Göteborg – Schwedens Tor zur Welt

Nachdem wir zwei volle Tage die Schären erkundet haben, ist uns jetzt mal wieder nach einer größeren Stadt zumute. Da kommt uns die zweitgrößte Stadt Schwedens mit ihren 500.000 Einwohnern gerade recht. Außerdem ist die Wetterprognose schlecht, und mieses Wetter lässt sich im Allgemeinen in einer Stadt besser ertragen. Bei unser Anfahrt regnet es dann auch wie aus Kübeln, und die weitläufigen Industrieanlagen, die wir schon viele Kilometer vor dem Zentrum sehen, wirken noch weniger einladend. Göteborg ist der wichtigste Hafen Schwedens, die Hafenanlagen ziehen sich über eine Gesamtstrecke von 20 Kilometern. Ein solcher Umschlagplatz bestimmt den Charakter einer Stadt. Und dann ist da noch diese nervige City-Maut, die auf den großen Einfallsstraßen fällig wird. Man liest im Netz, dass Ausländer schon einen Zahlungsbescheid über Beträge in Höhe von einem Euro zugestellt bekommen haben sollen. Das Nummernschild wird an den Mautstellen per Kamera erfasst und auf dieser Basis der Halter des Fahrzeugs ermittelt. Die Rechnung kommt per Post. Das warten wir mal einfach ab … Was sonst noch gleich auffällt: Überall im Zentrum wird gebaut, also Baukräne, Absperrungen, Umleitungen . Das Auto-Navi dreht hohl: „Neuberechnung der Route“. Wir halten fest: In Göteborg wird geklotzt, nicht gekleckert. Wann das wohl alles fertig ist??

Hm, da gibt sich Göteborg also anfangs nicht gerade Mühe, unseren ersten Besuch angenehm zu gestalten. Erstes Highlight dann aber: Das Parkhaus ist sonntags kostenfrei zu nutzen. Und – viel wichtiger – auch Petrus hat ein Einsehen. Kaum haben wir uns mit Regenjacken und Schirm ins Freie begeben, hört es auf zu regnen und nach und nach schiebt die Sonne die Wolken weg.

Geht doch.

Unser Parkhaus ist Teil des riesigen Shoppingkomplexes Nordstan, wo man alles geboten bekommt, was das Shopperherz höherschlagen lässt. Für manche Zeitgenossen ist Shopping ja ein Hobby, dem man in Schweden auch sonntags frönen kann. Aber wir fühlen uns hier etwas überfordert. Also rasch raus an die Luft. Man kann übrigens die meisten Sehenswürdigkeiten in Göteborg zu Fuß abdecken, weil sie sich innerhalb des alten Festungsrings und in den angrenzenden Vierteln befinden. Sehr viele Repräsentationsbauten liegen am Ufer des Hamnkanalen („Hafenkanals“).

Ostindiska Huset und Stadsmusem
Blick aus dem Eingangsbereich des Stadsmuseums in den Innenhof

Ganz in der Nähe liegt der Gustav Adolfs Torg, ein weitläufiger Platz mit der Statue des bekannten Schwedenkönigs, darum herum das Stadshus (1759), das Rådshus (1669) und die Börse (1845). Wir schlendern über den Platz und lesen uns zu Füßen von Gustav Adolf fest bei den Porträts von Göteborger Bürgerinnen und Bürgern. Ein interessantes Projekt, bei dem die Menschen schildern, wie sie ihre Stadt sehen. Was der Regent wohl davon gehalten hätte, die Bürger nach ihrer Meinung zu fragen …

Von hier sind es nur wenige Schritte über die Post- oder Kronhusgatan zum Kronhuset von 1654, dem ältesten Profanbau Göteborgs, der über die Jahrhunderte unterschiedlichen Zwecken diente, u.a. als Sitz des Reichstags.

Beim Verlassen des kopfsteingepflasterten Innenhofs machen wir bei ein paar Kunstwerken Halt, die sich dem Thema „Hoffnungen und Realitätserfahrungen schwedischer Emigranten“ widmen.

Weiter geht’s zum Stenpiren Reisezentrum, einem über Jahre gebauten und 2016 fertiggestellten Verkehrsknotenpunkt direkt am Wasser. Von hier legen verschiedene Fährlinien ab, von hier fahren Busse und Straßenbahnen ab. An windstillen und sonnigen Tagen sind alle Sitz- und Liegeplätze voll belegt.

Unsere nächste Station ist die Fischhalle Feskekörkan, die von außen wie eine Kirche aussieht und innen eine riesige Auswahl an Meeresgetier bietet.

Auf dem Weg dorthin haben wir abermals ein paar Kunst-Begegnungen, diesmal in Form von Street Art. Wir halten schon mal fest: Göteborg setzte nicht nur auf Kommerz, sondern auch auf die Künste!

Das zeigt sich auch bei den „klassischen“ Bauten wie Theatern und Opernhaus, Konzerthäusern und Kunstmuseen, von denen sich gleich mehrere um den Götaplatsen gruppieren, am Ende des Prachtboulevards Kungsportavenyn, der gesäumt ist von stattlichen Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert.

Götaplatsen mit Poseidon-Statue

Kommen wir zu unseren Highlights:

1. Haga: Haga wurde vor etwa 350 Jahren als Göteborgs erste Vorstadt und Arbeiterviertel angelegt. Heute reihen sich hier kleine Geschäfte, Boutiquen und Cafés aneinander. Es gibt viel zu stöbern und zu schauen: Antiquitäten, Kinderspielzeug, Bücher, Geschenke, Schmuck, Einrichtungsgegenstände, Modegeschäfte, Second-Hand-Artikel. Und es ist herrlich, sich bei einem Kaffee und einem Kanelbullar (Hefegebäck mit Zimt, hierzulande sehr beliebt) über die flanierenden Menschen zu unterhalten.

PS: Handgefertigte Lederwaren werden bei Haga Trätoffelfabrik angeboten. Und Eva ist sich fast sicher, dass sie genau hier vor einigen Jahrzehnten ein Paar maßgeschneiderte Clogs erworben hat, die sie viele Jahre getragen hat.

2. Trädgårdsföreningens Park: Die Anlage entstand 1842 und steht unter Denkmalschutz. Neben den Grünanlagen gibt es ein Rosarium (mit manchen lustigen Rosennamen), Cafés, Gewächshäuser und ein Palmenhaus, das dem Crystal Palace in London nachempfunden ist. Es ist einfach durch und durch angenehm, hier im Grün zu wandeln 😊.

Fazit: Mit den Städten ist es zuweilen wie mit den Menschen. Man muss ihnen auch nach einer unterkühlten Erstbegegnung eine zweite Chance geben 😉.

(2) Bohuslän – Wunderwelt der Schären: Lysekil und Mollösund

Ein weiteres Ziel bei unserer Schären-Erkundungsfahrt ist Lysekil , das an der äußersten Spitze einer Landzunge nördlich von Orust liegt. Das geht normalerweise nicht auf geradem Weg, denn hier ist die Küste bis weit ins Hinterland durch die Fjordarme des Gullmarn aufgefächert. Durch seine besondere Lage wurde Lysekil schon vor Jahrhunderten zu einem Zentrum der Fischerei von Bohuslän. Inzwischen spielen darüberhinaus ein Containerterminal und eine Ölraffinerie eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Da verwundert es auf den ersten Blick, dass Lysekil vor diesem Hintergrund auch gerne von Touristen aufgesucht wird. Bei unserem Besuch haben wir den Eindruck gewonnen, dass sich diese Wirtschaftsstandbeine wohl recht gut in Einklang bringen lassen, wenn die erforderliche räumliche Trennung eingehalten wird.

Der Ortsteil Havsbadet mit dem Yachthafen und der Badhusgatan steht ganz im Zeichen der zweiten Hälfte dss 19. Jahrhunderts, als bei betuchten Skandinaviern der Badetourismus in Mode kam. Man ging hier kuren, nahm im Warm- und Kaltbadehaus Meerwasseranwendungen, spazierte an der Strandpromenade entlang, hörte Konzerte. Einige Gebäude aus dieser Zeit sind noch erhalten, selbst das Bad ist noch da. Und da war es natürlich besonders spannend für uns, mal über den Zaun zu schauen. Wer sich da wohl im Wasser tummelt? Nicht ganz einfach, aber lösbar, wenngleich kleine Leute beim Versuch, über den Zaun zu schauen, etwas im Nachteil sind 😉. Wir sind schließlich auf einen Aussichtspunkt auf einem Granitfelsen gleich nebenan geklettert und hatten den Panoramablick auf das Geschehen im Bad. Das wäre im 19. Jahrhundert natürlich streng untersagt gewesen!

Man sieht schon von Weitem, dass man von der Kirche aus den besten Rundumblick hat. Das Gebäude wirkt von außen nicht besonders interessant, aber drinnen nimmt man unmittelbar eine angenehme Atmosphäre wahr. Und eine Kirche mit einem Café (wo man sich sogar kostenlos bedienen konnte), hat sicherlich Seltenheitswert. Eine gute und nachahmenswerte Idee!

Lysekil hat außer einem modernen Meeresaquarium noch ein Naherholungsgebiet an der Westspitze der Halbinsel zu bieten. Ein Teilbereich war früher einmal ein Steinbruch. Hier sind Gesteinsformationen in besonders leuchtenden Farben zu bestaunen. Wir begnügen uns jedoch mit ein paar weiteren Eindrücken auf einem ausgedehnten Spaziergang durch den Ortskern.

Und für den Rückweg nehmen wir die Fähre, statt den tiefen Fjord mit dem Auto auszufahren.

Ein weiterer Abstecher führt uns tief in den Südosten von Orust, nach Mollösund. Der kleine Fischerort hat uns sofort mit seinen Charme eingefangen. Unser erster Spaziergang geht gleich eine Klippe hinauf zu einem Aussichtspunkt, wo eine sorgenvoll in die Ferne blickende Fischersfrau als Holzstatue daran erinnert, wie gefährlich in früheren Zeiten das Fischerleben war. Denn so manchen Ehemann, Sohn oder Bruder holte der Blanke Hans und stürzte die Zurückgeblieben in Kummer und finanzielle Not. Beim Dorschfang stießen die Fischer von Mollösund bis ins Eismeer vor und waren bei ihren Ausfahrten manchmal über ein halbes Jahr auf See.

Wir genießen den Ausblick und folgen ein Stück einem markierten Weg, um dann etwas halsbrecherisch die Felsen hinunterzuklettern. Dort gelangen wir zu einem der für die Region typischen Meeresschwimmbäder.

Das eigentliche Zentrum von Mollösund ist der kleine Yachthafen – protzige Boote sieht man hier eher selten. Für uns ein schöner Platz zum Frühstücken.

Im Yachthafen von Mollösund ist an alles gedacht, auch leere Handyakkus.

Eine weitere Attraktion von Mollösund ist der Leuchtturm an der Hafenausfahrt. Ein wunderbares Plätzchen, um die Schönheit der schwedischen Schären zu bewundern.

Damit noch lange nicht genug. Mollösund hat auch eine pittoreske Mühle.

Ach ja. Dann wären da noch unglaublich einladende Häuschen, die man zum Teil auch mieten kann. Und wir überlegen, ob wir das nicht möglichst bald mal tun sollten. Vielleicht einmal ein paar Wochen in der Vor- oder Nachsaison? Die Netzbedingungen sind sehr gut …

Sundsby Säteri – zwischen Orust und Tjörn

Und dann ist da noch mitten in der Schären-Wunderwelt Sundsby Säterie, wo nun fast gar nichts an die blank geschliffenen Graniteilande erinnert. Das ist ein aus mehreren Gebäuden bestehender Herrenhaus-Komplex mit riesigem Park inmitten eines Nsturreservats wo man kleinere und größere Wanderungen unternehmen, kann oder nur durch den Garten wandeln und wunderbar Kaffeepause – hierzulande „Fika“ genannt und eine elementar wichtige kulturelle Institution – machen kann. Das Ganze wirkt wie ein „Manor“ und verströmt einen gewissen englischen Charme.

Sundsby Säterie geht auf Margareta Huitfeld zurück, die als eine der mächtigsten Frauen von Bohuslän gilt. Sie lebte im 17. Jahrhundert in diesem Herrenhaus und verlor durch einen tragischen Schicksalsschlag sowohl ihren Mann wie auch ihre Kinder. Sie blieb allein zurück und schaffte es mit unglaublicher Energie und Willenskraft, im Laufe ihres Lebens über 600 Bauernhäuser in ihren Besitz zu bringen und damit die Grundlage für Santsby Säterie zu bilden.

Also kein HERRENhaus, auf jeden Fall ein DAMENhaus.

(1) Bohuslän – Wunderwelt der Schären: Smögen und Kungshamn

Wir sind etwa 60 Kilometer nördlich von Göteborg, an der rauen Küste Bohusläns. Die beiden größten Inseln in dieser Gegend, Tjörn und Orust (wo wir auf dem Campingplatz sind), beide 15.000 Einwohner, sind miteinander verbunden. Wer in dieser Gegend von A nach B kommen will, braucht nicht nur Straßen, sondern vor allem Brücken und Fähren. Eine Autofahrt über 50 Kilometer dauert dann gerne mal über eine Stunde. Es gibt Abschnitte, wo man schneller als 80 Km/h fahren kann. Ein Blick auf einen Kartenausschnitt mag verdeutlichen, wie kleingliedrig das Gewirr aus Inseln, Buchten und Landzungen in dieser Region ist:

Viele Fähren sind kostenlos und fahren in relativ enger Taktung.

Auf der Fähre ist übrigens immer Wind, und deshalb lässt sich Eva dort nicht gerne fotografieren – weil der Wind die Haare immer so durcheinanderwirbelt. Mit etwas Heimtücke gelingt das aber doch😉.

In dieser Gegend reihen sich die pittoresken Fischerdörfer nur so aneinander, Postkartenfoto-Motive en masse. Kein Wunder, dass Bohuslän eine der beliebtesten Ferienregionen Schwedens ist. Dabei ist nicht immer nachvollziehbar, warum sich die touristische Aufmerksamkeit auf bestimmte Orte fokussiert, während andere eher unbeachtet bleiben. Und das bedeutet natürlich ins Positive gewendet, dass Bohuslän sehr viele Perlen zu bieten hat, die nicht überlaufen sind.

Wir nehmen uns mehrere Tage Zeit und fahren ein paar Ziele an, die sich in Evas Erinnerung verhakt haben. Sie war vor Jahrzehnten mehrere Male in der Gegend, um einen Freund zu besuchen.

Den Großteil des ersten Aufenthaltstages verbringen wir in Smögen, einem der meistbesuchten Hafenorte an der schwedischen Westküste. Daher sind wir darauf vorbereitet, dass Heerscharen von Touristen nach Smögen strömen, zumal Anfang August in Schweden noch Sommerferien sind. Aber alles halb so schlimm! Selbst die Parkplatzsuche ist unproblematisch. Wir stellen unser Auto direkt an der Brücke nach Smögen ab. Diese ist bereits die erste Attraktion des Fischerörtchens. Nicht das Bauwerk selbst ist phänomenal, sondern vor allem der Blick von hier auf Smögen, das angrenzende Kungshamn, das Meer und die vielen Felsbuckel darin, große wie kleine.

Blick auf die Brücke von Smögen vom Hafen von Kungshamn

Wir halten uns hinter der Brücke zunächst einmal links und stellen gleich fest: Hier wird ja noch richtig solide Fischerei betrieben. Wir fühlen uns an die Krabbenfischerei in Greetsiel erinnert, und damit liegen wir richtig: Smögen ist eine Hochburg des schwedischen Krabbenfangs, aber auch des Fischfangs allgemein. In Smögen findet die zweitgrößte Fischauktion Schwedens statt, leider nur online.

Der Eindruck verfestigt sich im Laufe des Nachmittags: Der Fischfang ist hier nicht nur eine touristische Staffage, sondern noch ein lebendiger Geschäftszweig. Auch wenn einige der Fischerhäuschen inzwischen als Gästeunterkünfte dienen.

Nur am Smögenbryggan, dem Boardwalk des Ortes, wird ein touristisches Feuerwerk gezündet. Hier reihen sich kleine Lokale, Läden und Stände, im Gästehafenbereich legt mit dem Boot an, wer sehen und gesehen werden will, räkelt sich lässig an Deck in der Sonne, ein kühles Getränk in der Hand.

Aber ein paar hundert Meter weiter ist schon wieder Schluss mit dem Basar, da sind nur noch die hiesigen kleineren Boote erlaubt und die Häuschen dienen wieder nur ihrem vormaligen Zweck. Und wer Smögen in der Instagram-Welt sucht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit solche Fotos finden:

Natürlich gibt’s in Smögen auch ein paar Häuser, die nicht in diesem typischen Fallunrot gehalten sind!

Und einen tollen Bäcker haben wir auch gefunden.

Gleich gegenüber, jenseits der Brücke, liegt das bedeutend unaufgeregter Kungshamn, wo es außer Geschäften und Lokalen eine hübsche Uferpromenade gibt.

Und auch in Kungshamn wird in nennenswerter Weise Fischfang betrieben.

Schluchtwanderung Skurugata und Wasserfall Stalpet

Von Eksjö aus lohnt sich ein 25-Kilometer-Abstecher in nördlicher Richtung zur eiszeitlichen Schlucht von Skurugata. Auf einer Rundwanderung geht man zunächst durch die 60 Meter tiefe und 800 Meter lange urwüchsige Schlucht und steigt dann auf zur etwa 320 Meter hohen Aussichtskuppe, von der aus man einen schönen Blick auf die gesamte Umgebung hat. Festes Schuhwerk ist empfohlen, weil man stellenweise kraxeln muss – und die Baumwurzeln und Felsen sind sicherlich bei entsprechender Feuchtigkeit mit Vorsicht zu genießen. Aber wir haben einen schönen Sommertag erwischt und haben die Tour über Stock und Stein, vorbei an senkrechten Felswänden, durchweg genossen. Außerdem: Die Skurugata-Schlucht ist die tiefste/längste in Südschweden.

Was macht man mit so einem angefangenen Sommertag? Man sucht nach dem nächsten Superlativ. Ganz in der Nähe gibt’s nämlich die höchsten Wasserfälle von Südschweden. Die nehmen wir doch gleich mit, haben wir uns gedacht. Aber der Wasserfall Stalpet, direkt an der Straße 32 gelegen, ist mit 20 Metern (!) Fallhöhe eher ein Wasserfällchen. Da hatte der Kuchen in dem idyllischen Café oben am Felsrand eine nachhaltigere Wirkung auf uns 😉.

Eksjö – ein echtes Kleinod

Nachdem wir etwa anderthalb Wochen die Südostküste von Schweden erkundet haben, wird es nun allmählich Zeit für einen Schwenk nach Westen: von Västervik über Jönkoping in das Schären-Gebiet nördlich von Göteborg an der Westküste.

Etwa auf halbem Weg zwischen Västervik und ihren Jönkoping liegt Eksjö. Ein Städtchen, dass uns eine Lehrerin aus Dortmund, die wir auf einem Campingplatz getroffen haben, sehr ans Herz gelegt hatte. Wir sind ihrem Rat gefolgt, und das war ein voller Erfolg!

Vorab bitten wir schon mal um Nachsicht, dass nun schon wieder diese heimeligen Holzhäuschen, die schon öfter Erwähnung im Blog fanden, eine Rolle spielen. Aber „Eichensee“, so die direkte Übersetzung des Ortsnamens, spielt in dieser Hinsicht quasi in der Champions League, und wer von historischem Holzhausbau in Schweden redet, kommt an Ekskö nicht vorbei. Die Gamla Stan von Eksjö weist die vollständigsten Holzbebauungen von Schweden auf. Als das Nordland nach dem Zweiten Weltkrieg in die neue Zeit durchstarten wollte, wurden viele Holzhäuser abgerissen und durch moderne Bauten ersetzt. Und eben dies geschah in Eksjö nicht. Die bauliche Zurückhaltung der Stadtväter erwies sich langfristig als goldrichtig. Denn die weißen, roten und pastellfarbenen Holzhäuschen mit ihren niedrigen Toren und teils verschlungenen Höfen, viele früher einmal Handwerksbetriebe, sind heute ein Touristenmagnet. Besonders auffällig in diesem Ensemble ist das Anwesen von Aschanska Gården, Wohnung und Arbeitsstätte einer reichen Gerberfamilie. Wie dieses liegt das besuchenswerte Eksjö Museum (Eksjö sieht auf 600 Jahre Geschichte zurück) am Ufer des idyllischen Flusses Eksjöån. Der liebevoll hergerichtete Kräuter- und Blumengarten direkt davor lädt zum Verweilen ein. Im Wesentlichen geht man drei Straßenzüge hinauf und hinunter. Die kleinen Läden sind gut eingefügt und haben Angebote für unterschiedlichste Geschmäcker. Und der Konditor ist ein Hit!

Eksjö kann jedoch architektonisch auch anders, wie sich am Stora torget zeigt. Der zentrale Platz der Innenstadt wird durch die neoklassizistischen Bauten des Stadshotell und der Stadtkirche dominiert.

Ins positive Bild passte für uns auch der exzellente Campingplatz von Eksjö, der wunderschön an einem See liegt und von dem man in zehn Minuten das Zentrum erreicht.

Ganz zufällig sind wir auch auf eine Eidiele gestoßen, die sehr leckeres Eis im Angebot hat. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Eisessen nach unserer Beobachtung so eine Art schwedischer Volkssport ist. Wenn der mal olympisch wird, werden die Schweden auf Jahre hin die Medaillenränge für sich beanspruchen.

Insgesamt: volle Punktzahl für Eksjö 👍!

Ausflug in die Schären vor Västervik

Bei „Småland“ denken wir vor allem an Astrid Lindgren, Glasbläser, Seen und Wald. Aber Småland hat auch eine Küste mit einem riesigen Schärengarten. Västerviks Touristikbüro behauptet sogar, die Schären vor Västervik seien die schönsten in ganz Schweden. Wir wissen nicht, ob sich das statistisch belegen lässt, und Schönheit ist bekanntermaßen subjektiv. Aber circa 5.000 Inseln und Inselchen auf 70 Kilometer Küste sind ein Wort. Das wollten wir uns mal näher anschauen. Natürlich nicht gleich alle 5.000. Die bekanntesten, autofreien und nach etwa einer Stunde Fahrt mit dem Schiff erreichbaren vor der Küste Västerviks sind Hasselö und Idö. Wir haben uns für Hasselö entschieden und folgenden Trick angewendet: Statt einer vergleichsweise teuren Tour mit einem Touristenboot haben wir eine normale Fährfahrt nach Hasselö gebucht. Die Fähre legt nämlich auch an verschiedenen Stellen an und man sieht genauso viel. Wir hatten zudem noch das Glück, dass nur ein paar Leute an Bord waren und wir uns die besten Plätze aussuchen konnten. Wir legten um drei am Nachmittag ab, waren eine Stunde unterwegs und schipperten mit der letzten Fähre um sechs wieder zurück. Auf Hasselö haben wir eine Wanderung gemacht.

Västervik – Tor zum Schärengarten

Västervik, etwa 30 Kilometer nördlich von Öland, gilt als Zentrum der sogenannten „Blauen Küste“. Und ist die Geburtsstadt von Stefan Edberg, den nur noch die etwas älteren Semester als grandiosen Tennisspieler kennengelernt haben …

Die 22.000-Einwohner-Stadt gilt als im Sommer besonders trubelig, wir fanden sie aber eher ruhig. Was vielleicht auch einfach typisch schwedisch ist. Das fällt uns hier immer wieder auf: die Abwesenheit von Hektik, Lärm, Aufgeregtheit, lauten Stimmen, dröhnender Musik. Als wäre jeden Tag hoher Feiertag. Auch auf dem Campingplatz. Da ist offenbar ab 21.00 Uhr Schlafenszeit. Und beim Essen draußen reden die Leute schon miteinander, aber das Ganze findet geruhsam und ohne weitere Hintergrundgeräusche statt. Bei der persönlichen Begegnung zum Waschhäuschen muss man sich den Leuten quasi in den Weg stellen, mit den Augen fixieren und freundlich „hej“ rufen, dann gibt’s ein „Hej“ zurück, manchmal auch ein fast überschwängliches Hejhej. Geht doch 😊. Klar ist: Die Schweden drängen sich nicht auf. Und mögen es wahrscheinlich nicht, wenn andere das tun.

Aber nun zu Västervik! Das Zentrum liegt rund um den Fiskehamn, den Fischhafen bzw. -markt. Die vorgelagerten Inseln Strömsholmen und Slottsholmen machen aus der Meeresbucht fast einen Binnensee. Hier die Klappbrücke, die die Minimeerenge überspannt, der Fiskehamn und der Blick aufs Zentrum bei einem Spaziergang am Ufer entlang:

Das Hotel gehört übrigens Björn Ulvaeus von ABBA, der mit sechs Jahren nach Västervik zog und dort aufwuchs.

Wir sind ja meistens erfreut, wenn wir plötzlich und unerwartet auf Jugendstilbauten stoßen. Wir sind auch in Västervik fündig geworden, und zwar bei einer Apotheke und einem Badehaus aus dem Jahr 1910.

Aus dieser Periode stammt auch das beeindruckende alte Kaufhaus Enanderska Fastigheden, gegenüber dem Rathaus von 1792.

Und gleich hier am Platz haben wir einen richtig guten Bäcker ausfindig gemacht und ein leckeres Brot gekauft.

Der älteste Ortsteil von Västervik ist Gamla Norr. Da macht das Schlendern und Schauen Spaß. Wieder diese schönen Holzhäuser mit den tollen Fassaden. Sogar ein kleines Café haben wir entdeckt, schade nur, dass wir bereits gefrühstückt hatten.

In Laufweite befindet sich eine sehenswerte Kirche mit viel Atmosphäre, die St. Gertruds Kyrka.

Ganz zum Schluss hat uns Västervik sogar noch eine Street-Art-Fassade gezeigt.

Radtour Oknö – Timmernabben – Pataholm

Heute haben wir uns auf eine Radtour begeben, ohne vorher die Strecke recherchiert zu haben. Wir wussten, dass Timmernabben und Pataholm interessante Ziele sind, aber welche Strecke man da am besten mit dem Rad fährt … Und immer an der Hauptstraße entlang macht das Radfahren ja nicht wirklich Spaß. Die 50-km-Tour wurde zum echten Highlight – Wikiloc sei Dank. Mit der App kann man sich getrost auf abwegige Nebenstrecken und in den Wald begeben – so lange man eine Internetverbindung hat, kommt man gut zurecht 😉.

Unsere erste Zwischenstation war eine Klosterruine in Kronabäck unweit von Mönsterås. Die Gründung geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Die Ruine wurde mit EU-Mitteln als Stätte wichtigen kulturellen Erbes hergerichtet. Uns hat besonders die Massivität der Außenwände beeindruckt.

Und eine ähnliche Mauerstärke begegnete uns wenig später wieder bei Strömsum. Wir radelten zunächst ein paar Kilometer durch den Wald und gerieten dann auf eine wunderschöne Eichenallee mit bemoosten Felssteinmauern, deren Dicke wir uns nur so erklären können: Wahrscheinlich hat man im Abstand von etwa einem Meter zwei dünnere Mauern errichtet und dann den entstandenen Hohlraum mit Steinen gefüllt, die man bei der Feldarbeit zusammengetragen hat.

Timmernabben ist ein beschaulicher Küstenort mit einem langen Badestrand, einem Campingplatz, einem beliebten Fischräucherei mit Restaurant, einem Strandcafé und einer Töpferwerkstatt mit einer Mühle. Über die Bucht blickt man auf die Halbinsel Lövö.

Sehr gut gefallen hat uns Pataholm, ein winziges Örtchen. Um den kopfsteingepflasterten Markt herum liegen nur ein paar herausgeputzte Häuschen, und das Sommercafé Hullgrenska Gården ist ein echter Hit. Man hat das Gefühl, bei Uroma im Wohnzimmer Kaffee zu trinken und selbstgebackenen Kuchen zu essen. Zum Café gehört ein großer Garten mit Baumbestand. In früheren Zeiten kam man zum Kuren hierher.

Hier spreizt man das Fingerchen beim Kaffeetrinken selbstverständlich ab!

Wanderung Oknö

Unser Campingplatz in Ökno liegt direkt am Wasser, etwa auf Höhe des oberen Viertels der beliebten Ferieninsel Öland. Wir haben einen mir roten Markierungen gekennzeichneten Pfad fast direkt an der Wasserlinie entdeckt und machen uns auf den Weg. Die Wetterprognose ist durchwachsen, deshalb packen wir unser Regenzeug ein. Und einen Imbiss, denn wir haben gelernt, dass es in Schweden auch in Feriengebieten nicht so viele Einkehrmöglichkeiten gibt.

Wir haben übrigens inzwischen das variantenreiche Knäckebrot für uns entdeckt, nachdem wir auf der Suche nach herzhaftem Brot in Supermärkten eigentlich ein ums andere Mal enttäuscht wurden. Richtige Bäckereien findet man kaum hier, Backwaren sind in der Regel Fabrikerzeugnisse. Brot wird in Schweden überdies grundsätzlich eher süß ausgebacken, wie wir selbst festgestellt haben und durch Recherchen bestätigt sehen. Aber man muss sicher berücksichtigen, dass wir nun einmal aus einem Land mit hervorragender Back- und Bäckertradition kommen. Außerdem ist ja eine Erkenntnis des Reisens, die Heimat in manchen Aspekten wieder mehr schätzen zu lernen. Wir setzen in Schweden also in den nächsten Wochen mehr auf Knäcke und freuen uns auf unseren Bäcker Glock in unserem Heimatort Erdmannhausen😉.

Unsere Wanderung ist sehr abwechslungsreich. Zeitweilig sind wir nur von Mischwald (vor allem Kiefern, Birken und erfreulich viele Eichen) umgeben, dann gelangen wir an kleine Buchten, zum Teil mit Stegen versehen, danach laufen wir durch bunte Wiesen. Der Blick aufs Meer ist kaum mal ganz frei. Überall erblickt man Inseln, andere Landzungen, in den Buchten viel Schilf. Wir bewegen sich uns parallel zur wenig befahrenen Straße, die sich über die Landzunge zieht und stoßen immer wieder auf Häuser unterschiedlicher Größe und Ausstattung. Wir können nicht so ganz ausmachen, ob es sich überwiegend um Ferienhäuser handelt. Wenn das der Fall ist, dürfte es in dieser Gegend außerhalb der Saison ziemlich trist sein.

Und zum Thema „Regen“ bleibt zu sagen: Wenn man auf ihn eingestellt ist und die richtige Kleidung dabei hat, ist er halb so schlimm!