Essaouira, 85.000 Einwohner, Touristen-Hotspot am Atlantik, hat eine lange und wechselhafte Geschichte, aber die eigentliche Gründung der Stadt – unter dem Namen Mogador – geht auf das Jahr 1760 zurück, als Sultan Sidi Mohamed Ben Abdallah einem gefangenen französischen Architekten (Thédore Cornut) den Bauauftrag für den Hafen und die Altstadt erteilte. So erklärt sich der an europäische Militärarchitektur angelehnte rechtwinklige Grundriss der Medina (Altstadt), die noch heute vollständig von einer Mauer umgeben ist, – in unserer Wahrnehmung gar keine schlechte Idee, weil man sich bedeutend besser orientieren kann, ohne dass das Flair Schaden genommen hätte. Und die UNESCO scheint das auch nicht gestört zu haben, denn sie erkannte die Medina von Essaouira 2001 als Weltkulturerbe an.
Die frühere Bezeichnung Mogador, die heute nur noch für die vorgelagerte Insel verwendet wird, geht vermutlich auf die Portugiesen zurück, die im 15. und 16. Jahrhundert einige Abschnitte an der marokkanischen Atlantikküste eroberten. In diesem Zusammenhang begannen sie 1506 mit dem Bau von Befestigungsanlagen, auf die auch die heute bei Sonnenuntergangsanbetern so beliebte und mit Bronzekanonen bestückte Mauer zurückgeht.
Wir fanden bei unseren Spaziergängen auch manche Abschnitte auf der Innenseite der Befestigungsmauer sehr attraktiv.
In den späten 1960er-Jahren war Essaouira eine Art Pilgerort für Hippies – die Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie vor allem mit Drogen für kleines Geld mag dafür eine Grundlage gewesen sein. Als sich dann auch noch Jimi Hendrix für ein paar Tage in der näheren Umgebung einfand, war der Status Essaouiras als „place to be“ für junge Andersdenkende etabliert. Noch heute umrankt den Ort ein Flair der Leichtigkeit und künstlerisch anmutender Lässigkeit, weshalb Essaouira den Ruf eines Aussteiger– undKünstlerparadieses hat.
Eine wichtige Haupteinnahmequellen für Essaouira ist neben dem Tourismus der Fischfang. Im Fischereihafen liegen hunderte von Booten dicht an dicht. Die vom Fang zurückkehrenden Kutter verkaufen ihren Fisch direkt am Kai. Man spürt man unmittelbar, dass Fischerei und Handel als Geschäft betrieben werden – und nicht etwa als touristische Veranstaltung und Kulisse für hübsche Fotos. Der ungeschönte Umgang mit dem Fisch als Ware wirkt für unsere Augen zeitweilig geradezu verstörend. Was im Netz landet, wird auch verwertet – ganz gleich, ob es sich um geschützte Arten (wie zum Beispiel Haie) handelt oder nicht. Auch das Riechorgan hat einiges zu verarbeiten.
Wer also gerne Fisch isst, ist hier definitiv richtig. Das Angebot ist reichlich und von bester Qualität, ob in den Fischrestaurants oder an den Imbissständen. Es ist stets ratsam, den Preis für eine Mahlzeit zu verhandeln, bevor man sich an den Tisch einer Imbissbude setzt.
Als Badeort ist Essaouira nicht nur bei den Marokkanern (vor allem im Sommer) sehr beliebt. Es finden sich zunehmend auch Europäer ein, vor allem Franzosen. Nicht ohne Grund ist die Hafenstadt als „windy city“ bekannt und zieht immer mehr Surfer an. Für uns war schwer nachvollziehbar, dass bei den meisten marokkanischen Familien die Männer und Kinder ausgiebig in den Wellen herumtollen können – selbstverständlich in normalen Badeklamotten -, während die Frauen offenbar nur verhüllt Sonne und Meer genießen (?) durften. Aber wir haben auch marokkanische Surfer-Gruppen gesehen, bei denen Männlein und Weiblein kaum unterscheidbar waren. Tja, die Welt ist bunt, aber ein Phänomen ist wohl universell: Alle Menschen schauen in der sommerlichen Abenddämmerung gerne aufs Wasser.
Etwa 160 Kilometer südöstlich von Agadir liegt die 7.000 Einwohner zählende Dattelpalmoase Tafraoute, 1.000 Meter über dem Meeresspiegel am Hang des westlichen Anti-Atlas. Der Ort selber ist touristisch nicht sonderlich interessant, die Umgebung jedoch um so mehr – gerade auch dann, wenn sich bei der Bewunderung imposanter Granitlandschaften erste Ermüdungserscheinungen zeigen und die Lust am Grün entsprechend gestiegen ist. In den fruchtbaren umliegenden Tälern bieten sich mannigfaltige Möglichkeiten für Wanderungen und Erkundungen. Insbesondere das 15 Kilometer lange Vallée des Ammeln (Tal der Ammeln) lohnt einen Besuch. Es ist benannt nach dem gleichnamigen Berbervolk, das für seine Geschäftstüchtigkeit berühmt ist. Landwirtschaftlich vertreten sind neben Gerste, Kartoffeln und Gemüse vor allem Baumfrüchte wie Oliven, Mandeln, Granatäpfel und Arganien, aus deren Samen Öl hergestellt wird. Tendenziell wird die Bewirtschaftung der Flächen leider immer schwieriger, denn die durch den Klimawandel bedingte Wasserknappheit stellt die Bauern mit zunehmender Härte vor unlösbare Probleme. Erschwerend kommen beim Oasenfeldanbau in Marokko traditionell gewachsene Wasserverteilungssysteme zum Tragen, die durch Vererbungen zu Komplikationen und damit Streit und Missgunst führen.
Der bedornte, trockenheitsresistente, verholzende und immergrüne Arganbaum gilt als Marokkos kostbarster Baum. Ursprünglich im einem begrenzten Bereich Nordafrika beheimatet, ist sein Verbreitungsgebiet heute ausschließlich der Südwesten Marokkos. Ausgewachsen sind Bäume 8 bis 12 Meter hoch, in seltenen Fällen erreichen sie auch 20 Meter Höhe.
Arganöl (auch Arganienöl) wird durch Pressung der Samenplättchen der reifen Beerenfrucht des Arganbaums gewonnen. Einerseits hat die wachsende Nachfrage nach diesem Öl zu einer Industrialisierung geführt, die vielen kleinbäuerlichen Betrieben zunächst die Existenzgrundlage entzog. Andererseits wurde vor diesem Hintergrund mit staatlich-marokkanischer und internationaler Unterstützung eine Vielzahl von Kooperativen ins Leben gerufen, die die Tradition des handproduzierten Arganöls gewährleisten konnte. Die jahrhundertealten Kenntnisse und Praktiken zur Nutzung des Baumes und seiner Früchte sind von der UNESCO seit 2014 als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Zur Gewinnung eines Liters Arganöl sind etwa zwei Tage Handarbeit erforderlich, die fast ausschließlich von Frauen geleistet wird. Sie schließen sich in Kooperativen zusammen, tragen zur Verbesserung des Familieneinkommens bei und erarbeiten sich damit ein Stück Selbstständigkeit. Arganöl findet sowohl als Speiseöl wie auch in Pflegeprodukten Verwendung.
Auch marokkanische Ziegen mögen Argan! Allerdings vor allem das Blattwerk und die Umhüllung der Früchte. Zu diesem Zweck kraxeln sie mit großem Geschick in den Arganbäumen herum und lassen sich dabei von fotografierenden Touristen in keiner Weise beeindrucken :-).
Das Top-Skigebiet von Marokko, sozusagen das Sankt Moritz des Hohen Atlas, liegt nur etwa 70 Kilometer südlich von Marrakesch auf 2.650 Metern Höhe am Nordrand des Djebel-Toubkal-Massivs: Oukaimeden. Moderne Liftanlagen bringen Wanderer, Skifahrer und Snowboarder auf den Djebel Oukaimeden (3.265 m). Aber im Vergleich zu den europäischen Alpen beispielsweise stecken Wintersport und Bergtourismus in Marokko noch in den Kinderschuhen. Es fehlt in vielen Regionen an entsprechender Infrastruktur. Das ist einer der Gründe, dass Bergwanderungen in Marokko in der Regel nur mit Führer durchgeführt werden sollten, denn die Wege sind kaum beschildert, Einkehr- oder gar Übernachtungsmöglichkeiten eine Seltenheit. Mit Blick auf Bergtouren am besten erschlossen ist die Region um Imlil. Wir haben mehrere Gebirgswanderungen unternommen, stets mit Führer, und dabei in einer Unterkunft in einem kleinen Bergdorf übernachtet. Das ursprüngliche, mit viel Sorgfalt und Liebe eingerichtete Gästehaus inmitten eines bezaubernden Gartens war nur zu Fuß zu erreichen, den Transport des Gepäcks durch Esel organisierten die Dorfbewohner. Hier ging es wunderbar familiär zu, das traditionelle Abendessen bei Kerzenschein nahmen alle Gäste gemeinsam ein. Dazu kam, dass einer der Gäste gerade Geburtstag hatte und wir einfach mitfeiern durften :-).
Man befindet sich hier in einer Bergwelt von karger Schönheit. Mächtige Felsmassive, schroff zerklüftetes Gelände, Geröllfelder und steil abfallende Canyons bestimmen das Bild. In den Senken ist es auch mal grün. Bei diesen Wanderungen kommt man durch abgeschiedene Bergdörfer, wo die Zeit stehengeblieben scheint. Es ist allenthalben spürbar, dass die Menschen kaum über das Allernötigste verfügen. Als Wohlstandseuropäer hat man Mühe, sich vorzustellen, wie die Menschen unter diesen unwirtlichen Bedingungen überleben können. Uns macht das demütig und dankbar, dass der Zufall es so gut mit uns gemeint hat.
Die sogenannte Route des Kasbahs (offiziell der Abschnitt von Quarzazate bis Errachidia an der N10, auch „Straße der 1.000 Kasbahs“) gehört zu den schönsten Reiserouten in Südmarokko. Sie führt an jahrhundertealten, aus Stampflehm gebauten Berber-Wohnburgen und langgestreckten Dattelpalmoasen vorbei. Die Grundlage für das Leben und das Grün in dieser Region ist der Dades-Fluss (Dadés), der sich über die Jahrtausende eine spektakuläre Schlucht mit zum Teil bizarren Felsformationen gegraben hat (Gorges du Dadés). Bei Quarzazate vereinigt sich der Dades mit anderen Wasserläufen zum Fluss Dra.
„Kasbah“ ist lt. Wikipedia „in der ursprünglichen Bedeutung die arabische Bezeichnung für eine innerhalb oder außerhalb von Städten gelegene Festung. Das ländliche Gegenstück zur Kasbah ist der Ksar, ein befestigtes Dorf“. Der Parade-Ksar schlechthin und Musterbeispiel traditioneller Berberarchitektur in Südmarokko ist Aït Benhaddou (Ait Ben Haddou), etwa 30 Kilometer nordwestlich von Quarzazate gelegen, UNESCO-Weltkulturerbe. Dieser Ksar, der in Teilen noch von Familien bewohnt ist und den Charakter eines Museumsdorfs hat, ist definitiv einen Besuch wert. Ait Ben Haddou diente als Filmkulisse für diverse Hollywood-Produktionen, beispielsweise „Sodom und Gomorrha“, „Lawrence von Arabien“, „James Bond 007 – Der Hauch des Todes“, „Gladiator“ oder „Games of Thrones“, um nur wenige zu nennen. Die Filmarbeiten tragen dazu bei, die Lehmbauten zu renovieren. Während der Zeit des französischen Protektorats hatten die Bewohner von Ait Ben Haddou der Kolonialmacht zugearbeitet, deshalb ließ die marokkanische Regierung die Ksaranlage seit der Erlangung der Unabhängigkeit 1956 allmählich verfallen. Das Blatt wendete sich erst, als man schließlich ihr touristisches Potenzial erkannte. Große Renovierungsarbeiten wurden zuletzt 2000 bis 2015 durchgeführt.
Gibraltar ist nicht, wie oft vermutet, der südlichste Punkt von Kontinentaleuropa, sondern das südwestlich davon liegende Tarifa, etwa 45 km entfernt. Von Tarifa aus kann man bei gutem Wetter die marokkanische Hafenstadt Tanger und auch das Rif-Gebirge erkennen. Die Meerenge von Gibraltar ist an dieser Stelle nur 13,5 km breit. Es ist also quasi nur ein Katzensprung von Europa nach Afrika. Dennoch liegen Welten dazwischen. Hier das Abendland mit christlicher Tradition, dort die arabisch-muslimische Kultur, wo zum Teil vollkommen andere Regeln und Rituale den Alltag bestimmen. Hier die Staatsform der Demokratie, dort eine Monarchie, in der der König mit seiner Familie alle wichtigen Fäden in der Hand hält, Staatsoberhaupt und religiöser Führer in einer Person. Marokko ist ein Land der krassen Gegensätze, mit einem halben Dutzend Millionenstädten, die sich in vielerlei Hinsicht nicht großartig vom westlichen Metropolen unterscheiden, und einem Hinterland, das in manchen Gegenden mittelalterlich anmutet.
Wir wollten dieses Land im Oktober 2014 mit dem Mietwagen auf eigene Faust erkunden. Wir folgten dabei einer vorher festgelegten Route, die Übernachtungen waren vorab gebucht – was sich auch als durchaus sinnvoll erwies; denn insbesondere in ländlichen Regionen findet sich nicht so einfach „spontan“ eine Unterkunft, und Nachtfahrten sollte man tunlichst vermeiden.
Unser Startpunkt Casablanca hat für uns von vornherein einen gewissen Klang – kommt uns doch sogleich der Filmklassiker mit Humprey Bogart („Rick“) und Ingrid Bergman („Ilsa“) aus dem Jahr 1942 in den Sinn: Schau mir in die Augen, Kleines … Zwar gibt es in Casablanca eine freie Nachbildung von „Rick’s Café Américain“, aber die macht die 6-Millionen-Stadt auch nicht so richtig attraktiv. Casablanca gilt als Stadt der sozialen Missstände und der vierspurigen Straßen, die mitten durchs Zentrum laufen. Wir haben hier daher nur eine Nacht verbracht, unser Auto in Empfang genommen und uns vor der Weiterreise DIE überragende Sehenswürdigkeit Casablancas angeschaut, die Moschee Hassan II. Sie gehört zu den größten Moscheen der Welt und verfügt über das zweithöchste Minarett. Sie wurde anlässlich des 60. Geburtstags des damaligen Königs Hassan II. (des Vaters des heutigen Regenten Mohammed VI.) erstellt und 1993 eingeweiht. Es heißt, an diesem Bauwerk hätten 2.500 Arbeiter und 10.000 Handwerker sechs Jahre lang gebaut. Die Gebetshalle bietet Platz für 25.000 Gläubige, auf einer Gebetsplattform im Außenbereich können sich 80.000 Menschen einfinden. Das Dach des Hauptgebäudes lässt sich öffnen, nachts strahlt ein grüner Laserstrahl in Richtung Mekka. Die Hassan-II-Moschee ist das einzige islamische Gebetshaus in Marokko, das von Nichtmuslimen betreten werden darf. Sie ist ein Bau der Superlative und hat uns diesem Sinne durchaus beeindruckt. Aus weltlicher Sicht sei allerdings die Frage erlaubt, ob nicht angesichts der phänomenalen Kosten dieses Prachtbaus eine anderweitige Verwendung der Mittel – beispielsweise für soziale Zwecke – für das marokkanische Volk einen größeren Nutzen gehabt hätte. Freilich ließe sich eine ähnliche Argumentation ebenso für zahlreiche historische wie auch moderne Protzbauten auf der Welt anführen, die wir uns gerne anschauen und in Bild und Text festhalten …
Knapp 100 km nordöstlich von Casablanca, ebenfalls direkt an der Küste, liegt Rabat, die Hauptstadt Marokkos und die erste Königsstadt von insgesamt vier auf unserer Rundreise. Kern dieser geschichtsträchtigen Kulturstadt ist die Medina (Altstadt), an der Mündung des Flusses Bou Regreg gelegen. Sie ist hauptsächlich in blauen und weißen Farben gehalten und lädt zum Schlendern und Fotografieren ein. Andalusien lässt grüßen! Der Basar bietet neben allerlei Souvenirs für die nicht allzu zahlreichen Touristen alles, was der marokkanische Haushalt braucht, von frischem Obst bis zur Teekanne.
Flussseitig im Norden die Medina abgrenzend liegt die riesige Festungsanlage Kasbah des Oudaias. Sie wurde im 12. Jahrhundert als Wehrburg errichtet – von ihren Mauern hat man einen fantastischen Blick auf die Flussmündung, das Meer und auf die Rabat gegenüberliegende Stadt Salé.
Marokko bietet eine besondere Übernachtungsmöglichkeit, die Riads. Ein Riad ist ein traditionelles marokkanisches Haus mit einem lichten Innenhof und vielen Gartenelementen. Früher waren Riads Residenzen von Honoratioren oder wohlhabenden Kaufleuten. Heutzutage fungieren sie in der Regel als Hotels bzw. Gästehäuser. Normalerweise liegen sie mitten in der Medina und sind daher nur zu Fuß durch enge Gassen zu erreichen. Riads sind Oasen der Ruhe und ein wunderbarer Gegenpol zur hektischen Betriebsamkeit der Medinas. Unsere erste Riad-Übernachtung (im Riad Kalaa in Rabat) hat uns sofort von diesem Konzept überzeugt!
Von Rabat nach Fes sind es circa 235 km,. Nach Lektüre unseres Reiseführers beschlossen wir, der kleinsten der Königsstädte, Meknes, an der man kurz vor Fes vorbeikommt, keinen Besuch abzustatten und uns stattdessen auf Fes zu konzentrieren. Damit hatten wir Zeit für ein paar Zwischenstopps, die sich durchaus gelohnt haben.
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Riad „Lune et Soleil“ waren wir für unsere Fes-Stadterkundung bereit. Ein typisches Frühstück à la marocaine besteht aus einem „café nous-nous“ (halb Kaffee, halb Milch), Pfannkuchen, frisch gepressten Fruchtsäften, Joghurt, Spiegel- oder Rühreiern, Brot und süßem Aufstrich. Das hält eine Weile vor :-).
Fes, 1 Million Einwohner und Hauptstadt bis1912, gilt sowohl als eine der schönsten Städte als auch als DAS Zentrum des Islam und islamischer Kultur in Marokko. Es ist reich an Kunstschätzen und Kulturstätten und hat mit der 860 gegründeten Kairaouine eine der ältesten Universitäten der Welt. Die mittelalterliche Medina, Fès el Bali, hat den Ruf eines „Juwels der arabisch-muslimischen Zivilisation“. Hier kann man sich wunderbar treiben lassen – und im Labyrinth der Gassen auch leicht verirren. Und wenn man die Orientierung verloren hat, fragt man sich am besten zum nächsten Stadttor durch und taucht erneut in das Gedränge ein. Das bekannteste Tor (und Wahrzeichen der Stadt) ist das Bab Boujeloud, das im 13. Jahrhundert errichtet wurde. Es hat auf der einen Seite blaue, auf der anderen grüne Fliesen. Von hier führen die parallel verlaufenden Hauptachsen der Medina an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbei.
Hier ein paar Eindrücke aus dem bunten Treiben in den Souks, die vor allem von Händler- und Handwerkergassen (Kupferschmiede, Ziseliere, Schneider, Lederwarenhersteller usw.) geprägt sind.
In den verwinkelten Gassen der Altstadt sind Esel und Maultiere wie in alten Zeiten die optimalen Lasttiere. Sie schleppen alles herbei, was hier gebraucht wird. Und natürlich der Mensch selbst, der hier beispielsweise mit dem kostbarem Gut Wasser unterwegs ist.
Unweit vom Bab Bouleloud befindet sich ein Schmuckstück arabischer Architektur, die Medersa Bou Inania. Die Koranschule wurde um 1450 gebaut und zählt mit ihren Kachelmosaiken, filigranen Inschriftenfriesen und Gipsstrukturen und zu den prächtigsten Sakralbauten aus dem Mittelalter. Der Innenhof ist mit Carrara-Marmor ausgelegt. Die handwerkliche Kunst in derartigen Gebäuden ist nicht gegenständlich, weil die Darstellung von Menschen, Tieren oder gar des Propheten oder Gottes im Islam verboten ist.
Ein besonderes Erlebnis und ein Muss bei einem Fes-Besuch ist das Gerber-Viertel. Von den Panoramaterrassen der Lederwarenhändler gewinnt man einen Eindruck von diesem Handwerk, das – so scheint es zumindest – noch wie vor Hunderten von Jahren betrieben wird. Hier werden in geradezu archaischer Art die Tierhäute vom restlichen Fleisch getrennt und in unzähligen Bottichen den unterschiedlichen Phasen des Gerbprozesses unterworfen. Die hier arbeitenden Männer steht zum Teil hüfthoch in den gemauerten Behältnissen, die im Gesamtarrangement wie ein gigantischer Malkasten wirken. Gesund kann diese Form der Maloche nicht sein … Aber für den westlichen Besucher auf jeden Fall spektakulär – nicht nur visuell, sondern auch wegen des infernalischen Gestanks. Im Gerberviertel von Fes wird vor allem Schaf-, Ziegen- und Rindsleder verarbeitet, selten auch das kostbare Kamelleder.
Am Ende eines solchen Tages voller außergewöhnlicher Eindrücke zieht man sich gerne in sein Riad zurück, um den Tag bei einem guten Essen Revue passieren zu lassen. Das „klassische“ marokkanische (bzw. nordafrikanische) Gericht ist Tajine. Als „Tajine“ bezeichnet man sowohl das geschmorte Gericht selber wie auch das Kochgeschirr, in dem es zubereitet wird. Das aus Lehm gebrannte Schmorgefäß hat eine runde flache Form mit einem konischen Deckel und einem Loch oben. Was da alles unter dem Deckel gegart wird, ist wohl nur durch die menschliche Fantasie begrenzt, denn es gibt hunderte von Rezepten: mit Fisch oder Fleisch oder vegetarisch, mit unterschiedlichsten Gemüsesorten, mit/ohne Backpflaumen oder Oliven … In Marokko wird übrigens normalerweise beim Essen nicht geredet, der Genießer schweigt. Die Konversation wird erst nach dem Essen wieder eröffnet. An diese Regel haben wir uns in trauter Zweisamkeit natürlich nicht gehalten, schließlich gab es viel zu erzählen.
Die Teezeremonie (Pfefferminztee: thé à la menthe) dagegen ist ein sozialer Akt, bei dem eifrig palavert werden darf. Dabei wird frische Minze in eine silberne Kanne gesteckt, oft zusammen mit grünem Tee, und mit heißem Wasser aufgegossen. Sodann wird das Gebräu aus großem Abstand in auf einem Silbertablett platzierte Teegläser gegossen und mit reichlich (!) Zucker gesüßt.
Auch in Marrakesch, der vierten Königsstadt, waren wir mitten in der Medina untergebracht, so dass wir die meisten Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen konnten. Die „Perle des Südens“ hat unter den Königsstädten am ehesten den Charakter einer Metropole. Offiziell hat sie etwa eine Million Einwohner, inoffiziell geht man von bis zu vier Millionen aus, die hier irgendwie ein Auskommen suchen. Marrakesch ist hektisch und ein echter Touristenmagnet, mit allen Schattenseiten. Auch die „rote Stadt“ (wegen der vielen in Rot-, Rosa- und Ockertönen gehaltenen Häuser) hat schöne Stadttore, beeindruckende Gebäude, Kunst- und Kulturstätten und wuselige Souks. Aber das Highlight schlechthin ist der Djemaa el Fna, der Platz der Geköpften bzw. Gehenkten, der als „Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes des Menschheit“ unter dem Schutz der UNESCO steht. Man kann sich der besonderen Faszination dieses Platzes, der gleichermaßen Marokkaner wie ausländische Besucher in seinen Bann schlägt, kaum entziehen. Je nach Tageszeit dominieren unterschiedliche Aktivitäten in diesem Schmelztiegel, der arabische, berberische und schwarzafrikanische Traditionen vereint. Man sieht Schlangenbeschwörer, Wunderheiler und Quacksalber, Feuerschlucker, Akrobaten, Wahrsager, Geschichtenerzähler, Musikanten, Krämer … Und alle buhlen um die Gunst der Flaneure, manche eher verhalten, andere fast aggressiv. Mit Eintritt der Abenddämmerung bestimmen Essensstände und Garküchen das Bild, dann ziehen dichte Aroma- und Rauchschwaden über den Platz. Das beliebteste Café ist das legendäre Café de France. Wer hier einen Platz auf der Dachterrasse ergattert, kann in aller Ruhe von oben das emsige Treiben auf dem Platz beobachten.
Und nach dem Essen auf dem Djemaa el Fna? Ausruhen im Riad, ist doch klar :-).
Marokko bietet viele Möglichkeiten für Outdoor-Aktivitäten, von anspruchsvollen Hochgebirgstouren im Atlasgebirge über Wassersport bis zum Wüstentrekking in der Sahara. Letzteres zählt eindeutig zu den Höhepunkten unserer Rundreise: zwei Tage auf dem Rücken von Dromedaren in der Sahara, nahe Merzouga im marokkanisch-algerischen Grenzgebiet.
Bei unserer Fahrt von Fes nach Merzouga, 450 Kilometer Richtung Süden, Mitte Oktober einmal über den Mittleren Atlas, haben wir durchaus einen bleibenden Eindruck von der rauen und unwirtlichen Schönheit dieses Gebirges bekommen. Unsere Entscheidung für einen Fiat Punto als Verkehrsmittel für unsere Rundreise geriet bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal erheblich ins Wanken. Bei zeitweilig heftigen Regengüssen und Windböen, in den Höhenlagen sogar Schneefall und Nebel, hätten wir uns unbestreitbar in einem geländegängigen Fahrzeug mit Allradantrieb wohler gefühlt. Aber wir kamen sicher und ohne Zwischenfälle ans Ziel, vom Schnee in die sengend heiße Wüste. Auf jeden Fall waren wir froh und erleichtert, als wir die Berge hinter uns lassen und uns schließlich auf die landschaftlich reizvollere Strecke entlang des Ziz-Tals begeben konnten. Man fährt durch ein Band von Palmenhainen, gesäumt von kleinen Lehmdörfern und traditionellen Ksars (befestigten Dörfern), bevor man in Erfoud/Rissani in Richtung des Dünengebiets des Erg Chebbi abbiegt.
Auf uns wirkte diese Szenerie oft wie eine Filmkulisse für einen Abenteuerfilm – aber hier leben die Menschen, hier arbeiten, schlafen, essen und beten sie. Als wir, von unserer Neugier getrieben, einmal vor einem dieser trutzigen Lehmkomplexe anhielten, bot uns ein Anwohner eine Führung an, die wir dankend annahmen – eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich ein Bild vom Leben innerhalb der Mauern zu machen.
Bei unserer Wüstenexkursion wollten wir einen Eindruck davon bekommen, wie die Menschen in früheren Zeiten (und vielerorts heute noch!) durch die Wüste gezogen sind. Und zwar möglichst unverfälscht. Daher hatten wir eine Übernachtung in einem traditionellen Zelt gebucht, bei dessen Errichtung wir helfen wollten. Und so war’s dann auch. Wir zogen also mit zwei Führern und drei Dromedaren (= einhöckrige Kamele) los in die unendliche Sandweite des Erg Chebbi. „Erg“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet „Sanddüne“ oder „Dünenmeer“. Erg Chebbi ist die größte Sanddüne Marokkos und bis 300 Meter hoch. Die beiden Führer absolvierten die gesamte Strecke zu Fuß (barfuß!), wir hatten je ein „Wüstenschiff“, das dritte transportierte die Ausrüstung. Die beiden Guides haben uns auch das Essen zubereitet. Von diesem Camp aus sind wir gestartet:
Dahin irgendwo wollten wir:
Wenn man – ungeübt – mehrere Stunden auf dem Rücken eines Dromedars gesessen hat, Düne hoch, Düne runter, ist man froh, wenn man nach dem ständigen Geschaukel wieder festen (?) Boden unter den Füßen hat. In einer Senke haben wir dann das Packtier entladen und unser Nachtlager aufgebaut.
Wir hatten übrigens erwartet, dass es nachts eisig kalt wird und deshalb auch warme Kleidung eingepackt. Das erwies sich jedoch als vollkommen unnötig, weil es die ganze Nacht ziemlich warm blieb und zudem das Zelt aus Wolldecken die Wärme des Tages erstaunlich gut speicherte. Ebenfalls zu unserer Verwunderung waren wir tagsüber umschwirrt von Fliegen, die man zunächst wegzuscheuchen versucht. Ein sinnloses Unterfangen. Nach einigen Stunden bei gleichmäßigem Trott und in sengender Hitze hat man gelernt, die Plagegeister zu tolerieren. Die Fliegen sind eine Begleiterscheinung der Dattelreife im Tafilalet (Hauptort Erfoud), das mit ca. 25.000 ha Fläche die größte zusammenhängende Dattelpalmoase Marokkos ist. Wie hindert man ein Dromedar daran, nachts wegzulaufen und stellt dabei gleichzeitig sicher, dass es etwas zu fressen bekommt? Ganz einfach: ein Bein abknicken und festbinden. Denn auf drei Beinen kommt das Tier nicht weit, kann sich aber trotzdem bei der Futtersuche bewegen.
Uns hat vor allem die ganz besondere Stimmung in der Abend- und der Morgendämmerung fasziniert … und die absolute Ruhe. Es war eine sternklare Nacht mit einem einzigartigen Gefunkel am Himmel.
Was für ein Glück. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass in diesem Dünengebiet touristisch „aufgerüstet“ wird, also außer Dromedartouren inzwischen auch Ausfahrten mit dem Motorrad-, Quad- oder Geländewagen im Angebot sind. Das macht sicher Spaß, aber die Motorengeräusche und die Spuren im Sand können das eigentliche Wüstenerlebnis erheblich beeinträchtigen. Für uns hat sich das nicht als Problem erwiesen, weil wir außerhalb der Saison in Erg Chebbi unterwegs waren.
Um auch ein paar Eindrücke von Thailands Süden zu gewinnen, flogen wir aus Chiang Mai nach Bangkok zurück und von dort mit dem Zug nach Surat Tani, wo wir abgeholt und zum Racha Prabha See gebracht wurden. Er liegt in der Nähe des Khao Sok Nationalparks im Südwesten Thailands (auf der Seite der Adaman-See). Dort übernachteten wir auf einem schwimmenden Haus. Die Anfahrt mit dem Longtailboot ist fantastisch, man fährt durch spektakuläre Felsformationen, die hoch aus dem Wasser herausragen.
Wir haben von hier aus verschiedene Bootstouren und kleine Wanderungen unternommen. Abhängig vom Wasserstand wären auch Tubingfahrten (mit einem aufgeblasenen Gummireifen) möglich gewesen. Die Nacht auf dem Stausee ist einzigartig, auch wegen der Geräuschkulisse des Regenwalds. Das Zirpen der Zikaden, die Geräusche der Nashornvögel oder das Gekreische der Affen sind unvergesslich. Wie auf Kommando setzt gegen Abend das Schnarren, Kreischen, Rufen und Gluckern plötzlich ein, so dass man zunächst eine menschliche Quelle vermutet.
Mit dem Boot haben wir der Behausung von Waldarbeitern auf der gegenüberliegenden Seite einen Besuch abgestattet:
Dort in der Nähe gab es eine Tropfsteinhöhle, wo gerade die thailändischen Besucher gerne kleine Geldspenden hinterlassen – gut fürs Karma!
Die Übergangszeiten, also die Morgen- und Abenddämmerung, haben ein eigenen Charme in einer solchen Umgebung. Dann fühlt man sich der Natur besonders nah. Als wir mit dem Boot durchs Wasser glitten, wies unser Guide hier und da auf Tiere hin, die wir ohne ihn in dieser grünen Wand des tropischen Regenwalds niemals wahrgenommen hätten. Kleine Sehschule …
So schnell hatten wir vom Urwald noch nicht genug. Die nächsten Nächte waren wir in Holzhütten an einem Fluss am Rande des Khao Sok Nationalparks untergebracht. Hier konnten wir morgens und abends den Affen bei der Überquerung des Flusses zuschauen – zu unserer Verwunderung schwammen sie einfach hinüber, dabei nahmen die Großen die Kleinen huckepack. Ein frecher und ziemlich aggressiver Bursche wollte erst nach hartnäckiger Aufforderung von unserem Balkon weichen, er hatte unsere Kamera schon fest im Blick. Ich konnte ihn mit einer klaren Ansage („Ich Tarzan, du Jane!“) von seinem Vorhaben abbringen. Wir haben hier tolle Wanderungen durch den Dschungel und entlang von Flussläufen gemacht – ich durfte dabei u.a. hautnah Bekanntschaft mit Blutegeln machen. Bei den Wanderungen kommt es einem vor, als ob man durch einen riesigen tropischen Garten ginge – überall Lianen, Bambus und mit Farn und Moos bewachsene Baumstämme. Im Khao Sok Nationalpark sind außer den reichlich vorhandenen Affen auch Büffel, Bären und Wildhunde anzutreffen, angeblich sogar wilde Elefanten, schwarze Panther und Tiger. Heimisch sind hier außerdem Kobras und Königskobras – deshalb sollte man beim Wandern immer kräftig auftreten, um die Tiere zu warnen und unangenehme Begegnungen zu vermeiden. Wenn’s denn hilft …
Am Treppenaufgang zu unserer Hütte begrüßte uns an einem Abend eine fette Kröte, die sich selbst durch grelleres Licht nicht sonderlich beeindrucken ließ.
Der Schocker war allerdings eine handtellergroße Spinne, die Eva bei der morgendlichen Dusche begrüßte ;-). Im Dschungel schreien eben nicht nur die Affen ;-). Die Spinne machte übrigens beachtlich weite Sprünge, als ich sie entfernen wollte.
Unser Nachbar berichtete beim Frühstück von einer Schlange im Gebälk direkt über dem Bett seines Dschungelhauses. Aber dafür gibt es ja glücklicherweise Mückennetze, die nicht nur lästige Moskitos, sondern auch anderen unerwünschten nächtlichen Besuch im Bett verhindern.
Unsere letzte Station in Thailand vor dem Rückflug über Bangkok war eine kleine Insel in der Adaman-See, die zum Trang-Archipel (insgesamt 47 Inseln) gehört, Ko Ngai, auch Ko Hai genannt, etwa 40 Bootminuten vom Festland entfernt. Ihr wesentliches Kennzeichen ist – neben einem einladenden Strand und wunderschöner Umgebung –, dass sie große Ruhe verströmt. Dort gibt es nur eine überschaubare Hotelanlage mit mehreren kleinen Bungalows (nur abends Elektrizität) und ein paar weiteren Behausungen, die über die Insel verteilt sind und von Saisonarbeitern bewohnt werden. Hier wollten wir die zum Teil intensiven Erlebnisse unserer Reise in aller Ruhe Revue passieren lassen, gut essen, ein paar Spaziergänge machen, baden und schnorcheln und was man sonst so tut, wenn man nichts tut. Ein besonderes Schnorchelerlebnis ist das Eintauchen in eine eingestürzte Höhle, die man per Boot erreichen kann. Beim Zugang schwimmt man durch absolute Dunkelheit, um schließlich in gleißendem Sonnenlicht aufzutauchen (nur mit Guide möglich). Auf Ko Ngai hieß es also noch einmal richtig tief durchatmen, bevor es zurückging in die Alltagshektik und ins feucht-kühle Klima in Deutschland kurz vor dem 1. Advent …
Eine kleine Inselumrundung mit Kletterpartie über wackelige Stege inklusive Waransichtung an einem Tümpel haben wir natürlich schon gemacht. Schließlich wollten auch das Inselinnere und die ganz einsamen Strände erkundet werden. Außerdem schmeckt das Essen nach etwas Aktivität gleich doppelt so gut.
Man kann ja nicht den ganzen Tag immer nur die Füße in den Sand krallen 😉 .
„Rundreise“ ist im Grunde für diesen Beitrag nicht ganz passend, schließlich kann man in drei Wochen ein so großes Land wie Thailand nicht angemessen kennenlernen, wenn man nicht nur Sehenswürdigkeiten „abhaken“, sondern auch etwas erleben möchte. Und wenn man sowohl vom Norden wie auch vom Süden einen Eindruck haben möchte, sollte man längere Strecken per Flugzeug und/oder Nachtzug absolvieren. Inlandsflüge in Thailand sind sehr günstig, Nachtzüge ein tolles Erlebnis! Wir haben bei unserer Reise so ziemlich alles an Verkehrsmitteln genutzt, was zur Verfügung stand: Flugzeuge, Züge, Taxis, Tuk-Tuks, Kleinbusse, Schiffe und Boote, Fahrräder, Elefanten. Und natürlich spielten die eigenen Füße bei der Fortbewegung keine unerhebliche Rolle, wir sind nämlich sehr gerne per pedes unterwegs. Bei den Gefährten sieht man immer wieder originelle Modelle – ob dieses wohl tatsächlich aus der Stuttgarter Karossenschmiede kommt?
Von Bangkok aus fuhren wir zunächst mit einem Minibus Richtung Norden, mit einem Abstecher durch die Außenviertel der Metropole in die geschäftige Hafenstadt Samut Sakhon. Dort gibt es einen Großmarkt mit einer Besonderheit: Mitten durch den Markt führt ein Bahngleis, das bei erstem Hinsehen kaum zu entdecken ist. Wie auf ein geheimes Zeichen kommt aber dann plötzlich hektische Bewegung in die Szenerie, schattenspendende Markisen werden eingeklappt, Körbe und Auslagen mit Gemüse, Obst und frischem Fisch zurückgeschoben, unachtsame Touristen zur Seite gezogen … und ein gelber Stahlkoloss schiebt sich im Schritttempo durch das Gewusel. Wir sind also auf dem Zugmarkt (Train Market), wo der regelmäßig durchfahrende Zug bei ausländischen Besuchern zu Ausrufen des Erstaunens und offenen Mündern führt, aber für die hiesigen Standbesitzer und Kunden Normalität ist. Die Gebühren für die Standplätze am Gleis sind übrigens niedriger als die für die entfernteren, weil sie mit mehr Arbeit verbunden sind.
Diese für den ausländischen Besucher spektakuläre Aktion drängt das vielfältige und überbordende Angebot der Händler schon fast in den Hintergrund. Qualität und Frische sind Trumpf!
Der Train Market hat in unserer Erinnerung einen speziellen Platz, weil wir hier erstmals frittierte Heuschrecken gegessen haben. Gar nicht übel! Und auf jeden Fall gesünder als Kartoffelchips …
Unsere nächste Station war Kanchanaburi, ca. 140 Bahnkilometer nordwestlich von Bangkok. Die Region zählt zu den fruchtbarsten in Thailand, angebaut werden vor allem Baumwolle, Weizen, Zuckerrohr, Tabak und Cassava (= Maniok, in Lateinamerika: Yuca). Die etwa 40.000 Einwohner zählende Stadt ist nicht so interessant, hat aber historisch eine herausragende Bedeutung. Man kann hier ein Stück mit der sog. Todesbahn, die ursprünglich bis nach Burma ging, fahren. Es geht ein Stück am Kwai-Fluss (sprich: Kwä) entlang, über ein hohes Viadukt, das noch komplett aus dem ursprünglichen Baumaterial (Holz) besteht. Bei der rumpeligen Überfahrt hat man das Gefühl, die Konstruktion könnte jeden Moment in sich zusammenfallen.
Hauptattraktion des Ortes ist die Brücke am Kwai, die durch eine Romanverfilmung (1957, 7 Oscars) weltberühmt wurde. Das Werk veranschaulicht am Beispiel einer Gruppe britischer Kriegsgefangener die grausamen Bedingungen, unter denen die japanischen Besatzer im Zweiten Weltkrieg eine etwa 430 km lange Eisenbahnstrecke nach Burma bauen ließen. Ihr Zweck war die Versorgung der japanischen Truppen beim Angriff auf Burma. Allein bei den Arbeiten an dieser „Todesbahnlinie“ kamen 16.000 Kriegsgefangene der Alliierten (Briten, Australien, Niederländer und Amerikaner) und schätzungsweise 100.000 Zwangsarbeiter aus Burma, Indien, China, Indonesien, Malaysia und Thailand um. Sie starben an Unterernährung, Malaria, Cholera oder wurden aus nichtigen Gründen getötet. In Kanchanaburi gibt es ein kleines Museum (Thai-Burmese Railway Centre), wo dieses dunkle Kapitel der japanischen Besatzungsgeschichte in Form von Fotos, Schautafeln, Filmen und Briefen nachvollzogen werden kann. Nebenan liegt ein Friedhof mit Gräbern von britischen, australischen und niederländischen Soldaten. Er wird von der Commonwealth War Graves Commission unterhalten. Für die gestorbenen asiatischen Zwangsarbeiter gibt es keine Gräber, sie wurden irgendwo verscharrt. Eine neuere (2015) und ebenfalls äußerst eindringliche Darstellung der Situation der Kriegsgefangenen beim Bau der „Death Railway“ liefert Richard Flanagan mit seinem Roman „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ (The Narrow Road to the Deep North). Das Werk erzählt die Liebes- und Lebensgeschichte des tasmanischen Chirurgen Dorrigo Evans, der als Ranghöchster von 9.000 versklavten australischen Soldaten versucht, seine Kameraden vor dem brutalen Regime der japanischen Besatzer zu schützen. Ein berührendes Buch und ein echtes Meisterwerk der australischen Literatur!
Im Grunde handelt es sich bei der Brücke am Kwai um zwei Brücken. Die Originalbrücke war aus Holz. Sie wurde 1945 von amerikanischen Bombern zerstört. Die 50 m flussabwärts gebaute Stahlbrücke erhielt ebenfalls einen Bombentreffer und wurde 1946 repariert. Diese gilt heute als Brücke am Kwai und ist ein Touristenmagnet erster Güte. So mancher Touri stellt beim eifrigen Fotografieren überrascht fest, dass sie auch noch in Benutzung ist und gar nicht viel Platz zwischen der Waggonseite und dem Geländer ist ;-).
Die Nacht verbrachten wir in auf Pontons schwimmenden Häuschen, ein romantisches Kontrastprogramm zu den teils bedrückenden Gedanken des Tages. Hier wurde den Gästen je eine Hütte mit eigener Hängematte und Schwimmsteig vor der Tür zugewiesen. Die Anlage hat keine Stromversorgung, als Beleuchtung dienen kleine Öllampen, die in der Dunkelheit angenehm flackern. Nach dem Abendessen wurden traditionelle Mon-Tänze aufgeführt. Der Kwai-Fluss eignet sich durchaus zum Schwimmen, aber man muss die starke Strömung beachten, sonst im man im Nu an den Pontons „vorbeigesegelt“ …
Beim Landgang am folgenden Tag sahen wir am Ufer ein paar Elefanten mit ihren Führern, den Mahuts. Für uns eine gute Gelegenheit, Kontakt zu diesen wunderbaren Tieren aufzunehmen. Ein Pfad vom Ufer führte zu einer kleinen Siedlung, die wir uns ebenfalls angeschaut haben.
Reichlich Gelegenheit zum Baden hat man im Erawan Nationalpark mit dem gleichnamigen Wasserfall, unserer nächsten Station. Der Naturpark liegt noch in der Provinz Kanchanaburi. Der Wasserfall hat sieben Ebenen, zwischen der untersten und der obersten liegt eine Wanderstrecke von etwa 1.500 Metern (in gerader Falllinie sind es 500 Meter). Die Umgebung ist paradiesisch, in den meisten Becken kann man sich erfrischen. Wer empfindliche Füße hat, sollte achtgeben: Die Fische knabbern gerne an Hautpartikeln und machen keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauenfüßen!
Nach so viel Natur und Erholung war wieder Zeit und Energie für Kultur, die alte Königsstadt Ayutthaya ruft! Von 1350 bis 1767 war Ayutthaya die Hauptstadt Siams (wie Thailand bis 1939 hieß). 33 Könige residierten hier, bis die Burmesen die Stadt fast dem Erdboden gleich machten. „Ayutthaya“ bedeutet „Heilige Stadt“ und liegt am Zusammenfluss dreier Flüsse. Sie war das Zentrum eines prächtigen Königreiches, wo die Elefanten aus goldenen Trögen fraßen. Heute ist Ayutthaya, nur 70 Bahnkilometer nördlich von Bangkok gelegen, eine eher unauffällige Provinzstadt, die vom Glanz früherer Tage lebt. Sie gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wegen der Vielzahl an farbenreichen Chedis (einer Art Tempel) und Palästen lohnt sich ein Spaziergang auf dem weitläufigen Ruinengelände unbedingt. Natürlich kann man das Besuchsprogramm auch auf einem Elefantenrücken absolvieren.
Von Ayutthaya fuhren wir mit dem Nachtzug nachChiang Mai, ein kleines Abenteuer. Die Strecke ist 520 km lang, man braucht dafür laut Fahrplan 9.40 Stunden. Aber mit den Plänen ist das manchmal so eine Sache … Wir kamen nach etwa 11 Stunden am Zielort an. Der Zug rumpelte zeitweilig mit 30 oder 40 km/h vor sich hin und hielt zwischendurch immer mal aus uns nicht ersichtlichen Gründen auf freier Strecke an. Erfreulicherweise ließen sich die Sitze nachts zu Liegen umklappen, so dass man ruhen konnte. Wir denken gerne an die gute Stimmung unter uns Reisenden aus aller Herren Ländern zurück, weniger gern an die hygienischen Verhältnisse.
Und die müden Glieder konnten sich in der nächsten Nacht wieder gut erholen.
Der „klassische Thailand-Tourist“ hält sich normalerweise in Bangkok und an den wunderschönen Stränden im Süden Thailands auf: Pattaya, Ko Samui … Der Norden des Landes hat bedeutend weniger Touristen als der Süden. Er erfreut sich allerdings bei Naturliebhabern und Trekkinganhängern zunehmender Beliebtheit. Nordthailand ist weniger zugänglich, satt-bewachsene Hügel und Berge (hier findet sich der höchste Berg, Doi Inthanon, 2.563 m), schmale Bergpfade, fruchtbare Täler und dichte Dschungel bestimmen das Bild. Die Bewohner des Nordens sind ein buntes Völkergemisch aus den vielen Bergstämmen und den Nord-Thais. Die Bergvölker, mehr als eine Million Menschen, sprechen eigene Sprachen und haben ihre eigenen Traditionen und Lebensweisen. Nordthailand war als Teil des „Goldenen Dreiecks“ (mit Laos und Myanmar) lange Zeit als Zentrum der Opiumproduktion berüchtigt, und der Schlafmohnanbau war das Hauptbetätigungsfeld der Bergvölker. 2003 wurden im Rahmen einer Regierungsinitiative mehr als 2.000 tatsächliche und vermeintliche Drogenhändler erschossen. Seitdem spielt die Opiumgewinnung in dieser Region keine besondere Rolle mehr.
Die Thais nennen Chiang Mai „Rose des Nordens“. Laut offizieller Statistik hat die Hauptstadt des Nordens 135.000 Einwohner, Kenner gehen jedoch vor dem Hintergrund vieler unregistrierter Zuzügler von 350.000 aus. Chiang Mai ist Universitätsstadt und bietet viele Alltags-Annehmlichkeiten einer Großstadt, ebenso Kultur. Auch eine der insgesamt 140 deutschen Auslandsschulen befindet sich hier. Ein Besuch des Nachtmarkts (Night Market), der sich über weite Teile der Innenstadt erstreckt, lohnt sich unbedingt.
Für uns war Chiang Mai Ausgangspunkt für zwei Exkursionen. Dabei handelte sich zum einen um den Besuch eines Elefantencamps inkl. Ausritt, zum anderen eine Trekkingtour mit Übernachtung bei einem Bergvolk. Im Elefantencamp werden die grauen Riesen zu nützlichen und verlässlichen Waldarbeitern ausgebildet. Aber es gibt bedeutend mehr Elefanten, als sie im Wald einsetzbar wären. Mit zirkusähnlichen Darbietungen vor zahlendem Publikum und Ausritten in den Dschungel versuchen die Mahuts (Elefantenführer) sich und ihren Tieren ein Auskommen zu sichern.
Die Trekkingtour führte uns zu einer Siedlung des Palong-Stammes. Wir waren in einer kleinen Gruppe mit sechs Personen plus Guide unterwegs. Die Tour musste vorher bei den Behörden angemeldet werden, weil es in Ausnahmefällen zu unangenehmen Begegnungen mit Drogenkurieren oder Edelholzdieben kommen kann. Es war eine sehr schöne mehrstündige Wanderung, eine eindrückliche Begegnung mit Menschen eines vollkommen anderen Kulturkreises – und eine etwas unruhige Nacht in einer einfachen Hütte auf einer Matte auf dem Boden (Gemeinschaftsunterkunft). Zurück in die Zivilisation ging es mit dem Floß.
Dieser etwa 25 cm lange Gekko am Balken oberhalb der Schlafstätte der Engländerin in unserer Gruppe war der Aufreger der Nacht. Sie war aufgewacht und schaute direkt in die glitzernden Augen der harmlosen Echse. Da war’s endgültig vorbei mit der Nachtruhe, die ohnehin durch die ungewohnte Dschungelgeräuschkulisse beeinträchtigt war 🙂
Bei dieser 8-Millionen-Stadt geht’s schon gleich mit einem Superlativ los: Der offizielle zeremonielle Name lautet nämlich in lateinisch transkribierter Form:
168 Buchstaben … Kein Ort hat mehr. Als Kurzübersetzung gilt Stadt der Engel. Bleiben wir im schnelllebigen Digitalzeitalter lieber bei der gängigen Bezeichnung! Bangkok ist übrigens erst seit Ende des 18. Jahrhunderts Hauptstadt, vorher war es Ayutthaya. Die alte Königsstadt wurde 1767 von den Burmesen erobert und größtenteils zerstört. Bangkok bildete sich in der Folge als vor militärischen Attacken sicherere Alternative heraus.
Nach einem ca. 15-stündigen und 9.000 km langen Flugvon Frankfurt kamen wir am Spätnachmittag in Bangkok an, wurden von einem Fahrer am Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht. Unsere ersten Eindrücke auf der Fahrt: Ganz schön was los hier, Hektik und Stau auf den Straßen. Wir waren zentral untergebracht, in einem Hotel direkt am mächtigen Chao Praya Fluss, nur wenige Gehminuten von der weltberühmten Khao San Road entfernt. Und die haben wir uns nach einer Dusche und einem Päuschen am Abend noch näher angeschaut. Die Khao San hat eine wechselvolle Geschichte. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten als DER Treffpunkt für internationale Traveller entwickelt, spätestens seit hier ein paar Szenen für „The Beach“ mit Leonardo di Caprio gedreht wurden (1999). Die meiste Zeit geht es hier turbulent zu, das wollten wir uns gleich nach dem Einchecken anschauen, bevor uns die Müdigkeit der Anreise einholte. Die Massen schieben sich durch die Straße – Bars, Restaurants und Imbisse, Stände, wo man u.a. frittierte Insekten (Grillen, Heuschrecken, Skorpione, Maden …) zum Knabbern oder auch Zeugnisse und Ausweisdokumente kaufen kann. Aber wir wollen erstmal nur gucken, kosten kommt später ;-). Natürlich haben wir mit Blick auf das vielfältige Ess- und Trinkangebot noch ein paar Ratschläge im Kopf. Links und rechts immer wieder ein „Guesthouse“, das mit günstigen Übernachtungspreisen wirbt. Von überall her wummert Musik, immer wieder schiebt sich ein knatterndes Moped durch die Menschentrauben. Für europäische Ohren ein Frontalangriff auf die Sinne, und ein guter Vorgeschmack darauf, wie es insgesamt in Bangkok zugeht. Und drückend warm ist es, schnell klebt die Kleidung am Körper.
Am nächsten Morgen, frisch geduscht und gesättigt vom ausgezeichneten Frühstück, wollen wir zunächst ein paar bekannte Sehenswürdigkeiten aufsuchen. Einige lassen sich bequem zu Fuß erreichen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Fußgänger in Bangkok als notwendiges Übel betrachtet werden und mithin keine Rücksicht von den anderen, PS-stärkeren Verkehrsteilnehmern erwarten können. Man muss also wach und schnell sein und die Hackordnung beachten. Auch Abgas- und Feinstaubstandards, wie wir sie aus europäischen Großstädten kennen, sind für Thailand unüblich. Als alternatives Verkehrsmittel bieten sich neben regulären Taxis die schnellen Tuk-Tuks, eine Art Moped mit Kabine, an. Tuk-Tuk-Fahrten sind ein Riesenspaß, treiben aber gelegentlich den Adrenalinspiegel hoch – nicht nur, weil die Fahrer manchmal halsbrecherische Abkürzungen nehmen, sondern auch oft völlig überzogene Preisvorstellungen haben, selbstredend nur bei Touristen. Längere Strecken lassen sich gut mit dem Wassertaxi bewältigen. Der „Klassiker“ ist das sog. Longtailboat, das in aller Regel mit einem LKW-Motor ausgestattet ist und das Wasser lautstark durchquirlt.
Bangkok hat derart viel Sehenswertes, dass man im Rahmen eines normalen mehrtägigen Touristenaufenthalts kaum eine Chance hat, einen umfassenden Überblick zu bekommen. Eine auf jeden Fall wichtige Anlaufstation ist ein großer Rasenplatz im ursprünglichen Kern der Stadt, Sanam Luang. Hier werden traditionell königliche Zeremonien abgehalten werden, beispielsweise Huldigungen zum runden Geburtstag. Aber hier können auch Besucher der Stadt ein Picknick abhalten.
Blick vom Sanam Luang auf Wat Phra Kaeo/Grand PalaceDer nicht mehr als Wohnsitz der königlichen Familie genutzte Gebäudekomplex „Grand Palace“
Um den Sanam Luang herum sind diverse Monumente, Tempel und Institutionen angesiedelt, allen voran der Grand Palace. Wer diese Anlage besuchen möchte, muss eine „schickliche“ Kleiderordnung beachten, unbedeckte Schultern bei den Damen oder haarige Männerbeine in kurzen Hosen sind unerwünscht. Respekt- und achtlose Zeitgenoss/inn/en können sich aber die entsprechende Garderobe vor Ort für ein Entgelt leihen – manchmal mit modisch fragwürdigem Ergebnis:
Anstehen für den GarderobenwechselNicht schön, aber funktional 🙂
Die Anlage des Grand Palace bedeckt eine Fläche von knapp 220.000 qm, ihre Mauereinfassung ist etwa 2 km lang. Sie gehört zu den absoluten Höhepunkten der thailändischen Kultur und ist ganzjährig gut besucht. Es finden laufend Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten statt. Uns haben dort zwei „Wats“ besonders beeindruckt, nämlich der Wat Phra Kaeo und der Wat Po. Norddeutschen mag das „Wat(t)“ zwar leicht von den Lippen gehen, es bedeutet jedoch in buddhistischen Ländern wie Laos, Kambodscha oder Thailand etwas gänzlich anderes: Unter „Wat“ versteht man hier einen von einer Mauer umgebenen, normalerweise religiös genutzten Gebäudekomplex. Der Wat Phra Kaeo ist ein Heiligtum des thailändischen Buddhismus. Er beherbergt den Emerald Buddha (smaragdener Buddha), der tatsächlich aus Jade besteht. Er wird dreimal im Jahr im Rahmen einer Zeremonie in eine festliche saisonale Kleidung (Sommer, Regenzeit, Winter) gehüllt. Der Wat Phra Kaeo ist im Grunde eine buddhistische Tempelanlage ohne Wohnquartier. Es finden sich hier immer Buddhisten zum Gebet ein – die Füße stets von der Buddha-Figur abgewendet, weil die Fußunterseite in ihrer Glaubensvorstellung am weitesten von der Seele entfernt und damit „unrein“ ist. Im Tempel herrscht striktes Fotografierverbot. Das Gebäude ist auch von außen sehr beeindruckend, insbesondere die furchteinflößenden steinernen Tempelwächter (Yaks) und die zierlich anmutenden Fabelwesen mit der Bezeichnung „Kinari“: halb Mensch, halb Reh.
Ebenso die Wandmalereien, die historische und mythologische Szenen sowie Eindrücke aus dem Palastleben darstellen:
Der Wat Po beherbergt einen 45 m langen und 15 hohen, mit unzähligen Goldplättchen verzierten Liegenden Buddha. Die Figur soll den Moment des Übergangs ins Nirvana darstellen. An ihren Füßen sind symbolisch die 108 Zeichen eingearbeitet, an denen man den „Erleuchteten“ erkennen kann.
Bei dieser Fülle an Fantasie und Kreativität ist es dann nur konsequent, selbst die Eintrittskarten in ansprechender Grafik zu gestalten:
Es ist keineswegs so, dass nur an diesen prominenten Orten Glaube und Spiritualität zur Schau gestellt würde. Der Buddhismus ist überall im Land präsent, etwa 94 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten. Ihr Glaube wird der sog. „Theravada-Schule“ zugerechnet und enthält Volksreligion-Elemente wie Ahnenverehrung, lokale Naturgeister, astrologische und numerologische Vorstellungen etc. Der Buddhismus ist fester Bestandteil des Thai-Alltags, allerorts gibt es Möglichkeiten für Gebet und Fürbitte.
Mönche genießen eine hohe Wertschätzung, für sie sind zum Beispiel immer Plätze in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Wartebereich von Flughafen-Abflughallen reserviert. Kein normaler Thai würde es wagen, sich dort hinzusetzen. Das Töten von Tieren innerhalb eines bestimmten Umkreises eines Tempels ist verboten. Religiöse Ämter sind übrigens ausschließlich Männern vorbehalten, in Thailand gibt es beispielsweise keine Frauenorden oder -klöster. Frauen dürfen Mönche nicht berühren oder ihnen direkt Gegenstände oder Essen überreichen – das muss immer durch Männerhand geschehen. Nach einer versehentlichen Berührung muss sich der Mönch einer Reinigungsprozedur unterziehen. Interessanterweise haben Buddha-Darstellungen oftmals eine weibliche Anmutung …
Nicht nur im Zusammenhang mit religiös geprägten Verhaltensregeln wird auch von Besuchern des Landes Respekt und Achtung erwartet. Die Ehrerbietung und Demut des thailändischen Volkes gegenüber dem König und seinem Gefolge scheint für rationale Gemüter aus der westlichen Kultur schwer nachvollziehbar. Über Jahrzehnte besonders beliebt beim Volk war Rama IX. (Bhumibol der Große), der die Geschicke des Landes von 1950 bis zu seinem Ableben im Jahr 2016 lenkte und selbst in politisch turbulenten Zeiten stets als Integrationsfigur anerkannt war. Bis zu seinem Tod war sein Abbild in der Öffentlichkeit stets präsent.
Eine auch nur annähernd vergleichbare Beliebtheit lässt sich bei seinem Nachfolger Rama X. nicht feststellen. Er residiert die meiste Zeit fern von der Heimat in einem Garmischer Luxushotel und macht in erster Linie durch Skandale auf sich aufmerksam. Schlagzeilen wie „Wird er seine Geliebte zur Zweit-Königin machen?“ oder „Hat er seine Schwester verprügelt?“ prägen das Bild. Gleichwohl gilt ebenso für ihn wie seine Familie das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, aufgrund dessen Kritiker zu langen Haftstrafen verurteilt werden können. Daher heißt auch für Thailand-Besucher die Maxime: keine kritischen oder gar abfälligen Bemerkungen über den Regenten und seinesgleichen!
Ein krasses Gegenbild zu Glanz und Glitter findet man beispielsweise in einigen Gegenden von China-Town. Die Thai-Chinesen, hauptsächlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert eingewandert, bilden zwar die größte ethnische Minderheit in Thailand, aber die Einwohnerzahl von Samphanthawong (dieses Viertel wird als „China-Town“ bezeichnet) nimmt kontinuierlich ab. China-Town ist nicht mit dem Skytrain (elektr. Hochbahn) erreichbar, wohl deshalb kommen nicht so viele Touristen hierher, sondern eher Thais zum Einkaufen. In diesem Stadtteil geht’s eng zu, unmittelbar an den von Autos befahrbaren Straßen ist der Lärm ohrenbetäubend, die „Luft“ aus Blei. In den Seitengassen befinden sich dicht an dicht kleine Läden und Stände mit typisch südostasiatischem Billigzeug, Restaurants und Imbisse. Uns haben die Straßenzüge fasziniert, wo Schrottfahrzeuge in kleinste Einzelteile zerlegt und zum Verkauf angeboten werden. Nachhaltiger geht’s kaum …
Früher galt Bangkok als „Venedig des Ostens“ – dieser Begriff wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Wenn man bedenkt, dass die erste „richtige“ Straße erst um 1860 gebaut wurde, ist das nachvollziehbar. Damals wurde das öffentliche Leben durch den Chao Phraya Fluss und die Wasserkanäle, die Klongs, bestimmt. Im Zuge der Urbanisierung wurden viele Wasserwege zugeschüttet und Straßen gebaut, mit den üblichen Folgeerscheinungen, wie etwa Überflutungen bei Hochwasser. Trotz U-Bahn und Skytrain ist der Fluss nach wie vor ein wichtiger Verkehrsweg. Er ist schlammig-grau, soll aber recht sauber sein. Fahrten auf dem Chao Praya und durch die Klongs erlauben spannende Einblicke in den Alltag vieler Thais. Dabei nicht vergessen: Fischefüttern ist gut fürs Karma!
Eine weitere spannende Möglichkeit, die Stadt zu erkunden, ist eine Fahrradtour! In Anbetracht unserer ersten Eindrücke von der Verkehrssituation waren wir zwar zunächst skeptisch, aber bekanntermaßen macht nur der Versuch klug – er stellte sich als voller Erfolg und großer Spaß heraus. Wir waren mit einer kleinen Gruppe und mehreren Guides unterwegs. Wenn man eine Straße überqueren muss, stellen die Guides (gut sichtbar in ihren grellgelben T-Shirts) todesmutig einfach ihre Räder quer auf die Fahrbahn und halten die Autos an, bis die Gruppe sicher auf der anderen Seite angekommen ist. Wir waren sowohl in den Wohnvierteln wie auch im Außenbezirk auf einer Bananenplantage mit den Rädern „on the road“. Als wir gerade mit einem Boot auf die andere Seite eines größeren Klongs übersetzten, wurden wir von einem Regenschauer überrascht. Wenn’s hier regnet, dann aber auch aus Kübeln. Aber unsere Guides waren auch auf dieses (alltägliche) Ereignis vorbereitet – bei den ersten Tröpfchen verteilten sie Regenhüllen.
Immer gut und entspannend, besonders nach einer Radtour, ist eine Massage, die man fast überall genießen bekommen kann, wo etwas los ist. Die Thais sind wahre Meister dieser manchmal etwas rustikal wirkenden Entspannungstherapie. Um sie zu genießen, sollten man in Hygienefragen nicht übermäßig empfindlich sein.
Selbstverständlich hat Bangkok auch all die vielen Einkaufsmöglichkeiten anderer Weltmetropolen. Die Kaufhäuser, Shopping Malls, Spezial- und Luxusläden dieser Welt werden einander ja immer ähnlicher. Die größte zusammenhängende Einkaufszone der Stadt befindet sich zwischen dem Mah Boonkrong Shopping Centre an der Phya Thai Road und dem Gaysorn Plaza an der Rajdamri Road – hier kann man auf einer Fläche von etwa 3 Quadratkilometern vom Turnschuh bis zum Maserati alles kaufen, was das Shopperherz höherschlagen lässt und die Kreditkarte zum Glühen bringt. Und spätestens hier wird dann klar, dass das moderne Bangkok neben Buddha noch einer anderen Gottheit frönt: dem Mammon. Und die Türme des Kommerzes sind schon längst über die Tempel hinausgewachsen.
Das Frühjahr 2011 war bei uns beiden mit viel Arbeit verbunden. Daher war uns nach Sonne und Erholung, aber nicht unbedingt nach Pauschalurlaub am Strand. Außerdem waren unsere beiden Söhne schon (fast) erwachsen. Warum also nicht zu zweit ohne viel Vorbereitung und Organisation ins Tropisch-Warme auf Entdeckungstour gehen? Schnell waren mit ein paar Klicks Flüge nach Miami und ein Mietauto (einen Ford Fusion) gebucht, alles andere wollten wir vor Ort und nach Lust und Laune entscheiden.
Dabei kam dann diese Route im Südzipfel des Sunshine State heraus:
Von Key West nach Havanna sind’s nur etwa 100 Meilen …Start- und Endpunkt unserer Tour: Miami
Unsere Unterkünfte haben wir von Mal zu Mal über Buchungsplattformen herausgesucht und gebucht. Dabei machten wir ganz überwiegend positive Erfahrungen. Es waren Herbergen dabei, bei denen wir uns in unserer legeren Kleidung kaum zum Einchecken ins Foyer wagten (aber trotzdem freundlich empfangen wurden). Dort war zu unserer Überraschung das vor Ort gebuchte Frühstück teurer als die Übernachtung. Zu den schlechteren Erfahrungen gehörte ein Motel mit niedrigem Hygienestandard und nur einer Steckdose im Zimmer. Da wurde dann das Trocknen der Haare zur Herausforderung :-).
Zum Zeitpunkt unserer Rundreise im Mai 2011 waren die Vereinigten Staaten noch sichtlich gebeutelt von der Finanzkrise 2008. Das hatte für uns durchaus Vorteile, weil wir von einem günstigen Dollarkurs und insgesamt wenig Tourismusaktivitäten profitierten. Es war überall spürbar, dass die Wirtschaft nicht gerade „brummte“ – und der Sunshine State gehörte zu den am härtesten getroffenen Regionen, die Arbeitslosenquote lag beispielsweise bei 11 Prozent. Am augenfälligsten war die Misere für uns am Beispiel der Immobiliensituation. Die Haus- und Grundstückspreise waren seit 2008 um mehr als die Hälfte eingebrochen, das Überangebot daher immens. „For Sale“-Schilder prägten das Straßenbild. Das veranlasste einen Makler sogar dazu, seine Immobilien wie Billigklamotten in S, M, L und XL feilzubieten.
Tja, und wer zu diesem Zeitpunkt Mut und Kapital hatte, konnte zum Schnäppchenpreis ein Feriendomizil erwerben …
Unser erstes größeres Ziel war Key West, der legendäre südlichste Punkt Floridas und der USA. Die Fahrt ist eine reine Freude. Vom Festland aus geht es ca. 180 km lang von Insel zu Insel, über 42 Brücken immer die Overseas Highway entlang. Die spektakulärste Brücke ist die 11 km lange Seven Mile Bridge. Viele der insgesamt 1.000 Kalkstein- und Mangroveninseln sind nicht bewohnt. Die größte bewohnte Insel ist Key Largo, wo viele auf dem Festland lebende Pendler und Rentner leben.
Man kann (und sollte!) die Fahrt immer mal wieder unterbrechen, um zu baden und das Strandleben zu genießen, zu bummeln und einzukaufen, etwas zu sich zu nehmen, Menschen und Tiere zu beobachten, kurz: dem besonderen „Key Spirit“ nachzuspüren. Wir nahmen uns drei Tage Zeit für die Keys und verbrachten zwei Nächte in Marathon (10.000 Einwohner), auf etwa halber Strecke. Unseren ersten Stopp legten wir bei brütender Hitze im John Pennekamp State Park (Key Largo) ein. Uns haben vor allem die Mangroven dort beeindruckt. Diese einzigartige Baumart, die im Salzwasser wachsen kann und eine wichtige Nahrungsquelle für andere Pflanzen und Tiere ist, hat eine überragende Bedeutung als Sturm- und Wasserbrecher.
Das wohlklingende Islamorada gilt als Zentrum der Mittleren Keys. Hier, genauer gesagt bei MM 81,5 (Mile Marker, gezählt wird ab einer bunten Betonboje bei Key West), gibt es den Wordwide Sportsman, ein Muss nicht nur für Angler. Denn der „Sportsman“ ist nicht nur das weltgrößte Angelkaufhaus der Welt. Unmittelbar darüber befindet sich die Zane Grey Long Key Lounge, von deren Rundumterrasse man einen fantastischen Blick auf das Gelände und die Hafenanlage hat. Dort tummeln sich viele Fische, von denen die bis zu 2,5 m langen Tarpune besonders auffällig sind.
Die Kombination „Angeln – Fisch“ ist – zumindest für uns – unmittelbar mit der Assoziation „essen“ verbunden. Wir sind einem Tipp gefolgt, der nicht gerade als „geheim“ zu bezeichnen wäre, denn das Keys Fisheries Restaurant, „located in the heart of the Florida Keys just north of the 7 Mile Bridge“, gilt als das beste Fischrestaurant der Gegend. Es geht etwas rustikal zu, man bestellt an der Theke und wird dann zur Abholung aufgerufen. Daumen hoch für: Man sitzt beim Essen fast immer direkt am Wasser und, nicht unwesentlich, die Qualität ist hervorragend. Dann darf es auch mal Hummer sein. Eva hatte einen Lobster Wrap, ich einen Lobster Reuben (das ist so eine Art überdimensionales Sandwich), Beilagen dazu … Wenn man dann noch ein kühles Bier in der Hand und den Sonnenuntergang im Gesicht hat, kann’s kaum noch besser werden. We loved it!
Key West ist im 19. Jahrhundert durch Fischerei, Naturschwammtauchen und eine Ananasfabrik zu bescheidenem Wohlstand gekommen, auch als Zwischenstopphafen für Liniendampfschiffe in Richtung Karibik. Das zeigt sich beispielsweise an den Gebäuden.
Auf jeden Fall umgibt diesen Ort eine spezielle Atmosphäre. Hier leben die sogenannten „Conchs“ (sprich „Konks“) – man hat sich nach der Muschelart benannt, die in früheren Zeiten eine wichtige Rolle für die Fischerei spielte. Key West ist heute ein Sammelpunkt für Alteingesessene, Künstler, Studenten, Kuba-Flüchtlinge und Sonnenhungrige unterschiedlichster Couleur. „Fun“ hat einen hohen Stellenwert. Für uns wurde das bei einem für wohltätige Zwecke veranstalteten „Betten-Rennen“ deutlich, ein Riesenspaß auch für die Umstehenden.
Natürlich steht Key West mit seinen 26.000 Einwohnern nicht nur für Spaß und Müßiggang, sondern auch für Kultur. Besonders stolz ist man darauf, dass der Pulitzer- und Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway (1899-1961) hier fast 10 Jahre zu Hause war und beispielsweise „Die grünen Hügel Afrikas“, „Wem die Stunde schlägt“ und „Der alte Mann und das Meer“ verfasste. Das Haus, wo er mit seiner zweiten Frau Pauline lebte, ist als Privatmuseum erhalten und zum Teil mit Originalmöbeln bestückt. Ein Besuch lohnt sich, ebenso wie ein Spaziergang durch die Gartenanlage.
Die Faszination des Schriftstellers liegt sicherlich wesentlich in seiner Persönlichkeitsstruktur begründet. Ich (W.) habe anlässlich unseres Besuchs des Hemingway-Hauses in mein Reisetagebuch notiert:
Hemingway litt ganz offensichtlich an manischer Depression. Krankhafte Sucht, sich Gefahren auszusetzen, um Grenzerfahrungen zu machen und dadurch das Leben zu spüren. Hat sich schon mit 18 als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg gemeldet; Korrespondent im Spanischen Bürgerkrieg; Großwildjäger. 4 Frauen – 3 Ehen hielten nicht länger als 4 Jahre. Als Partner quälend schwierig, als Vater ein Totalausfall. Morgens schreiben, nachmittags fischen, abends saufen im Sloppy Joe.
Was wäre Florida ohne die Everglades? Wie Venedig ohne Wasser. Schließlich sind die Everglades das größte subtropische Feuchtgebiet Nordamerikas mit über 600 Fisch- und 350 Vogelarten. Sie sind ein Ökosystem mit Mangrovenwäldern, Pinienwäldern und Sümpfen und haben eine riesige Flächenausdehnung, ca. 20.000 km², vom Lake Okeechobee bis zu den Ten Thousand Islands im Südwesten Floridas. Das Wasser ist im Prinzip ein langsam fließender 80 km breiter Fluss mit einem Wasserstand von nur 15 cm. Wie die meisten Biotope sind die Everglades in einer prekären Lage. Es drohen Austrocknung und Verschmutzung, viele Tiere und Pflanzen sind vom Aussterben bedroht. Wir wollten darüber mehr erfahren und besuchten, nachdem wir die Keys verlassen hatten, den Everglades-Nationalpark im Südwesten Floridas. Bevor man die Gegend auf Trails und Stegen selbst erkundet, ist es ratsam, im Besucher-Zentrum vorbeizuschauen. Hier wird Wissen unterhaltsam und kurzweilig in unterschiedlichen medialen Formen dargeboten. Dabei haben wir viel gelernt. Neu war zum Beispiel für uns, dass es außer Alligatoren auch Krokodile gibt. Diese kann man aus nächster Nähe in freier Natur erleben – natürlich stets mit dem gebührenden Abstand. In den trockeneren Gefilden sollen auch Pumas unterwegs sein. Kinder unter 12 sollte man dann wohl anleinen 🙂
Anderenorts trafen wir auf „Gators“, die nicht beißen. Warum man die wohl nicht füttern darf?
Unsere nächste größere Station war die Region um Naples an der Westküste Floridas, eine sehr wohlhabende Gegend. Edle und moderne Häuser, Villen und Ferienanlagen, exzellente und äußerst gepflegte Infrastruktur und öffentliche Anlagen, schier unbegrenzte Freizeit- und Shoppingmöglichkeiten, kilometerlange Strände mit feinstem Sand und türkisgrünem Wasser: Vanderbuilt Beach, Bonita Beach, Fort Myers Beach, Bowman’s Beach, Captiva Beach, um nur wenige zu nennen. Man kann gut nachvollziehen, dass man hier zumindest ein Ferienhaus und ein Boot haben möchte, wenn man hier schon nicht dauerhaft wohnen kann 😉 . Trösten wir Normalos uns damit, dass auch der schönste Strand alltäglich wird, wenn er direkt vor der Haustür liegt und in leicht erreichbarer Nähe fünfzig weitere sind. Hier ein paar Eindrücke vom Paradies für Strandspaziergänger, Muschelsucher und Sonnenanbeter:
Ob wohl der Erfinder Thomas Aiva Edison (1847-1931) und der Automobilhersteller Henry Ford (1863-1947) ähnliche Überlegungen angestellt haben, als sie sich ihre Winterquartiere am McGregor Boulevard bei Fort Myers einrichteten? Auf jeden Fall bei Edison dürfte beim Besuch des weitläufigen Geländes mit Wohngebäuden, Labor und botanischem Garten schnell klar werden, dass der Mann nicht etwa Dolce Vita im Sinne hatte, als er sich – auf Anraten seines Arztes – mit seiner Familie hier ansiedelte. Den Swimmingpool ließ er auf Drängen seiner Frau bauen, genutzt hat er ihn selbst nicht. Und den botanischen Garten ließ er vor allem deshalb anlegen, weil er die Pflanzen für seine Experimente nutzen wollte. Er widmete seine ganze Kraft dem Forschen und Entwickeln und hat im Laufe seines Lebens weit über 1.000 Patente angemeldet. Er erfand u.a. den Phonographen, Portland Zement, verschiedene Latexprodukte und gilt als Wegbereiter des Telefons und der Schreibmachine. Auch haben wir ihm die 35-Millimeter-Filmtechnik zu verdanken. Im Gegensatz zu Edison verbrachte Ford nur in der kalten Jahreszeit gelegentlich Zeit auf seinem sonnigen Wohnsitz. Der Erfinder des Model T und Vater der industriellen Massenfertigung gilt in der Gesamtbetrachtung als bedeutend widersprüchlicher als sein Nachbar Edison. Einerseits führte er schon früh den Achtstundentag ein und zahlte Löhne weit über Durchschnitt, andererseits bekämpfte er in seinen Fabriken rigoros Gewerkschaften und war ein glühender Antisemit. Ob deshalb ein Ford-Portät Adolf Hitlers Büro in der NSDAP-Zentrale in München zierte?
Es ist ein großes Vergnügen, mit dem Auto an der Südwestküste Floridas entlangzufahren und sich einfach von Ort zu Ort, von Insel zu Insel treiben zu lassen. Oder vielleicht mit einer Harley?
Ein wirklich schönes Fleckchen Erde, wo Karibik und westlicher Komfort eine einzigartige Sympbiose eingegangen sind und an 361 Tagen im Jahr die Sonne scheint. Zwischen dem Endpunkt des Everglades Parkway in Naples und der Mündung des Suwannee River kurz hinter Cedar Key liegt ein etwa 300 km langer Küstenabschnitt mit grandiosen palmengesäumten Stränden, vorgelagerten (Halb-)Inseln, Haffs und Buchten, Korallenriffs, imposanten Städten und verschlafenen Siedlungen, der seinesgleichen sucht. Ein wesentlicher Unterschied zu Floridas Ostküste besteht in der weitgehenden Abwesenheit des Protzig-Lauten, das das östliche Pendant auszeichnet. Es fällt schwer, einzelne Orte hervorzuheben. Ist der unverbaute Bowman’s Beach (Sanibel) wirklich schöner als der Captiva Beach (auf der gleichnamigen Insel)? Das liegt wohl im Auge des Betrachters. Und wenn wir mal längere Zeit in dieser Region verbringen würden? Uns hat Sarasota beeindruckt: nicht zu groß, 50 km Strände, Inseln ohne Hochhäuser und Apartmentblocks, stattdessen Holzhäuser und kleine Strandhotels. Und eine eingängige Geschichte: Sarasota wurde bekannt durch John Ringling (Sohn eines deutschen Ledermachers), den Gründer des größten Zirkus der Welt, Barnum & Bailey. Er ließ hier 1926 für seine Frau Mable das dem venezianischen Dogenpalast nachempfundene Cà d’Zan errichten, das das Paar dann als Wintersitz nutzte.
Sarasota liegt etwas südlich von St. Petersburg, der Nummer eins der Kunstszene von Florida. Wir wollten dem Salvador DalíMuseum einen Besuch abstatten. Schon die Anfahrt ist beeindruckend. Man fährt über kilometerlange Brücken quasi mitten durchs Meer, von Norden (Tampa) kommend beispielsweise über die Howard Franklin Bridge, aus dem Süden über die Sunshine Skyway Bridge. Das Museum gilt mit über 90 Ölgemälden, 100 Aquarellen und Zeichnungen, 1.300 Grafiken, Fotografien, Skulpturen und weiteren Kunstobjekten als größte Sammlung des Surrealisten außerhalb Spaniens. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie Inhalt und Form zu etwas neuem Ganzen verschmelzen können. Mit der Werkschau und den gut aufbereiteten Zusatzinformationen über Dalí bekommt man einen hervorragenden Eindruck von seiner persönlicher und künstlerischen Entwicklung. Das Gebäude besteht in dem Teil, das die Kunst beherbergt, vorwiegend aus dickem Sichtbeton. Damit sind die Werke hurricansicher. Das Atrium ist aus über 1.000 unterschiedlich großen Glasdreiecken zusammengesetzt, die von innen und außen immer wieder andere Lichtreflexe erzeugen. Als wir dort waren, zog gerade ein Gewitter mit heftigen Regengüssen über das Gebäude. Ein Erlebnis der besonderen Art.
Nach diesem Kultur-Highlight – und einem weiteren Strandbesuch (Fort De Soto State Park, Tierra Verde) – mussten wir wieder den Rückweg an die Ostküste antreten, auf nach Fort Lauderdale, das amerikanische Venedig. Der Verkehr auf dieser Seite Floridas ist bedeutend dichter. Im Grunde ist ja der ganze südöstliche Küstenabschnitt eine einzige urbane Zone, die Städte gehen ineinander über. Wo hört Fort Lauderdale auf und wo fängt Miami an? Stets eine ähnliche Struktur: vorne Strand, oft eine schier endlos lange vorgelagerte Insel, im Küstenbereich mehr Kanäle und Wasserwege als Straßen, ein Boulevard parallel zum Strand, in der Mitte Wohn- und Einkaufsgebäude und hinten die „Wildnis“. Und von oben brennt die Sonne. Wir hatten von unterwegs aus – ein Hoch auf iPad und WLAN – zwei Übernachtungen im 4-Sterne-Westin „geschossen“. Man gönnt sich ja sonst nichts 🙂 . Am Morgen sind wir einfach losgefahren und haben ein paar Stunden am Clearwater Beach verbracht, zu Mittag gab’s frischen Fisch, nachmittags stand Klamottenkauf auf dem Programm, dann wieder Strand. So kann man seine Tage auch verbringen. Und überall „For sale“-Schilder. Tolle 100 qm-Apartments mit Bootsanlegestelle für 180.000 Dollar. Wäre das nicht was? Tagträumereien. Das Boot gehört hier zum Wohnen wie andernorts der Kleinwagen zum Einkaufen. Aber was heißt „Boot“? Zum großen Teil sahen wir bei unseren Spaziergängen an der „waterfront“ hochseetaugliche Schiffe und imposante Yachten. Vor dem Hintergrund unserer europäischen Erfahrungen mussten wir unsere Maßstäbe immer wieder neu justieren. Hier zeigt man gerne, was man hat. Und man hat viel, Krise hin oder her …
In Miami ist vieles ähnlich, aber deutlich schriller. Das zeigt sich insbesondere auf der berühmtesten Flaniermeile Floridas, dem Ocean Drive in Miami Beach, auf der es tagsüber noch vergleichsweise ruhig zugeht. Spätabends und nachts dann treibt das pralle Leben seine Blüten. Die Menschen haben hier ganz offensichtlich ein ausgeprägtes Bedürfnis, sich zu zeigen. Auf diesem Boulevard der Eitelkeiten sind die Mäuse nicht grau, sondern schillern in allen Farben. Gute Laune ist Pflicht. Wir haben uns den Spaß gemacht, einen ganzen Abend direkt auf dem Sidewalk zu essen, ein paar Mojitos zu trinken, dem Treiben zuzuschauen und es tuschelnd zu kommentieren. Mit Größe und Anzahl der Mojitos nahm die „Political Correctness“ unserer Bemerkungen rapide ab 🙂 . Ich (W.) habe damals unmittelbar folgende Eindrücke in mein Reisetagebuch notiert:
An uns schieben sich unterschiedlichste Menschen in spärlicher Kleidung vorbei, viele von ihnen auffällig tätowiert. Die Frauen mit 15-cm-Absätzen, die die ohnehin schon langen Beine ins Unendliche verlängern. Ausschnitte und Oberteile, die mehr zeigen als verhüllen. Die Männer demonstrieren im Tanktop ihre muskulösen Oberkörper, sonnengebräunt, ohne Makel. Auf der Straße wälzt sich zäh eine Lawine aus aufgemotzten Edelmarken, protzigen Boliden und originellen Gefährten in verschiedensten Farben und Ausstattungen dahin. Dazwischen immer wieder eine Harley, keine wie die andere. Alles im Schritttempo, weil es nicht darauf ankommt, Strecke zu machen. Man will gesehen werden. Ein einzigartiges, faszinierendes Schaulaufen, für europäische Augen eher skurril.
Nach einem erfrischenden Bad im Meer am nächsten Tag war dann auch wieder die volle Bereitschaft da, noch etwas zu unternehmen. Miama hat natürlich außer Strand und Ocean Drive ungemein viel zu bieten, schließlich handelt es sich um eine moderne US-amerikanische Großstadt mit ca. 2,4 Millionen Einwohnern. Über den Bevölkerungsmix – etwa 50 % kommen aus Kuba, El Salvador, Nicaragua und Kolumbien – ist das „Latino-Element“ Teil der DNA der Stadt. Spanisch ist neben Englisch die zweite Verkehrssprache. Miami ist nicht nur ein Mode- und Unterhaltungsmekka, sondern auch ein wichtiges Finanz-, Handels- und Verkehrszentrum (Flughafen, Hafen). Es fällt schwer zu glauben, dass diese pulsierende Metropole erst vor kaum 100 Jahren gegründet wurde. Vorher gab es hier nur Sümpfe und Mangrovenwälder. Das heißt logischerweise einerseits, dass Miami keine wirklich alten Gebäude hat. Und es bedeutet andererseits, dass es viele Bauten aus der Hochzeit des Jugendstils, im Englischen „Art Deco“, gibt. Wir haben eine Schwäche für diese Epoche. Damit war eine Führung zu diesem Thema sozusagen Pflicht. Miami hat weltweit die meisten Art-Deco-Gebäude der Welt. Besonders viele gut erhaltene und gepflegte Exemplare aus den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrunderts finden sich im Art Deco Historic District, Miami Beach. Diese Gegend geriet u.a. in die Schlagzeilen, als Gianni Versace 1997 von einem Serienmörder mit zwei Kopfschüssen auf den Stufen seiner Villa an der Ocean Drive niedergestreckt wurde.
Versace-Villa am Ocean Drive, Miami
Treff- und Abholpunkt für Führungen ist das Art-Deco-Welcome-Center. Nach einigen Jahren GB-Aufenthalt empfanden wir es als sehr angenehm, an einer Führung einer in Miami lebenden Britin teilnehmen zu können. Endlich mal wieder „gepflegtes Englisch“ 🙂 .
Einige besonders schöne Art-Deco-Gebäude sind Hotels. Das hat den großen Vorteil, dass man sie ohne Probleme auch von innen bewundern kann, indem man sich in der Lobby einfindet.
Unsere ersten Fernseherfahrungen gehen auf die 1960er-Jahre zurück. In dieser Zeit gab es eine Serie namens „Flipper“, in Deutschland zwischen 1966 und 1972 ausgestrahlt, in der der Ranger Porter Ricks die ‚Coral Key Parks‘ bewacht und dabei von seinen Söhnen Bud und Sandy sowie Flipper, einem klugen Delfin, tatkräftig unterstützt wird. Gemeinsam bestehen sie viele Abenteuer. 1995-2000 wurde ein Remake „Flippers neue Abenteuer“ in vier Staffeln ausgestrahlt. Dieser Flipper (und seine Nachfolger) wurden im Seaquarium von Miami trainiert, auch viele Filmsequenzen hier gedreht. Das Seaquarium gehört zu den ältesten Ozeanarien der USA und bietet neben Delfin- und Orca-Shows auf einem weitläufigen Gelände einen Zoo mit Meeressäugern, Fischen und Reptilien. Wir haben unsere grundsätzlichen Bedenken gegen das Abrichten wilder Tiere beiseitegestellt und dort einen ereignisreichen Nachmittag verbracht. Insbesondere die Orca-und Delfin-Show hat uns beeindruckt.
Uns hat unsere Florida-Reise ausgesprochen gut gefallen. Gerne würden wir uns bei nächster Gelegenheit den sogenannten „Panhandle“, die pfannenstielförmige Region im Nordwesten von Florida, näher anschauen. Sie steht für das „andere Florida“, wo es weniger aufgeregt, insgesamt etwas beschaulicher zugeht und die Strände wunderschön und einsam sein sollen. Ob’s dort auch so tolle „Cuba“-Autos gibt?