Wenn es bei uns um die liebste Form des Urlaubs geht, müssen wir nicht lange überlegen: Camping! Darauf sind Eva und ich seit Studienzeiten gepolt, und daran hat sich über Jahrzehnte wenig geändert. Mehrfachen Versuchen zum Trotz: Pauschalurlaub mit „all-in“ kann sicherlich sehr entspannend sein, hat uns aber noch nie richtig gereizt. Die unmittelbare Nähe zur Natur, das Provisorische, das Ungezwungene und das gemeinsame Erleben (auch bei Problemen, die sich bei dieser Urlaubsform geradezu zwangsläufig stellen) ist seit jeher unser Ding. Und dieses „Virus“ hat sich glücklicherweise auf unsere beiden Söhne übertragen.
Die Idee, mit einem Wohnmobil durch die Weiten der westkanadischen Landschaft zu reisen, ist vor diesem Hintergrund für uns wie ein Karibik-Strandurlaub mit fünf Sterne-Hotel für Menschen, die in der sogenannten fünften Jahreszeit am liebsten nur die Seele baumeln lassen wollen. Kanada bietet für Outdoor-Enthusiasten so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Für unsere Söhne Jost und Arne bedeutete das in diesem August des Jahres 2010 vor allem „Mountainbikefahren“ in verschiedenen Varianten.
Ein zusätzliches Plus mit Blick Frauen-Power und gute Stimmung bei dieser Rundreise durch Britisch-Kolumbien (British Columbia) war die Tatsache, dass auch Josts Freundin Livi mit von der Partie war. Für unser 5er-Team schied damit ein gängige Wohnmobil-Format für Familien von vornherein aus, es musste etwas Größeres her …
Ein Haus auf Rädern also. Und bei diesen Eckdaten entsteht echtes Lkw-Feeling: 9,5 m Länge, mit Slide-Outs (also Seitenvergrößerung, natürlich nur im geparkten Zustand), immer durstig (25-30 l/100 km), Fassungsvermögen des Tanks: 180 l.
Start- und Endpunkt unserer Rundtour war Vancouver, wo wir nach Abgabe des Fahrzeugs noch ein paar Tage Aufenthalt in einer zentral gelegenen Wohnung gebucht hatten, gewissermaßen als Chill-out vor dem Rückflug nach Frankfurt. Zu Vancouver und Whistler gibt es separate Beiträge.
Kanada, im Osten durch den Atlantik, im Westen durch den Pazifik begrenzt, hat bescheidene 38 Millionen Einwohner, ist aber bezogen auf die Fläche nach Russland der zweitgrößte Staat der Erde. Bei drei Wochen Aufenthalt ist es daher geboten, eine Auswahl zu treffen ;-).
Bezüglich unserer Route hatten wir uns zwar vorab ein paar Stationen überlegt, jedoch bewusst keine Buchungen getätigt, weil wir uns größtmögliche Flexibilität bewahren wollten. Dabei kam schlussendlich folgende Strecke heraus: Zunächst ging die Reise von Vancouver aus in nördlicher Richtung über Whistler, Kamloops und Revelstoke nach Lake Louise, von dort Richtung Süden im Schwenk nach Nelson, dann über Vernon an den Osoyoos Lake und vorbei an Abbotsford zurück nach Vancouver.
Zur Einordnung mag dieser Überblick dienen:
Kanada ist grün, und das liegt nicht nur an seiner geografischen Lage, sondern vor allem an seinen schier unermesslichen Wasservorräten. Das Land besitzt etwa ein Viertel aller Feuchtgebiete der Welt und mehr als zwei Millionen Seen (!). Ungefähr 7 Prozent der Landfläche bestehen aus Wasser. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass die Kanadier dem Wassersparen keine besondere Priorität einräumen. Die Allgegenwart des feuchten Elements ist für Reisende natürlich ideal, denn es findet sich überall ein Rast- oder Übernachtungsplatz an einem Fluss oder See, oft mit Möglichkeit zum Wandern/Erkunden oder zum Baden – wenn man sich nicht durch niedrige Wassertemperaturen abschrecken lässt ;-).
Oder man bewegt sich direkt an der Küste entlang. Tief beeindruckt hat uns in dieser Hinsicht gleich unsere erste Fahrt von Vancouver nach Whistler, etwa 120 km auf der A99 Richtung Norden. Die Hälfte der Strecke (bis nach Squamish) folgt man der Küstenstraße, stets an einem Fjord (Howe Sound) entlang. Dieser Abschnitt der A99 wird als „Sea to Sky“ Highway bezeichnet, vollkommen zu Recht, denn der Blick auf Meer, Wolkenformationen am Himmel, Inseln und Festland auf der gegenüberliegenden Seite ist einfach himmlisch. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Stopps zum Fotografieren, nicht nur nur links, sonders auch rechts des Weges.
Auf diesem Streckenabschnitt ist ein Halt bei den Shannon Falls, dem mit 335 Metern dritthöchsten Wasserfall Britisch-Kolumbiens, unbedingt zu empfehlen. Hier kann man auf zwei Plattformen anschauen, wie die Wassermassen in die Tiefe stürzen.
Darf’s vielleicht ein bisschen mehr sein? Denn die Shannon Falls sollten selbstverständlich nicht unser einziger Wasserfall bleiben. Ein besonderes Erlebnis ähnlicher Art sind die Takakkaw Falls im Yoho Nationalpark. Sie sind mit 381 m Höhe (davon 258 m freier Fall) die zweithöchsten Kanadas und die höchsten der kanadischen Rocky Mountains. Schon die Zufahrt ist ein kleines Abenteuer, weil sie über Haarnadelkurven erfolgt, die für Wohnmobile unserer Größe eine echte Herausforderung darstellen. Wir mussten an einigen Spitzkehren sogar zurücksetzen, um die „Kurve zu kriegen“. Da darf man Gas und Bremse keinesfalls verwechseln! Das Wort „Takakkaw“ entstammt der Cree-Sprache und bedeutet „großartig“. Stimmt!
Der Yoho Nationalpark ist Teil eines riesigen Nationalparkgebietes in den Rocky Mountains zwischen Britisch-Kolumbien und Alberta. Zu den bekanntesten gehören Banff und Jasper (Alberta) und Yoho und Kootenay (B.C.), die zusammen eine Fläche von 20.000 Quadratkilometern bedecken. Banff und Jasper sind durch eine der schönsten Panoramastraßen Nordamerikas, Icefields Parkway, miteinander verbunden. Wohin man sich hier auch wendet, überall schroffe Gipfel (mit vielen schneebedeckten 3.000ern) und zerklüftete Gletscher, Eisflächen, fast unnatürlich wirkende türkisfarbene Bergseen, dunkelgrüne Wälder, saftige blumenübersäte alpine Wiesen … Es ist eine einzige Pracht. Und wer für diese Naturschönheiten empfänglich ist, möchte raus und sie hautnah erkunden.
Manche dieser Bergseen wirken mit ihrem von Gletschern gespeistem milchig-türkisfarbenem Wasser geradezu kitschig. Der mit Abstand bekannteste von ihnen ist der Lake Louise – ein Muss für jeden Reisenden im kanadischen Westen. Sein Bild mit dem Mount Victoria (3.464 m) ziert so manches Reisebuch und darf in keinem Blog oder Instagram-Post über die kanadischen Rockies fehlen. Der See wurde 1884 nach Prinzessin Louise Caroline Alberta, einer Tochter von Königin Victoria, benannt. Die Stoney-Indianer nannten ihn „See der kleinen Fische“ – kein Wunder, denn sein Wasser wird auch in heißen Sommern kaum wärmer als 10 Grad Celsius.
Um den See herum führt ein etwa 3 Kilometer langer Spazierweg. Er beginnt am Chateau Lake Louise, einem Hotelkomplex mit 550 Zimmern, der einst von der Canadian Pacific Railway erbaut wurde.
Wer etwas ambitionierter ist und gerne die Natur in Ruhe genießen möchte, geht weiter zum Lake Agnes, der 370 m oberhalb von Lake Louise liegt. Dort bietet sich eine Rast in einer bewirtschafteten Hütte, dem Lake Agnes Tea House, an. Auf dem Weg nach oben hat man immer wieder einen tollen Blick auf den Lake Louise. Bei unserem Aufstieg war es außergewöhnlich heiß.
Eine weitere Perle – und Hauptattraktion des Yoho Nationalparks – ist der ebenfalls gletschergespeiste Emerald Lake. Auch ihn kann man umwandern, der Rundweg ist ca. 5 km lang.
Lauter Postkartenfotos, nicht wahr? Richtig, aber selbst (oder gerade?) in der Idylle muss man achtgeben, wohin man tritt und – vor allem – wohin man fährt. So ist denn „Lake Louise“ für uns leider auch damit verbunden, dass ich beim Verlassen des für unser Wohnmobil unangemessen kleinen Parkplatzes das Lenkrad zu früh einschlug und mit der hinteren Stoßstange unseres Monsters einen Pkw übel zerkratzte. Da musste sogar die Polizei ran 🙁 .
Bei manchen Wanderungen in dieser Gegend wird zu bestimmten Zeiten von der Parkverwaltung vorgegeben, dass man sich nur in Gruppen auf den Weg machen darf. Denn hier gibt’s Grizzlys, und eine Begegnung mit einem solchen Koloss sollte man lieber vermeiden.
Wir haben auch keinen gesehen, wohl aber einen als weniger gefährlich geltenden Schwarzbären, der immerhin bis zu 300 Kilo auf die Waage bringt.
Es kommt zwar jedes Jahr zu sog. Bärenunfällen, aber in Wirklichkeit ist das Risiko sicher überschaubar. Auf jeden Fall wird dadurch der Absatz von Bärensprays (von der Größe eines Handfeuerlöschers) und Bärenglöckchen angekurbelt …
Bären sind natürlich immer auf Nahrungssuche. Insbesondere für Zeltcamper ist dringend geboten, alle Nahrungsmittel sicher und fernab vom Zelt zu lagern. Zu diesem Zweck gibt es auf den Campingplätzen bärensichere Schließfächer. Grundsätzlich eignen sie sich auch für die Aufbewahrung von renitenten Jugendlichen 🙂
Das Fahren in Kanada ist sehr entspannt, außerhalb der Städte und Ortschaften eher ein „Cruisen“. Man hat eben Platz und in aller Regel auch Zeit. Die Campingplätze sind großzügig angelegt und haben normalerweise einen Tisch und Sitzbänke, oft auch eine Feuerstelle. Letztere darf man selbstverständlich nicht benutzen, wenn Waldbrandgefahr besteht. Bei Nacht sind die Fahrbedingungen gänzlich anders, denn nach Einbruch der Dämmerung sind viele Tiere unterwegs. In Waldgebieten muss man unbedingt seine Geschwindigkeit reduzieren und permanent bremsbereit sein. Immer wieder sieht man Augenpaare am Straßenrand glitzern.
Wenn man in den Nationalparks am Wegrand Fahrzeuge mit eingeschalteter Warnblinkanlage sieht, ist das meistens ein Hinweis auf Tiersichtungen, also am besten dem Beispiel folgen – aber nicht aussteigen! So sind wir beispielsweise zu unseren Bären-Fotos gekommen.
Selbst im Sommer sind die Nächte kühl, ein festes Dach über dem Kopf hat daher auch in dieser Hinsicht Vorteile.
Hier noch ein paar Eindrücke vom „Happy Camping“:
Danke fürs Lesen und Zuschauen, wir sind dann mal wieder weg.