Játiva/Xátiva – über allem thront die Burg

Játiva (valencianisch Xátiva) liegt etwa 60 km südlich von Valencia und zählt historisch und kulturell zu den wichtigsten Städten der Region. Hier wurde beispielsweise Mitte des 12. Jahrhunderts das erste Papier auf europäischem Boden hergestellt, noch zur Zeit der Mauren, die etwa 100 Jahre später vertrieben wurden. Schon von weither sieht man oben auf dem Bergrücken die Burg Castillo de Játiva. Sie ist sehr gut erhalten und weist Überreste aus allen wichtigen Epochen der spanischen Geschichte auf.
Wir haben uns zunächst die Stadt (30.000 Einwohner) angeschaut, insbesondere die arabisch anmutende Altstadt hat einige imposante Gebäude zu bieten.

Übrigens stammt das Geschlecht der Borja, aus dem zwei Päpste hervorgegangen sind, aus Játiva (und nicht aus Italien).

Valencia (2) – auch bei Street Art ganz vorne

Wir schauen stets genauer hin, wenn wir in einer Stadt Street Art entdecken. Valencia liegt im Vergleich zu den Städten, wo wir diese urbane Kunstform bisher gesehen haben, ganz vorne. Sie konzentriert sich hier im Wesentlichen auf das älteste Viertel der Stadt, El Carmen. Um dieses „Barrio“ erhob sich sich früher die Stadtmauer. In El Carmen gibt’s viel Patina und viel Verfall, und in diesem Umfeld gedeiht offensichtlich Street Art mit ihrer bunten Vielfalt besonders gut. Es wird einfach alles bemalt – ganze Hauswände, Garagentore und Türen, zugemauerte Eingänge, Rohre, Transformationshäuschen, Rolladen (bei den Geschäften oft passend zum Produktangebot) …
Es ist ein Riesenvergnügen, durch die verwinkelten Gässchen zu bummeln und die Graffiti zu bestaunen.

Valencia (1) – Vielfalt im Zeichen der Orange

Valencia ist mit ca. 800.000 Einwohnern (im Ballungsraum 1,5 Mio.) nach Madrid und Barcelona die drittgrößte Stadt Spaniens, aber nicht annähernd so bekannt wie die beiden großen Schwestern. Dabei haben die meisten von uns zumindest schon einmal Orangen oder Mandarinen gegessen, die von den Hunderte von Quadratkilometern umfassenden Anbauflächen rund um Valencia stammen, nach ganz Europa exportiert werden und die die Quelle für den Wohlstand der Stadt sind.
Anlass für unseren Besuch im Oktober 2016 war unser jüngster Sohn, der in Valencia ein Auslandssemester eingelegt hatte. Wir buchten über eine Plattform eine Wohnung mitten im quirligen Multikultiviertel Ruzafa (Calle Puerto Rico) und bezogen dort mit unserem älteren Sohn und dessen Freundin Quartier.

Wir stellten bald fest, dass Valencia alles zu bieten hat, was eine Stadt im Süden braucht: eine Altstadt, die über Jahrhunderte gewachsen ist und zum Bummeln und Verweilen einlädt, interessante Architektur und Museen/Galerien, Einkaufsmöglichkeiten, eine vielfältige Küche und schließlich Menschen, die Lebensfreude ausstrahlen und sich bei aller zeitweiligen Hektik eine gewisse Gelassenheit bewahrt haben. Ein Strand ist ein nicht unwesentliches Extra … Wichtig ist dabei für uns eine gewisse Überschaubarkeit. Auch hier kann Valencia punkten, denn im Grunde liegt alles touristisch Relevante in Spaziernähe, so dass man die Stadt in Ruhe zu Fuß erkunden kann.

Ein erster Blick auf den Stadtplan macht deutlich, dass viele Sehenswürdigkeiten im Herzen der Stadt an den langgezogenen Bogen des trockengelegten Turia-Flusses grenzen. Dieses Flussareal ist im Grunde ein große Parkanlage, die viele Valencianos für Sport, Spaziergänge und einfach mal ein Päuschen nutzen. Wenn man sich, zu Fuß oder mit dem Rad, in der Grünanlage in Richtung Südosten bewegt, gelangt man in die „Stadt der Künste und Wissenschaften“ (Ciudad de las Artes y las Ciencias, kurz CAC), die den Besucher unmittelbar mit einer futuristisch anmutenden Architektur in den Bann schlägt. Hier wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt … Die Anlage, vom in Valencia geborenen Stararchitekten Santiago Calatrava Anfang der 1990er-Jahre entworfen, ist einfach spektakulär. Sie erstreckt sich über 350.000 qm und beinhaltet u.a. ein Wissenschaftsmuseum (Museo de las Ciencias Principe Felipe), ein schiffähnliches Opernhaus mit vier Bühnen und insgesamt 3.600 Zuschauerplätzen (Palau de les Arts Reina Sofia), einen „Unterwasserzoo“ mit diversen Außenbecken und insgesamt ca. 45.000 Tieren (Oceanográfico) und einen an eine überdimensionale Harfe erinnernden geschwungenen Brückenträger (Puente de Azud de Oro), der 126 m in die Höhe ragt. Zur Wahrheit dieses gigantische Komplexes gehört freilich auch, dass die für ihn entworfenen Finanzpläne nicht einmal annähernd umgesetzt werden konnten und Stadt und Land noch heute unter den Kosten ächzen.
Für die CAC sollte man sich schon einen Tag Zeit nehmen.

Vom Hort der Hypermoderne der CAC zurück ins Gestern und Heute, wo man wieder geerdet wird und sich das pralle Leben abspielt: ins Zentrum und in die Altstadt. Nur ein paar Gehminuten von unserer Wohnung in Ruzafa entfernt liegt unser Tor zur Altstadt, ein echtes Schmuckstück für Jugendstilliebhaber, der Nordbahnhof (Estación del Norte), 1917 erbaut und bekannt durch Trencadis-Kachelwände und das Mosaikgewölbe im Innern. Unter „trencadis“ versteht man eine Technik, bei der Keramikstücke in einer Art Mosaik in den Fassadenputz gelegt werden, typisch valencianisch. Fast fällt es schwer, sich vorzustellen, dass dieser Bahnhof ganz normal für seinen eigentlichen Zweck genutzt wird!

Gleich gegenüber dem Nordbahnhof beginnt die Avenida Marqués de Sotelo, wo sich mehrere emblematische Bauten aneinanderreihen, beispielsweise das Rathaus und die Post, die im Innern von einer riesigen Glaskuppel mit Stadtwappen überwölbt wird. Auch Versicherungen, die wohl seit jeher gerne ihren Geschäftserfolg mit pompösen Bauwerken demonstrieren, sind in dieser Prachtstraße zahlreich vertreten.

Eingang zur Hauptpost
Glaskuppel in der Post

Hält man sich am nördlichen Ende der Avenida Marqués de Sotelo links, immer der Nase nach :-), kommt man zu einer weiteren Perle des Jugendstils (im Spanischen „Modernismo“), die ganz irdischen Genüssen gewidmet ist, dem Zentralmarkt (Mercado Central). Hier soll es die frischesten Lebensmittel der Stadt geben, und hier weiß der überforderte Besucher gar nicht, wohin er schauen soll: Das Gebäude selber ist ein wunderschöner Zweckbau, in seinem Innern geht’s mit Farben, Geräuschen und Gerüchen wild durcheinander. Und dann wuseln da überall Menschen herum, die etwas kaufen, verkaufen, kosten oder einfach nur zusehen wollen. Am besten einfach treiben lassen … Und zumindest eine Gewürzmischung für eine echte Paella Valenciana (nur Hühnchen- und Kaninchenfleich, ohne Meeresfrüchte!) kaufen.

Fast daneben befindet sich ein weiterer Handelsplatz, allerdings nicht so umtriebig wie der Zentralmarkt und von eher historischem Wert, die Seidenbörse (Lonja de la Seda), aus dem Jahr 1482, UNESCO-Weltkulturerbe. Sie wirkt von außen etwas nüchtern, dafür von innen mit ihrer großen Säulenhalle, den aus Stein gemeißelten Säulen und dem gedämpften Licht umso beeindruckender. Zur Börse gehört ein kleiner Garten mit Springbrunnen, Orangenbäumen und Sitzbänken, der zu einer Pause einlädt.

Wer in der Altstadt unterwegs ist, kommt nicht am Platz der Jungfrau (Plaza de la Virgen) vorbei. Man sagt, er habe für die Valencianos eine ganz besondere Bedeutung, hier fühlten sie sich ihrer Schutzpatronin besonders nah. Wohl aus diesem Grunde dominiert die Basilika den Platz, wo immer etwas los ist.

Wer einen Einblick in das Alltagsleben einer Künstlerfamilie zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewinnen möchte, ist im CasaMuseo Benlliure genau richtig. Die Wohnräume, mit viel Liebe zum Detail wiederhergestellt, vermitteln einen authentischen Eindruck vom Alltagsleben der Familie. Der erste und zweite Stock des Gebäudes werden als Ausstellungsräume, vor allem für Gemälde, genutzt, auch das Atelier von José Benlliure kann besichtigt werden – bis unter die Decke gefüllt mit Kunstwerken und Sammelobjekten. Besuchenswert ist auch der etwas verwilderte Garten.

Und wenn man einfach nur mal „abhängen“ möchte?
Auch dazu bietet Valencia reichlich Gelegenheit, nicht nur in den Grünanlagen und den Cafés der Stadt, sondern auch am Strand. Die Valencianos nennen ihn kurz „Malva“ (für „Playa Malvarrosa„) und lassen dabei außer acht, dass auch die Playa las Arenas (unmittelbar an den Hafen angrenzend) zum Stadtstrand gehört. In früheren Zeiten hatte Valencia keinen direkten Seezugang. Zwischen der Stadt und dem Meer lag ein Fischerdorf, El Cabañal, das heutzutage längst als Stadtviertel eingemeindet ist und dennoch seinen eigenen Charakter bewahrt hat. Hier hält man beispielsweise wenig von dem stadtplanerischen Ansinnen, alte Häuser abzureißen, um die Avenida Blasco Ibáñez bis ans Wasser zu führen. Man scheint sich darauf zu besinnen, die heruntergekommenen Häuser nach und nach behutsam zu sanieren.

Und zum Schluss vielleicht noch etwas Süßes, und zwar gleich so, dass man sich nahe am Zuckerschock bewegt? Da eignet sich die Horchateria Santa Catalina, mit über 200 Jahren ein echtes Traditionslokal, das zum Beispiel „chocolate con churros“ anbietet – dickflüssige Schokolade mit frittiertem Spritzgebäck. Als typisch valencianisch gelten die „horchata con fartóns“, Edmandelmilch mit länglichem Hefegebäck, das warm serviert wird. Wem das nicht so richtig mundet, hat mit Sicherheit Freude an der tollen Ausstattung der Horchateria!

PS: Dem Spanischkundigen ist sicherlich die seltsame Schreibweise einiger Begriffe in diesem Beitrag aufgefallen. In Valencia gelten zwei Landessprachen, das kastillische (überall im Land gesprochene) Spanisch und Valencianisch, eine dem Katalanischen ähnliche Sprache. Offizielle Dokumente und Erklärungstexte (wie z.B. in Museen) sind stets in beiden verfasst.

Kreta zu Fuß

Der Titel schreibt sich so leicht hin … Er liest sich ein bisschen wie „Borkum zu Fuß“. Aber man muss sich im Klaren sein, dass Kreta mit ca. 260 Kilometern Länge und 12-60 Kilometern Breite die größte Insel Griechenlands ist. Kretas Silhouette wird durch vier große Gebirgszüge dominiert, deren Gipfel zum Teil deutlich über 2.000 Metern Höhe liegen. In diesen Regionen ist daher in den Wintermonaten auch Schnee keine Seltenheit.

Wir buchten über einen Wanderreisen-Anbieter 15 Tage „West-Kreta: Berge und Buchten„, und zwar als Individualreise, was in diesem Fall bedeutete: Unsere Unterkünfte waren vorab gebucht und der Transport des Gepäcks war organisiert; wir waren also nur mit dem Tagesrucksack unterwegs, aber lediglich zu zweit, nicht als Gruppe. Das war für uns eine gute Kombination, da es auf Kreta auch Ende September/Anfang Oktober noch durchaus heiß werden kann und wir in aller Regel nicht gerne in Gruppen unterwegs sind.

Der Norden der Insel mit seinen Flug- und Fährverbindungen in Richtung europäisches Festland ist touristisch gut erschlossen. Der besonders karge Südwesten gilt als Wanderparadies für Leute, die dünn besiedelte Gebiete schätzen und gerne auf Küstenpfaden unterwegs sind. Hier befinden sich auch einige der spektakulärsten Schluchten, allen voran die Samaria-Schlucht, wo auf 17 Kilometern ca. 1.200 Höhenmeter zu überwinden sind, normalerweise bergab. Die Samaria-Schlucht ist eine der längsten in Europa.

Unser Kreta-Abenteuer begann in Heraklion, der größten Stadt Kretas, und führte uns zunächst Richtung Westen nach Chania. Dann fuhren wir mit einem regulären Linienbus über die ganze Insel bis an die Südwestküste nach Paleochora. Von dort aus unternahmen wir mehrere Wanderungen, u.a. über die Omalos-Ebene, wo man streckenweise uralten dorischen Wegen folgt, und durch die Samaria-Schlucht. Eine unserer schönsten Stationen war Loutro, ein kleiner Ort, der sich an eine Bucht schmiegt und nur zu Fuß oder mit dem Schiff zu erreichen ist. Ähnlich verhält es sich mit einem Strand der besonderen Art, der Sweat Water Beach. Er befindet sich zwischen Loutro und Chora Sfakion und ist ebenfalls nur per pedes oder Taxi-Boot erreichbar. Er zeichnet sich dadurch aus, dass an mehreren Stellen Süßwasser aus dem Sand herausfließt. Für den Küstenpfad zur Sweat Water Beach sollte man schwindelfrei sein, denn stellenweise fällt der Fels fast senkrecht ins Meer.

Kreta hat uns in diesen zwei Wochen mit seinem rauen Charme in seinen Bann gezogen, und wir hatten bei unserer Abreise das Gefühl, dass diese Insel sich auf jeden Fall für einen weiteren Wanderurlaub anbietet – schließlich haben wir im Grunde nur einen kleinen Zipfel erlebt und dieser machte definitiv Lust auf mehr.

Hafen Heraklion
Gassentour Heraklion
Venezianische Hafenmauer Heraklion
Hafen von Chania
Ruinen Chania
Ready to hike
Unterwegs auf Wanderwegen aus dorischer Zeit
Wegweiser
Einstieg in die Samaria-Schlucht früh am Morgen
Die Samaria-Schlucht ist nur in Trockenzeiten durchgängig begehbar.
Patrouille für Hilfsbedürftige
Nach der Schlucht-Wanderung geht’s per Fähre weiter.
Küstenpfad im Südwesten
Ausspannen in Loutro
Qual der Wahl in der Sweet Water Bay: Welche Steine nehmen wir mit??

Stockholm – viel Wasser und noch mehr Atmosphäre

Wir haben uns im Juli 2017 einfach mal in den Flieger nach Stockholm gesetzt. Die Schwedenhauptstadt war eine dieser Städte, die wir uns schon immer mal anschauen wollten, schließlich gilt sie als eine der schönsten Metropolen der Welt. Für uns wurde der Besuch zu einem schönen Erlebnis, das noch lange nachklingen sollte …
Man kann Stockholm (ca. 2 Mio. Einwohner, davon etwa 850.000 im Zentrum) wunderbar zu Fuß erkunden, wenn man sich nicht von den Hügeln der Stadt den Schneid abkaufen lässt. Wohin man sich auch begibt, man ist stets nah am Wasser. Denn Stockholm besteht im Kern aus 14 Inseln, sozusagen zwischen „süß“ und „salzig“, d.h. zwischen süßem Mälarsee und der salzigen Ostsee. Und wem das an Wassersuperlativen noch nicht reicht, sei daran erinnert, dass sich, sozusagen direkt vor der Stockholmer Haustür, ein Schären-Paradies mit ca. 24.000 (!) Inseln erstreckt. Da ist man natürlich gut beraten, wenn man gerne segelt, paddelt, angelt und schwimmt (die Kälteempfindlichen unter uns wahrscheinlich lieber in Neopren gehüllt).
Stockholm strahlt Jugendlichkeit und Weltoffenheit aus und hat für unterschiedlichste Interessen- und Gemütslagen vielfältige Angebote. Aber wie und wo sollte dann das erste Kennenlernen stattfinden? Am besten einfach der Nase nach, vielleicht zuerst in die Stockholmer Altstadt, Gamla Stan, die sich über drei Inseln erstreckt. Hier befinden sich nicht nur unzählige Cafés, Restaurants und kleine Läden, sondern auch der Reichstag, venizianisch anmutende Plätze und Gebäude, das ehemalige Börsenhaus (heute Sitz der Schwedischen Akademie), die Storkyrka (Stockholms Dom und Krönungskirche) und das Königliche Schloss, das heute nur noch für Arbeitssitzungen und offizielle Empfänge genutzt wird.

Selbstredend kann man auch in Stockholm nach Lust und Laune einkaufen. Das Shoppingviertel schlechthin sind die Straßen rundum den Stureplan. Hier gibt es von edel bis schrill so ziemlich alles, was die Kreditkarte zum Glühen bringt.

Sehr viel spannender für uns war Södermalm, ein ehemaliges Arbeiterviertel, das zu einem ausgiebigen Spaziergang einlädt – mit Aussicht auf stramme Waden, denn hier geht’s den Hügel hoch. Aber die steilen Treppen, gemütlichen Cafés und Kneipen und alten Holzhäuser versprühen einen besonderen Charme. Und der Blick auf die City ist von hier an manchen Stellen atemberaubend.

Wer ganz handfest schwedische Geschichte erleben möchte, sollte unbedingt mindestens einen halben Tag im Skansen, dem größten Freilichtmuseum der Welt, verbringen. Es wurde 1891 gegründet und beheimatet inzwischen mehr als 150 typische Bauern- und Herrenhöfe, Werkstätten und Handwerkerbetriebe und ein großes Wildgehege – es sind also auch direkt in Stockholm Elchbegegnungen möglich 🙂 …

PS: Eine Bootstour ist in Stockholm selbstverständlich Pflicht. Vom Wasser aus ergibt sich manchmal ein vollkommen anderer Blick auf die Stadt.

Vom Bötchen aus gewährt Stockholm ganz besondere An- und Einblicke 🙂

Fin de partie

Hallo, ihr Lieben, wir sind jetzt auf dem Rückweg aus Dänemark. Die weiteren Wetteraussichten sind derartig trübe, dass wir nun unseren Caravan wieder angehängt haben und in heimische Gefilde steuern. Euch ein herzliches Dankeschön, dass ihr uns so hautnah begleitet habt. Wir machen jetzt noch ein paar Zwischenstopps bei Familie und Freunden und sind Mitte August wieder in Erdmannhausen. Da sind dann ein paar Dinge zu erledigen und der Wohnwagen wieder zu packen für die nächste Reise, nach Kroatien. Wir müssen unser Sonnendefizit ausgleichen.

PS: Wenn wir wieder zuhause sind, fügen wir auch noch eine Karte mit unseren Reisestationen ein.

Middelfart – Drehscheibe zwischen Fünen und Jütland

Die weitaus meisten Autofahrer, die von Jütland nach Osten (z.B. nach Kopenhagen) fahren – oder in umgekehrter Richtung unterwegs sind – überqueren den Kleinen Belt auf der E-20. Sie führt über die elegante, 1,7 km lange Hängebrücke Ny Lillebæltbro. Von dort hat man einen fantastischen Blick auf das Meer und die gesamte Umgebung, auch auf die alte Lillebræltbro aus dem Jahr 1935 und auf die Stadt Middelfart. In früheren Zeiten wurden hier Fähren betrieben. Daher der Name der Stadt = mittlere Fahrt; hier war nämlich eine von drei Überfahrtmöglichkeiten.

Middelfart, 15.000 Einwohner, ist ein munteres Städtchen mit viel Charme. Der natürliche Mittelpunkt ist der Hafen, der ganz offensichtlich gerne von Yachtbesitzern angelaufen wird. Gleich hier erhebt sich ein monumentaler Bau, das einzigartige Kulturhaus, für das man im Kleinen Belt eine künstliche Insel geschaffen hat. Wenn man die Promenade entlangschlendert, steht man gleich vor dem nächsten Beispiel futuristischer Architektur, dem Hauptgebäude der hiesigen Sparkasse. Der Bau ist preisgekrönt, vor allem wegen seines dramatisch gestylten Daches mit seinen 83 Dreiecksfenstern.

Vorbei geht’s an einem tollen Restaurant mit Café, allmählich nähert man sich der alten Bootswerft Kleiner Belt. Die Werft, auf der immer noch gearbeitet wird, stammt aus den 1850ern und ist heute Teil des Middelfart-Museums.

Das alte Zentrum der Stadt ist unbedingt einen Spaziergang wert. Alles wirkt auf eine unaufdringliche Art herausgeputzt; besonders beeindrucken einige sehr gut erhaltene mittelalterliche Fachwerkhäuser. Auch die Fußgängerzone hat einiges zu bieten. Wir bleiben in einem kleinen Café hängen, das im hinteren Teil eher an einen verwunschenen Garten erinnert. Es ist allerdings durchaus eine Herausforderung, die hier angebotenen schmackhaften „Öko-Bagels“ mit Messer und Gabel zu essen 😊. Eine Übung, die Eva mit Bravur gemeistert hat. Der Fotograf hat diese Nahrungsaufnahme in Wikingerart mit den Händen absolviert.

Unser Fazit: Middelfart lohnt sich!

Nicolai-Kirche (12. Jh.)

Das CLAY-Keramikmuseum in Middelfart – ein echtes Kleinod

Wir hatten schon im Vorfeld etwas über dieses besondere Museum gelesen. Die Erwartungen waren daher hoch – und sie wurden mehr als erfüllt. Das Hauptgebäude, ein rotweißes Herrenhaus („Grimmerhus“), liegt auf einem Hügel, eingebettet in eine parkartige (Skulpturen-)Landschaft, mit Blick auf den Kleinen Belt (Lillebælt) und die beiden Brücken, für die Middelfart bekannt ist. Es wurde 2015 komplett saniert und um einen 1.500 qm großen Annex erweitert. Die Ausstellungsräume liegen z.T. unterirdisch. Aller inneren Unterschiedlichkeit zum Trotz spürt man beim Schlendern durch den Komplex stets die Gesamtkomposition aus einer Hand. Im Bestand des Museums sind mehr als 55.000 Werke, von denen ca. 1.000 ausgestellt werden.

Hier ein paar Eindrücke vom Eingangsbereich; sogar der Shop ist ein ästhetisches Vergnügen!

Der Anbau ist in seiner Art einzigartig. Seine Besonderheit ist eine Lamellenkonstruktion mit einem beweglichem Sonnenschutzsystem als äußerer Fassade, deren Metallgerüst mitsamt Motoren, Verkabelung, Getriebewellen etc. von einer deutschen Firma (Colt International) entworfen und hergestellt wurde. Die 108 Keramiklamellen bewegen sich also optimiert nach dem Sonnenstand und dem Lichteinfall!

Uns haben insbesondere die Arbeiten einer dänischen Künstlerin fasziniert, die sich mit der Beziehung zwischen Mensch, Natur und der spirituellen Welt auseinandersetzt: Cathrin Raben Davidsen (geb. 1972). Ausgestellt wurden unterschiedliche Werke, die aus einer mehrjährigen Kooperation mit „Royal Copenhagen“ hervorgingen. Davidsen ist sehr vielseitig, sie malt, zeichnet, macht Videoinstallationen, Zeichentrickfilme und Skulpturen aus unterschiedlichen Werkstoffen. Ihre Ausstellung läuft unter dem Titel „TOTEM“. Ein in verschiedensten Formen wiederkehrendes Motiv ist das menschliche Gesicht.

Aber natürlich haben auch andere Künstler sehr beeindruckende Werke zu bieten.

Unsere Quintessenz: unbedingt sehens- und erlebenswert! Wir fühlten uns ein wenig ans Lousiana nördlich von Kopenhagen erinnert.

Steinreich in Røjle Klint

Unser Dänemarkaufenthalt neigt sich allmählich dem Ende, aber ein paar Tage haben wir noch 😊

Die wollen wir auf Fünen verbringen und wählen die Gegend um Middelfart am nordwestlichen Ende an der Brücke zu Jütland aus. Unser Campingplatz liegt sehr schön, nur einen steilen Abstieg vom Wasser entfernt. Nachdem wir uns auf einem Stellplatz mit Blick aufs Meer eingerichtet haben, gehen wir gleich runter. Hier gefällt‘s uns: Viel Treibholz und vom oberen Rand abgestürzte Bäume, steile Abhänge, ein schmaler Sandstreifen und Steine in verschiedensten Formen und Farben. Eva ist ganz verzückt, hinter mir höre ich immer wieder „Guck mal hier“ und „Schau dir den mal an“. Eigentlich wollten wir ja ein Stück am Strand entlanglaufen 🤨 Das machen wir dann auch, nachdem ich versprochen habe, dass wir auch ein paar „Findlinge“ mitnehmen – für unseren Garten. Beim Hochtragen unserer Schätze geraten wir ziemlich ins Schwitzen. Aber was tut man nicht alles, um steinreich zu werden …

Schau mal den hier!

Kalundborg – eine eher zufällige Bekanntschaft

Eigentlich wollten wir heute mit dem Rad zur Spitze der westlichen Landzunge – wo es selbstverständlich einen Leuchtturm gibt – fahren, nach Røsnæs. Dazu sollte es zunächst Richtung Süden nach Kalundborg gehen und von dort immer an der Küste entlang. Guter Plan. Jedenfalls bis wir nach Kalundborg kamen. Hier war der Plan dann schnell Geschichte.

Wir steuerten direkt auf das alte Zentrum zu. Von weitem sieht man bereits die alles überragende Liebfrauenkirche, die mit ihren fünf Türmen eine sehr außergewöhnliche Form hat. Sie liegt auf einer flachen Bergkuppe, weshalb die Altstadt auch als „hohe Stadt“ (Højbyen) bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um Wesentlichen um drei Straßenzüge (Adelgade, Lindegade und Præstegade), an denen die wichtigsten Baudenkmäler aufgereiht sind, darunter drei mittelalterliche Steinhäuser, die zu den ältesten Dänemarks gehören. Die frühere bischöfliche Residenz beinhaltet inzwischen ein Galerie mit wechselnden Ausstellungen – schon allein das Gebäude ist sehenswert. Und so ganz en passant wird hier sogar noch das Geburtshaus einer norwegischen Literaturnobelpreisträgerin geboten: Sigrid Undset (geb. 1882, Mutter Dänin, Vater Norweger). Selbstverständlich gibt’s auch noch ein Museum 😊

Modell der mittelalterlichen Stadt

Und die Landzunge mit dem tollen Leuchtturm? Nächstes Mal, vielleicht, wir ziehen weiter …