Nachdem wir zwei volle Tage die Schären erkundet haben, ist uns jetzt mal wieder nach einer größeren Stadt zumute. Da kommt uns die zweitgrößte Stadt Schwedens mit ihren 500.000 Einwohnern gerade recht. Außerdem ist die Wetterprognose schlecht, und mieses Wetter lässt sich im Allgemeinen in einer Stadt besser ertragen. Bei unser Anfahrt regnet es dann auch wie aus Kübeln, und die weitläufigen Industrieanlagen, die wir schon viele Kilometer vor dem Zentrum sehen, wirken noch weniger einladend. Göteborg ist der wichtigste Hafen Schwedens, die Hafenanlagen ziehen sich über eine Gesamtstrecke von 20 Kilometern. Ein solcher Umschlagplatz bestimmt den Charakter einer Stadt. Und dann ist da noch diese nervige City-Maut, die auf den großen Einfallsstraßen fällig wird. Man liest im Netz, dass Ausländer schon einen Zahlungsbescheid über Beträge in Höhe von einem Euro zugestellt bekommen haben sollen. Das Nummernschild wird an den Mautstellen per Kamera erfasst und auf dieser Basis der Halter des Fahrzeugs ermittelt. Die Rechnung kommt per Post. Das warten wir mal einfach ab … Was sonst noch gleich auffällt: Überall im Zentrum wird gebaut, also Baukräne, Absperrungen, Umleitungen . Das Auto-Navi dreht hohl: „Neuberechnung der Route“. Wir halten fest: In Göteborg wird geklotzt, nicht gekleckert. Wann das wohl alles fertig ist??
Hm, da gibt sich Göteborg also anfangs nicht gerade Mühe, unseren ersten Besuch angenehm zu gestalten. Erstes Highlight dann aber: Das Parkhaus ist sonntags kostenfrei zu nutzen. Und – viel wichtiger – auch Petrus hat ein Einsehen. Kaum haben wir uns mit Regenjacken und Schirm ins Freie begeben, hört es auf zu regnen und nach und nach schiebt die Sonne die Wolken weg.
Geht doch.
Unser Parkhaus ist Teil des riesigen Shoppingkomplexes Nordstan, wo man alles geboten bekommt, was das Shopperherz höherschlagen lässt. Für manche Zeitgenossen ist Shopping ja ein Hobby, dem man in Schweden auch sonntags frönen kann. Aber wir fühlen uns hier etwas überfordert. Also rasch raus an die Luft. Man kann übrigens die meisten Sehenswürdigkeiten in Göteborg zu Fuß abdecken, weil sie sich innerhalb des alten Festungsrings und in den angrenzenden Vierteln befinden. Sehr viele Repräsentationsbauten liegen am Ufer des Hamnkanalen („Hafenkanals“).
Ganz in der Nähe liegt der Gustav Adolfs Torg, ein weitläufiger Platz mit der Statue des bekannten Schwedenkönigs, darum herum das Stadshus (1759), das Rådshus (1669) und die Börse (1845). Wir schlendern über den Platz und lesen uns zu Füßen von Gustav Adolf fest bei den Porträts von Göteborger Bürgerinnen und Bürgern. Ein interessantes Projekt, bei dem die Menschen schildern, wie sie ihre Stadt sehen. Was der Regent wohl davon gehalten hätte, die Bürger nach ihrer Meinung zu fragen …
Von hier sind es nur wenige Schritte über die Post- oder Kronhusgatan zum Kronhuset von 1654, dem ältesten Profanbau Göteborgs, der über die Jahrhunderte unterschiedlichen Zwecken diente, u.a. als Sitz des Reichstags.
Beim Verlassen des kopfsteingepflasterten Innenhofs machen wir bei ein paar Kunstwerken Halt, die sich dem Thema „Hoffnungen und Realitätserfahrungen schwedischer Emigranten“ widmen.
Weiter geht’s zum Stenpiren Reisezentrum, einem über Jahre gebauten und 2016 fertiggestellten Verkehrsknotenpunkt direkt am Wasser. Von hier legen verschiedene Fährlinien ab, von hier fahren Busse und Straßenbahnen ab. An windstillen und sonnigen Tagen sind alle Sitz- und Liegeplätze voll belegt.
Unsere nächste Station ist die Fischhalle Feskekörkan, die von außen wie eine Kirche aussieht und innen eine riesige Auswahl an Meeresgetier bietet.
Auf dem Weg dorthin haben wir abermals ein paar Kunst-Begegnungen, diesmal in Form von Street Art. Wir halten schon mal fest: Göteborg setzte nicht nur auf Kommerz, sondern auch auf die Künste!
Das zeigt sich auch bei den „klassischen“ Bauten wie Theatern und Opernhaus, Konzerthäusern und Kunstmuseen, von denen sich gleich mehrere um den Götaplatsen gruppieren, am Ende des Prachtboulevards Kungsportavenyn, der gesäumt ist von stattlichen Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert.
Kommen wir zu unseren Highlights:
1. Haga: Haga wurde vor etwa 350 Jahren als Göteborgs erste Vorstadt und Arbeiterviertel angelegt. Heute reihen sich hier kleine Geschäfte, Boutiquen und Cafés aneinander. Es gibt viel zu stöbern und zu schauen: Antiquitäten, Kinderspielzeug, Bücher, Geschenke, Schmuck, Einrichtungsgegenstände, Modegeschäfte, Second-Hand-Artikel. Und es ist herrlich, sich bei einem Kaffee und einem Kanelbullar (Hefegebäck mit Zimt, hierzulande sehr beliebt) über die flanierenden Menschen zu unterhalten.
PS: Handgefertigte Lederwaren werden bei Haga Trätoffelfabrik angeboten. Und Eva ist sich fast sicher, dass sie genau hier vor einigen Jahrzehnten ein Paar maßgeschneiderte Clogs erworben hat, die sie viele Jahre getragen hat.
2. Trädgårdsföreningens Park: Die Anlage entstand 1842 und steht unter Denkmalschutz. Neben den Grünanlagen gibt es ein Rosarium (mit manchen lustigen Rosennamen), Cafés, Gewächshäuser und ein Palmenhaus, das dem Crystal Palace in London nachempfunden ist. Es ist einfach durch und durch angenehm, hier im Grün zu wandeln 😊.
Fazit: Mit den Städten ist es zuweilen wie mit den Menschen. Man muss ihnen auch nach einer unterkühlten Erstbegegnung eine zweite Chance geben 😉.