegt ein paar Kilometer landeinwärts von dem Küstenort Karlshamn entfernt, das wiederum auf halbem Weg zwischen Kristianstad und Karlskrona an der südlichen Ostküste angesiedelt ist.

Långasjönäs ist nicht eben klein und hat sowohl klassische Campingplätze wie auch kleine Hütten und familiengeeignete Holzhäuser im Angebot. Letztere liegen zum Teil mehrere hundert Meter voneinander entfernt und verfügen über einen eigenen Bootssteg. Wer also Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, ist hier goldrichtig. Solche an einem See gelegenen Plätze hat Schweden in großer Fülle zu bieten – schließlich soll es hier etwa 100.000 Seen (!) geben. Baden, Kanu- und Radfahren sowie Wandern kann man hier ganz wunderbar. Wir haben unseren Aufenthalt in Långasjönas u.a. für eine Radtour genutzt. Für uns eher ungewohnt: Man begegnet unterwegs kaum mal jemandem.

Karlskrona – Residenzstadt mit viel Marinegeschichte

Karlskrona (64.000 Einwohner) wurde 1680 auf Befehl von König Karl XI. als Flottenhauptquartier angelegt. Damals war Schweden eine Großmacht. Zu Karls Reich gehörte das Territorium des heutigen Finnlands, die gerade erst den Dänen abgerungenen südschwedischen Provinzen sowie beträchtliche Gebiete in Pommern und Nordwestdeutschland. Wegen seiner Lage im südöstlichen Schärengarten galt die Militärstadt als kaum angreifbar. Noch heute ist Karlskrona Marinestützpunkt und Sitz der Marineakademie. 1998 wurde die Stadt wegen ihrer Verteidigungsanlagen ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Diese Stadtgebiete sind militärische Sperrgebiete, mit Fotografierverbot belegt und von einer beeindruckend hohen Felsmauer umschlossen, wie die folgende Karte verdeutlicht – siehe die grau gekennzeichneten Bereiche:

Da passt es ins Bild, dass in dieser Stadt Anfang des 18. Jahrhunderts – so will es der Volksmund – in einer frostigen Dezembernacht ein Bettler namens Rosenbom an der Wand der Admiralitätskirche erfror, weil ihm nirgendwo Einlass gewährt wurde. Ein Bürger, der ihn abgewiesen hatte, wurde später von seinem schlechten Gewissen geplagt und schuf eine menschengroße Holzfigur, die an Rosenbom und allgemein an die Barmherzigkeit gegenüber Armen erinnern sollte. Die Skulptur ist eine Sammelbüchse. Denn der Hut des Alten Rosenbom lässt sich nach hinten aufklappen und im Kopf befindet sich ein Schlitz für den Münzeinwurf. Auf diese Weise kommen pro Jahr mehr als 6.000 Euro für wohltätige Zwecke zusammen.

Die Figur hat in Schweden Kultstatus und ist ist vor allem bekannt aus Selma Lagerlöfs Roman „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson“. Dort begegnet ihm der Titelheld bei seinem Besuch in Karlskrona und unterhält sich mit ihm.

Der militärisch-strategische Hintergrund bestimmt nach unserer Wahrnehmung den Charakter von Karlskrona nach wie vor. Bei unserem Rundgang kamen wir uns zunächst etwas verloren vor. Breite Straßen und große Plätze dominieren Bild. Der Stortorget, der zentrale Platz in der Innenstadt, grenzt an die das Rathaus, die barocke Frederikskyrkan und die pantheonähnliche Dreifaltigkeitskirche, im Innern insgesamt schlicht und mit einem groben Holzbohlenfußboden versehen. Und draußen wenig Leben (gänzliches Fehlen von Markständen, Cafés etc.) und sehr viel Kopfsteinpflaster … Wir haben uns gefragt, wie dieses Ambiente wohl im Herbst oder Winter aufs Gemüt wirkt, schließlich besuchen wir die Stadt im Hochsommer. So der Blick auf den Stortorget von einer Seitenstraße aus:

So richtig einladend wirkt das nicht, oder?

Aber gut, dieser Platz wurde ja auch für große Militärparaden entworfen und nicht für für den Umschlag von Obst und Gemüse. Dann liegt das Problem wohl eher beim Betrachter, der bei „zentraler Platz“ gleich an eine mediterrane Piazza denkt?

Außerdem stammte uns der weitere Rundgang immer versöhnlicher. Unsere nächste Station war der alte Fischmarkt (Fisktorget), wo es reichlich Verpflegungsangebote gibt, die Fährschiffe zu Rundfahrten durch die Schären ablegen und ein bronzenes Fischweib daran erinnert, dass früher die Fischer hier ihren Fang an die Stadtbewohner verkauften. Bei der näheren Betrachtung der Statue fällt auf, dass der Künstler bei der Ausformung der unteren Rückenpartie wohl die historische Kleiderordnung der Fischfrauen sehr männlich-modern interpretiert hat – da könnte Beyoncé vor Neid erblassen.

Nur wenige hundert Meter in westlicher Richtung entfernt liegt das einstige Werftarbeiterviertel Björkholmen. Da sind sie wieder, die schnuckeligen Holzhäuser! Einige von ihnen stammen noch aus dem 18. Jahrhundert, und auch die neueren Bauten passen sich harmonisch an die Vorlagen an. Sie sind rings um die Wachtmeistergatan angesiedelt.

Dass Karlskrona auf Schären errichtet wurde, wird u.a. deutlich an einem nackten Felsrücken, der gern von Jung und Alt zum sommerlichen Treff genutzt wird und von dem aus man einen schönen Blick auf die Stadt hat.

Neben ganz viel Wasser bietet Karlskrona auch etwas Grün, zum Beispiel im Admiralitetsparken, einer Grünanlage mit Glockenturm.

Die Militäranlagen (Båtsmanskaserne, Bastion Aurora, Marinmuseum) haben wir nicht besucht, wir haben uns in dieser Hinsicht mit ein paar visuellen Eindrücken begnügt.

Ach ja, auch in der sonst so strengen Militärstadt zeigt sich hie und da ein Hauch von künstlerischer Anarchie.

Sandhammaren – die Füße im feinsten Sand von Schweden

Sandhammaren ist DER Strand für einen Badeausflug im Südosten Schwedens. Hier soll der Sand feiner als sonst irgendwo im Land sein. Es ist vor allem das Gesamtensemble, das überzeugt. Denn hier gibt’s nicht nur lange Strände, sondern auch viel Kiefernwald und vor allem Dünen, wo man sich ungehindert ein windgeschütztes Plätzchen zum Sonnenbaden suchen kann, wenn einem nach Abgeschiedenheit ist.

Man wagt sich besser nicht zu weit hinaus aufs Meer. Denn da draußen erwarten den Unbedarften gefährliche Strömungen und Sandbänke, die nicht nur Schwimmern, sondern auch vielen Schiffsbesatzungen zum Verhängnis geworden sind. Es heißt, vor der Küste von Sandhammaren lägen tausende von Schiffen im Meeresgrund begraben. Zu Zeiten von König Karl XI (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) gab es hier an der Küste einen ausgedehnten Eichenwald. Diesen ließ der Regent der Legende nach abholzen, weil er für die Seeräuber ein Zufluchtsort war, die die Schiffe mit falschen Signalen auf die Sandbänke lockten und anschließend die Ladung kaperten.

Simrishamn – Fischerstädtchen mit Charme

Das Küstenstädtchen (knapp 20.000 Einwohner) ist ein wichtiges Fischereizentrum im Südostzipfel von Schweden. Wenn man durch den Hafen schlendert, wandelt man sozusagen von einer Quelle des Wohlstands zur anderen und irgendwie auch vom Gestern ins Heute: Fischereihafen und Gästehafen sind physisch voneinander getrennt. Längst hat die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus jener der Fischerei den Rang abgelaufen. Aber unser ausgedehnter Spaziergang durch den Ort hat uns in unserem Eindruck bestätigt, dass Simrishamn seinen Charakter bewahrt hat, und damit auch seinen Charme.

Die Ortsmitte wird von der Nicolaikirche dominiert. Der Backsteinbau stammt aus dem 12. Jahrhundert. Außen wie innen verströmt das Gotteshaus eine gewisse reformatorische Sachlichkeit. Die moderne Skulptur im Außenbereich sowie die Schiffs- und Seefahrtelemente innen lockern das Bild auf.

In unmittelbarer Nähe der Nicolaikirche verläuft die Storgatan, wo sich Restaurants und Läden aneinanderreihen.

Sehr viel ruhiger geht es in den malerischen Nebenstraßen zu. Hier trifft man auf herausgeputzte Häuschen aus dem 19. Jahrhundert, die ihren Ursprung als Fischerkaten kaum verhehlen können. Einige sind so klein, dass sie eher Spielzeug- denn echten Wohnhäusern gleichen.

Simrishamn darf sich übrigens auch einer Street-Art-Initiative der besonderen Art brüsten: Objekte der künstlerischen Begierde waren die hässlichen Elektrizitätskästen in der Stadt. Diese wurden bemalt und damit verschönert. Bei manchen Werken gewinnt man freilich den Eindruck, dass künstlerisches Talent bei der Aktion nicht unbedingt im Vordergrund stand ;-).

Ales Stenar – imposaner Gruß aus der Wikingerzeit

Nur etwa 20 Kilometer von Ystad in östlicher Richtung an der Küste entlang liegt Ales Stenar, eine Kult- und Pilgerstätte erster Güte. Hier schlägt das Wikinger-Herz der Schweden …
„Ales Steine“ sind die größte Steinsetzung (von Menschen aneinandergereihte Steine) in ganz Skandinavien. Die 59 riesigen (5 Tonnen schweren) Steinblöcke sind in der Form eines 67 Meter langen und 19 Meter breiten Schiffs arrangiert und liegen auf einer kleinen Landzunge nahe dem Fischerdorf Kåseberga. Man hat von dort einen fantastischen Blick auf die Küste und das Meer.

Die Steine wurden vor circa 1000 Jahren, also in der Wikingerzeit, hier aufgestellt. Aber damit hört es auch schon fast mit den gesicherten Erkenntnissen auf. Denn man weiß einfach nicht, welchem Zweck die Steinsetzung diente. Handelt es sich um eine Grabstätte, einen Kultort oder vielleicht um eine überdimensionale Sonnenuhr?

Auf jeden Fall macht der Besuch von Ales Stenar deutlich, dass dieser Ort wesentlicher Teil des kulturellen Erbes der Schweden ist. Und manche glauben, dass sie die Kraft der Steine spüren können, wenn sie die Steine innig umarmen …

Ystad – mittelalterliches Fachwerk und Krimi-Kulisse

Ystad, knapp 30.000 Einwohner, ist ein Kleinod in der Provinz Schonen. Kopfsteinpflaster, verschlungene Gassen und über 300 Fachwerkhäuser. Also ein touristisches Muss, wenn man hier in der Gegend unterwegs ist.

Wir hatten ein bisschen Sorge, dass das Küstenstädtchen inzwischen vollkommen im Bann des Wallander-Hypes steht – denn Henning Mankell, der Schöpfer des international bekannten, wortkargen Kommissars siedelt seine manchmal blutrünstigen, immer düsteren Krimis an seinem Heimatort an. Daher gibt es natürlich in Ystad Wallander-Führungen, Wallander-Karten, Wallander-Apps, Wallander-Diverses. Natürlich hat es einen gewissen Charme, genau in dem Café zu sitzen, in dem Wallander gelegentlich seinen Kaffee schlürft und zerknirscht ins Leere schaut.
Aber Ystad ist ein geschichtsträchtiger Ort, der sich über Jahrhunderte entwickelt hat, und der sollte nicht auf eine Fantasiefigur reduziert werden. Und als wir an diesem warmen Juli-Tag durch Ystads Gassen schlendern, spielt Mankells Wallander für uns auch keine Rolle. Wir lassen uns treiben, kaufen auf dem Marktplatz an einem Kaffeestand einen exzellenten Capuccino (mit Kreditkarte kein Problem), setzen uns auf eine Bank und lassen die Menschen an uns vorbeiziehen. Kaum jemand dabei, über den wir nicht irgendwelche, meistens wenig schmeichelnde, Vermutungen anstellen. Ein bisschen lästern kann so schön sein. Und dann machen wir uns auf, schauen uns in zufälliger Reihenfolge die historischen Gebäude und Plätze, die kleinen Läden und Hotels an. Plötzlich schiebt sich ein knallroter uralter Feuerwehrwagen an uns vorbei – in Ystadt werden diese Fahrzeuge eingesetzt, um Touristen durch die Straßen zu schaukeln. Eine nette Idee. Uns ziehen die Innenhöfe der alten Fachwerkbauten magisch an. Einige werden von Cafés und Restaurants genutzt, um ihre Gäste zu verköstigen, andere dienen privaten Zwecken.

Nachhaltig beeindruckend fanden wir den Klosterkomplex Gråbrödraklostret inklusive Obst- und Kräutergarten und Klosterteich. Die Gründung durch Franziskanermönche geht auf das Jahr 1267 zurück. Das Kloster hat über die Jahrhunderte unterschiedlichste Funktionen übernommen. Es diente u.a. als Hospiz, Gemeindekirche und Museum. Und es wird sicher noch eine Rolle spielen, wenn niemand mehr weiß, wer denn nun eigentlich dieser Krimiautor Mankell gewesen sein soll.

Wandern bei Snogeholm

Durch unsere Anreise und unseren Naturcampingplatz haben wir so richtig Lust bekommen, diese durch dichten Baumbestand, Wiesen und Seen geprägte Landschaft näher kennenzulernen. Außerdem ist es ziemlich heiß an diesem Julitag. Was liegt also näher, als sich mit leichtem Gepäck auf einem der zahlreichen Wanderwege in den Schatten der Bäume zu begeben? Die Wanderung führt uns in leichtem Auf und Ab am liebevoll-rustikal hergerichteten Besucherzentrum und einem schönen See – Badetemperatur! – vorbei. Ein erster Willkommensgruß aus dem Land der Elche.

Ameisenalarm!

Und als Sahnehäubchen gab‘s zum Schluss sogar noch „Kunst im Wald“.

Mit der Nachtfähre nach Trelleborg

Es gibt viele Verbindungen nach Schweden, auf dem Lande und auf dem Wasser. Wir haben uns für die Fähre entschieden, und zwar von Rostock nach Trelleborg. Das ist nicht gerade die kürzeste Verbindung. Man ist etwa siebeneinhalb Stunden unterwegs. Der große Vorteil ist, dass man eine Mütze regulären Schlaf bekommt – wenn man sich eine Kabine gönnt. Wir hatten die letzte Fähre um 23:00 Uhr gebucht, Ankunft um 6.30 Uhr am nächsten Morgen.

Mit einem Gespann in den Bauch eine Fähre zu fahren, kann sich durchaus als Herausforderung erweisen. Man sollte nicht zu zaghaft sein und sich auf die Einweiser an Bord verlassen können. Unser Einweiser war das, was man in Süddeutschland gerne einen „Halbdackel“ und gemeinhin als „Hohlbirne“ bezeichnet. Jedenfalls versuchte dieser Mensch, uns um die Kurve in eine Reihe zu lotsen, wo ein 10-Meter-Gespann nun einmal nicht mehr hineinpasste. Nach mehrfachem Vor und Zurück standen wir quer zu den Reihen, und der Einweiser machte sich davon.

Eigentlich keine gute Voraussetzung, um sich in Ruhe hinzulegen … Da braucht’s auf jeden Fall einen Schlummertrunk. Manchmal ist Bier eine Lösung.

Aber am nächsten Morgen schien die Sonne, ein fähiger Einweiser tauchte auf, mit ein paar Fingerzeigen und gutem Willen auf allen Seiten war das Knäuel zügig aufgelöst. Geht doch – Schweden, du kannst kommen!

Unsere Tour sollte von Trelleborg zunächst an der südöstlichen Küste entlang verlaufen. Wir hatten im Vorfeld versucht, einen Campingplatz direkt an der Küste zu finden, das erwies jedoch als kurzfristig schwierig. Alles ausgebucht … Hauptsaison … Aber schließlich hatten wir Glück. Ein Campingplatz ohne Reservierungssystem, etwas landeinwärts bei Sjöbo gelegen, schien eine gute Option. Einfach hinfahren und schauen, ob etwas geht. Der Campingplatz Snogeholm Fritid liegt idyllisch mitten in einem Wandergebiet, mit Blick auf Wald und einen ausgedienten Fußballplatz. Klein und einfach, auf das Wesentliche konzentriert. Die Anmeldung läuft komplett elektronisch. Man bucht online für 24 Stunden einen Platz und bekommt per E-Mail einen Code für den Sanitärbereich. That’s it.

Der Rasen hat nicht gerade Wembley-Qualität 😊

Die Anfahrt verlief durch Schwedens Kornkammer, im letzten Abschnitt durch eine traumhafte Landschaft.

Wir haben uns übrigens entschieden, kein Geld zu tauschen. Schweden gilt, wie die anderen skandinavischen Länder auch, bei Zahlungsmethoden als sehr fortschrittlich. In aller Regel kommt man mit einer Kreditkarte überall gut zurecht, auch beim Bäcker und am Marktstand. Schauen wir mal, ob unsere Spekulation aufgeht … Nach unseren Erfahrungen in Dänemark im letzten Jahr sind wir zuversichtlich.

Beim Tanken an Self-Service-Stationen gibt’s natürlich keine Probleme 😊.

Kapstadt (2) – unterwegs in Stadt und Region

Man kann die meisten Sehenswürdigkeiten in Kapstadt sehr gut zu Fuß erreichen.
Auf diese Weise bekommt man außerdem einen guten Eindruck von der Atmosphäre in dieser Metropole. Zumeist geht es gelassen zu in Kapstadt. Die Menschen wirken entspannt und sind freundlich und hilfsbereit. Es heißt, in Johannesburg werde das Geld verdient, in Kapstadt gelebt. Daher nimmt man es bei Verabredungen mit der Zeit wohl nicht ganz so genau.

Zu manchen Tageszeiten, beispielsweise morgens bis neun oder am Nachmittag ab 16.00 Uhr, geht der städtische Puls hoch. Außer den auch sonstwo üblichen Bussen sind dann viele Pick-ups und Kleinbusse unterwegs, die die Menschen zur Arbeit in die City oder die Außenbezirke fahren.

Es wird deutlich, dass das Auto im südlichen Zipfel des afrikanischen Kontinents eine wichtige (Status-)Rolle spielt. Die Südafrikaner, insbesondere die Kapstädter, gelten als „petrolheads“, also Autoverrückte. Es heißt, so mancher wäre bereit, mehr für sein Auto als für sein Haus auszugeben … Die Victoria Road in Camps Bay, unweit von unserer Unterkunft, gilt als Auto-Flaniermeile. Da schieben sich die Boliden am Freitagabend im Schritttempo an den Tischen der Cafés, Bars und Restaurants vorbei.

Durch die Edelkarossen britischer und deutscher Herkunft und andere Wohlstandssymbole wirkt die Armut, die sich selbst im vergleichsweise reichen Kapstadt nicht verstecken lässt, bisweilen um so krasser. Viele Menschen versuchen, mit einfachen Dienstleistungen über die Runden zu kommen. Beispielsweise beschäftigt man als Autofahrer beim Tanken nicht selten gleich mehrere Mitarbeiter – einer putzt die Scheiben, ein weiterer bedient den Zapfhahn. Und ein dritter kassiert. Ähnliches erlebt man im Supermarkt an der Kasse, wo der Einkauf in Tüten gepackt und dann zum Auto getragen wird.
Für uns Europäer ist das gleichermaßen ungewohnt wie verwirrend, weil wir darauf getrimmt sind, dass Personal teuer und deshalb auch rar ist. Nicht so in Südafrika. Ungelernte und Analphabeten gibt es viele, und sie versuchen mit ein paar Rand Trinkgeld hier und einem kleinen Aushilfsjob da irgendwie zu überleben. Ein weiteres allgegenwärtiges Beispiel sind die sogenannten Car Guards. Man trifft sie überall an, wo man Autos abstellen kann. Die Auto-Wächter, oft zu erkennen an einer grellen Sicherheitsweste, weisen Autofahrer auf freie Plätze ein und wachen darüber, dass das Gefährt bei der Rückkehr keinen Schaden nimmt. Die Guards haben in aller Regel keinerlei offiziellen Status. Ihre Tätigkeit nimmt bisweilen skurrile Züge an, wenn sie den Autofahrer mit ernster Miene und hektischen Handzeichen auf einen bestimmten Platz dirigieren, obwohl der gesamte Parkplatz leer ist. Für viele Südafrikaner scheinen die Car Guards eher Bettler in speziellem Gewand zu sein …

Der Kulturenmix in Kapstadt ist faszinierend – auch wenn man von Afrika-Kennern hört, dass Kapstadt so ziemlich die „unafrikanischste“ Stadt in Afrika sei. Die Vielfalt zeigt sich im Alltag, bei den Gastronomieangeboten, in Kunst und Kultur und bei der religiösen Orientierung. Capetown ist gleich zweifache Bischofsstadt (für die römisch-katholische und die anglikanische Fraktion), hat diverse weitere christliche Gruppierungen, man sieht Synagogen, Buddhisten- und Baha’i-Tempel. Die zweitgrößte Glaubensrichtung ist der Islam, der sich im Stadtbild u.a. mit dem ältesten Viertel von Kapstadt zeigt: Bo-Kaap. Das Moslem-Viertel ist nur wenige Gehminuten von der Waterfront entfernt und zieht mit seinen kleinen farbenprächtigen Häusern und kopfsteingepflasterten Straßen viele Besucher an. Und immer mehr Kapstädter, die vor allem hier wohnen wollen, weil es „cool“ ist.

Dass Bo-Kaap von den brutalen Umsiedlungsprogrammen im Zusammenhang mit den Apartheid-Gesetzen verschont blieb, ist darauf zurückzuführen, dass man hier seinerzeit zu viel Widerstand von den Einwohnern fürchtete. Die bis 1994 andauernde Apartheidspolitik sah getrennte Welten für die jeweiligen „Rassen“ vor. Stadtplanerisch bedeutete das für Kapstadt in erster Linie: Das Zentrum und die besten Wohnlagen außerhalb der Stadt wurden den Weißen zugeordnet. In diesem Zuge wurden die sogenannten „Coloureds“ aus zentrumsnahen Wohngebieten vertrieben und die schwarze Bevölkerung in den Außenbezirken angesiedelt. „Coloureds“ sind in der Apartheid-Ideologie eine eigene „rassische Kategorie“ von „Mischlingen“ mit europäischstämmigen Vorfahren. Sie nahmen eine Mittelposition zwischen den privilegierten Weißen und den entrechteten Schwarzen ein. Zu trauriger Berühmtheit in diesem Kontext gelangte das multikulturelle Viertel District Six, das in den 1960er-Jahren dem Erdboden gleichgemacht wurde, um Wohnraum für die Weißen zu schaffen. Das Viertel, in dem damals Händler, befreite Sklaven, Künstler, Arbeiter und Einwanderer lebten, wurde per Gesetz (Group Area Act) von der Regierung zu einem rein weißen Wohngebiet erklärt. In der Folge rückten die Bulldozer an und walzten alle Häuser nieder. 60.000 Menschen wurden gewaltsam umgesiedelt.
Wir haben ein kleines Museum, das diesen Vorgang auf eindrucksvolle Weise aus der Sicht der Betroffenen darstellt, besucht, das District Six Museum. Am Einzelschicksal versteht man eher, was menschenverachtende Politik anrichten kann.

Es wird sicher noch Generationen dauern, bis das Gift der Apartheid in Südafrika gänzlich seine Wirkung verloren hat. Man spürt selbst als „naiver“ Besucher, dass der Rassismus hier noch den Alltag prägt – obwohl sich bestimmt schon viel zum Positiven verändert hat, seit Nelson Mandela 1994 zum ersten schwarzen Präsidenten von Südafrika ernannt wurde.
In diesem Zusammenhang ist definitiv ein Township-Besuch sehr lehrreich. Zum Zeitpunkt unserer Reise waren organisierte Touren in diese Wohngegenden aber noch nicht gang und gäbe.

Kapstadt hat aus unserer Sicht für jeden Bedarf und für jede Stimmungslage etwas im Angebot. Wer gerne abseits von den großen Shopping Malls in Geschäften stöbert und originelle Klamotten, Schuhe, Dekor oder handwerkliche Kleinkunst sucht, wird sicherlich in der Kloof Street oder dem Greenmarket Square fündig. Außerdem ist stets irgendwo Markt!
Und wer alles in einem erleben möchte, begibt sich am besten in die Long Street. Sie ist (nach der Adderley Street) die zweitälteste Straße der Stadt. Die Long Street ist ein Kaleidoskop an coolen Bars, Cafés und Restaurants, trendigen Boutique-Hotels und Backpacker-Unterkünften, Buch- und Weinläden. In früheren Zeiten war die Gegend berüchtigt, heute ist sie hip. Man sieht wunderschön restaurierte Fassaden, schmiedeeiserne Balkongeländer und Gebäude aus unterschiedlichen Bauperioden.

Einer der vielen Reize Kapstadts ist neben der Stadt selbst seine Umgebung. Schon nach kurzer Autofahrt ist man entweder in der freien, rauen Natur der Kaphalbinsel, in den schönsten Weingegenden (um Stellenbosch) oder an einzigartigen Stränden, die sich wie Perlen an der Schnur an der Küste aneinanderreihen. Die Badefreude wird nur hin und wieder getrübt durch Hai-Warnungen. Aber viele Südafrikaner hindert sie keineswegs daran, beherzt in die Brandung einzutauchen. Da gönnt sich der Europäer dann doch eher ein Stück Käsekuchen im Strandcafé und wartet wie der Seehund auf die grüne Flagge 🙂 .

Kapstadt (1) – erste Eindrücke, Waterfront

Kapstadt bildete den Abschluss unserer dreiwöchigen Südafrika-Tour. Das Beste zum Schluss? Nein, so kann man das sicher nicht sagen. Denn die Eindrücke, die wir auf unserer Rundreise gesammelt haben, waren so vielfältig und bezogen sich auf so unterschiedliche Bereiche (Menschen, Regionen, Landschaften, Aktivitäten …), dass eine derartige Einordnung keine Aussagekraft hätte.
Gleichwohl hat die „Mother City“ oder „Tavern of the Seas“, wie Kapstadt auch genannt wird, einen besonderen Platz in der Liste der Städte, die wir bislang besucht haben. Cape Town, knapp eine halbe Million Einwohner (Großraum: 3,8 Millionen) braucht den Vergleich zu den schönen Metropolen dieser Welt nicht zu scheuen. Es hat ein Flair, das gleichzeitig Ruhe und Geschäftigkeit ausstrahlt. Eine Modernität, die von mehreren Kulturen (afrikanisch und europäisch) getrieben wird und gleichzeitig dynamisch und brüchig wirkt. Eine Offenheit und Freundlichkeit, die Besucher willkommen heißt. Eine Küche, die verschiedenste Geschmäcker verwöhnt – wobei Fleisch- und Fischesser klar im Vorteil sind.
Und man wird das Gefühl nicht los, dass diese Stadt (und auch dieses Land) noch einen langen und schwierigen Weg mit vielen Herausforderungen und Ungewissheiten vor sich hat.
Wir müssen in aller Deutlichkeit sagen, dass wir uns nur vier Tage in Kapstadt aufgehalten haben, und zwar hauptsächlich im Stadtbereich. Außerdem haben wir uns ausschließlich in Gegenden bewegt, in denen wir uns sicher fühlten. Dabei haben wir im Wesentlichen ein touristisches Programm absolviert. Also: Wir haben ausschließlich die angenehmen Seiten kennengelernt.
Und die beginnen mit unserer Unterkunft. Wir hatten eine Wohnung mit separatem Eingang im Entabeni Guest House, gelegen auf den Ausläufern des Tafelbergs, mit Blick auf die Camps Bay (Kapstadts Flaniermeile), geführt von einer älteren Lady mit britischem Hintergrund. Von dort war es nur eine 15-Minuten-Fahrt ins Stadtzentrum, oder den Strand, oder den Tafelberg …

Ein wirklich idealer Ausgangsort für unsere Erkundungstouren in die Stadt und die nähere Umgebung.

Beim Blick auf den Stadtplan stechen unmittelbar die holländische und die britische Kolonialgeschichte ins Auge. Da ist zum Beispiel die Hauptstraße namens Heerengracht (Gruß aus Amsterdam!), die direkt vom Hafen bis zum Fuß des Tafelbergs führt. Sie wird dort zur Adderley Street, dann zur Government Avenue. Heerengracht und Adderley Street bilden Kapstadts altes Geschäftszentrum mit vielen Läden, Verwaltungsgebäuden, Banken und der Hauptpost. Die Buitengracht verläuft parallel zur Adderley Street und trennt das Stadtzentrum (von den Einheimischen „City Bowl“ genannt) vom oberhalb gelegenen BoKaap (Malay Quarter) …

Zum Hintergrund „Holländer und Briten am Kap“ ein kurzer Abriss:
Der Holländer Jan van Riebeeck gilt als Gründer der Stadt. Er legte am 16. April 1652 mit drei Schiffen in der Kapbucht an. Die Schiffsbesatzungen bestanden zu 60 Prozent aus Holländern und zu 40 Prozent aus Deutschen. Im 18. Jahrhundert heirateten viele der am Kap lebenden Deutschen und Holländer entlassene Sklavinnen aus Indonesien oder Afrika. Anfang des 19. Jahrhunderts annektieren die Briten das Kap und legen 1827 fest, dass nur noch die englische Sprache vor Gericht gilt. Ab Mitte der 1830er-Jahre beginnt der Große Treck: Tausende von Buren, die mit der britischen Herrschaft unzufrieden sind, ziehen mit Ochsenwagen ins Landesinnere und gründen eigene Burenrepubliken. 1899-1902 unterstützt der deutsche Kaiser die „burischen Brüder“ mit Waffen und Logistik gegen die Briten. Nach anfänglichen Erfolgen geben die Buren auf. Denn die Briten verfrachten immer mehr Buren in Konzentrationslager (wo fast 40.000 von ihnen sterben) und brennen in großem Maßstab Burenfarmen nieder.

Die meisten Sehenswürdigkeiten von Kapstadt sind vergleichsweise zentral gelegen und gut zu Fuß zu erreichen. Man spürt allenthalben, dass die Stadtverantwortlichen Wert darauf legen, dass sich die Stadt hier von ihrer besten und gepflegtesten Seite präsentiert. Es wird außerdem viel gebaut und restauriert. Das gilt in besonderem Maße für die Waterfront, die ein echtes Schmuckstück ist. Hier lässt es sich nach Lust und Laune flanieren. Alt und Neu sind harmonisch ineinandergefügt, Geschichte mischt sich mit modernen Einrichtungen, Komfort, Kultur und Genuss. Die etwas trubelige Hafenatmosphäre wird ideal ergänzt durch den grandiosen Blick auf die majestätische Kulisse des Tafelbergs. Die Waterfront gilt als das beste Einkaufs-, Vergnügungs- und Touristenviertel der Stadt. Uns hat sie ebenso in ihren Bann geschlagen wie wahrscheinlich die meisten anderen Besucher.

Das Herzstück der Hafenanlage ist der Clock Tower, 1882 im viktorianisch-neogotischen Stil erbaut, Ende des 20. Jahrhunderts restauriert. Der Glockenturm gilt als Wahrzeichen der alten Docks und war ursprünglich das Büro des Hafenkapitäns. Im zweiten Stock befindet sich ein Spiegelraum, der dem Hafenkapitän erlaubte, alle Aktivitäten im Hafen zu überblicken.

Ein wesentlicher Faktor für die städtebauliche und tourismuswirtschaftliche Entwicklung Kapstadts war die Fußball-Weltmeisterschaft 2010, die erste WM auf afrikanischem Boden. Sie hat mit ihren Veränderungen der städtischen Infrastruktur bewirkt, dass Kapstadt zu einem der Toppziele für internationale Städtereisen wurde. Ganz abgesehen davon, dass der Fan Walk, der die Stadt mit der Waterfront verbindet, die Kapstädter lehrte, dass man sich in der City auch ganz gut zu Fuß bewegen kann. Verkehrsberuhigung ist hier ein großes Thema. Nach dem Greenmarket Square, der Adderley und Long Street werden immer mehr Straßenzüge und Gegenden zu Fußgängerzonen.