Rundreise Thailand (1) – vom Train Market zum Trekking im Norden

„Rundreise“ ist im Grunde für diesen Beitrag nicht ganz passend, schließlich kann man in drei Wochen ein so großes Land wie Thailand nicht angemessen kennenlernen, wenn man nicht nur Sehenswürdigkeiten „abhaken“, sondern auch etwas erleben möchte. Und wenn man sowohl vom Norden wie auch vom Süden einen Eindruck haben möchte, sollte man längere Strecken per Flugzeug und/oder Nachtzug absolvieren. Inlandsflüge in Thailand sind sehr günstig, Nachtzüge ein tolles Erlebnis! Wir haben bei unserer Reise so ziemlich alles an Verkehrsmitteln genutzt, was zur Verfügung stand: Flugzeuge, Züge, Taxis, Tuk-Tuks, Kleinbusse, Schiffe und Boote, Fahrräder, Elefanten. Und natürlich spielten die eigenen Füße bei der Fortbewegung keine unerhebliche Rolle, wir sind nämlich sehr gerne per pedes unterwegs. Bei den Gefährten sieht man immer wieder originelle Modelle – ob dieses wohl tatsächlich aus der Stuttgarter Karossenschmiede kommt?

Von Bangkok aus fuhren wir zunächst mit einem Minibus Richtung Norden, mit einem Abstecher durch die Außenviertel der Metropole in die geschäftige Hafenstadt Samut Sakhon. Dort gibt es einen Großmarkt mit einer Besonderheit: Mitten durch den Markt führt ein Bahngleis, das bei erstem Hinsehen kaum zu entdecken ist. Wie auf ein geheimes Zeichen kommt aber dann plötzlich hektische Bewegung in die Szenerie, schattenspendende Markisen werden eingeklappt, Körbe und Auslagen mit Gemüse, Obst und frischem Fisch zurückgeschoben, unachtsame Touristen zur Seite gezogen … und ein gelber Stahlkoloss schiebt sich im Schritttempo durch das Gewusel. Wir sind also auf dem Zugmarkt (Train Market), wo der regelmäßig durchfahrende Zug bei ausländischen Besuchern zu Ausrufen des Erstaunens und offenen Mündern führt, aber für die hiesigen Standbesitzer und Kunden Normalität ist. Die Gebühren für die Standplätze am Gleis sind übrigens niedriger als die für die entfernteren, weil sie mit mehr Arbeit verbunden sind.

Diese für den ausländischen Besucher spektakuläre Aktion drängt das vielfältige und überbordende Angebot der Händler schon fast in den Hintergrund. Qualität und Frische sind Trumpf!

Der Train Market hat in unserer Erinnerung einen speziellen Platz, weil wir hier erstmals frittierte Heuschrecken gegessen haben. Gar nicht übel! Und auf jeden Fall gesünder als Kartoffelchips …

Unsere nächste Station war Kanchanaburi, ca. 140 Bahnkilometer nordwestlich von Bangkok. Die Region zählt zu den fruchtbarsten in Thailand, angebaut werden vor allem Baumwolle, Weizen, Zuckerrohr, Tabak und Cassava (= Maniok, in Lateinamerika: Yuca). Die etwa 40.000 Einwohner zählende Stadt ist nicht so interessant, hat aber historisch eine herausragende Bedeutung.
Man kann hier ein Stück mit der sog. Todesbahn, die ursprünglich bis nach Burma ging, fahren. Es geht ein Stück am Kwai-Fluss (sprich: Kwä) entlang, über ein hohes Viadukt, das noch komplett aus dem ursprünglichen Baumaterial (Holz) besteht. Bei der rumpeligen Überfahrt hat man das Gefühl, die Konstruktion könnte jeden Moment in sich zusammenfallen.

Hauptattraktion des Ortes ist die Brücke am Kwai, die durch eine Romanverfilmung (1957, 7 Oscars) weltberühmt wurde. Das Werk veranschaulicht am Beispiel einer Gruppe britischer Kriegsgefangener die grausamen Bedingungen, unter denen die japanischen Besatzer im Zweiten Weltkrieg eine etwa 430 km lange Eisenbahnstrecke nach Burma bauen ließen. Ihr Zweck war die Versorgung der japanischen Truppen beim Angriff auf Burma. Allein bei den Arbeiten an dieser „Todesbahnlinie“ kamen 16.000 Kriegsgefangene der Alliierten (Briten, Australien, Niederländer und Amerikaner) und schätzungsweise 100.000 Zwangsarbeiter aus Burma, Indien, China, Indonesien, Malaysia und Thailand um. Sie starben an Unterernährung, Malaria, Cholera oder wurden aus nichtigen Gründen getötet. In Kanchanaburi gibt es ein kleines Museum (Thai-Burmese Railway Centre), wo dieses dunkle Kapitel der japanischen Besatzungsgeschichte in Form von Fotos, Schautafeln, Filmen und Briefen nachvollzogen werden kann. Nebenan liegt ein Friedhof mit Gräbern von britischen, australischen und niederländischen Soldaten. Er wird von der Commonwealth War Graves Commission unterhalten. Für die gestorbenen asiatischen Zwangsarbeiter gibt es keine Gräber, sie wurden irgendwo verscharrt.
Eine neuere (2015) und ebenfalls äußerst eindringliche Darstellung der Situation der Kriegsgefangenen beim Bau der „Death Railway“ liefert Richard Flanagan mit seinem Roman „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ (The Narrow Road to the Deep North). Das Werk erzählt die Liebes- und Lebensgeschichte des tasmanischen Chirurgen Dorrigo Evans, der als Ranghöchster von 9.000 versklavten australischen Soldaten versucht, seine Kameraden vor dem brutalen Regime der japanischen Besatzer zu schützen. Ein berührendes Buch und ein echtes Meisterwerk der australischen Literatur!

Im Grunde handelt es sich bei der Brücke am Kwai um zwei Brücken. Die Originalbrücke war aus Holz. Sie wurde 1945 von amerikanischen Bombern zerstört. Die 50 m flussabwärts gebaute Stahlbrücke erhielt ebenfalls einen Bombentreffer und wurde 1946 repariert. Diese gilt heute als Brücke am Kwai und ist ein Touristenmagnet erster Güte. So mancher Touri stellt beim eifrigen Fotografieren überrascht fest, dass sie auch noch in Benutzung ist und gar nicht viel Platz zwischen der Waggonseite und dem Geländer ist ;-).

Die Nacht verbrachten wir in auf Pontons schwimmenden Häuschen, ein romantisches Kontrastprogramm zu den teils bedrückenden Gedanken des Tages. Hier wurde den Gästen je eine Hütte mit eigener Hängematte und Schwimmsteig vor der Tür zugewiesen. Die Anlage hat keine Stromversorgung, als Beleuchtung dienen kleine Öllampen, die in der Dunkelheit angenehm flackern. Nach dem Abendessen wurden traditionelle Mon-Tänze aufgeführt. Der Kwai-Fluss eignet sich durchaus zum Schwimmen, aber man muss die starke Strömung beachten, sonst im man im Nu an den Pontons „vorbeigesegelt“ …

Beim Landgang am folgenden Tag sahen wir am Ufer ein paar Elefanten mit ihren Führern, den Mahuts. Für uns eine gute Gelegenheit, Kontakt zu diesen wunderbaren Tieren aufzunehmen. Ein Pfad vom Ufer führte zu einer kleinen Siedlung, die wir uns ebenfalls angeschaut haben.

Reichlich Gelegenheit zum Baden hat man im Erawan Nationalpark mit dem gleichnamigen Wasserfall, unserer nächsten Station. Der Naturpark liegt noch in der Provinz Kanchanaburi. Der Wasserfall hat sieben Ebenen, zwischen der untersten und der obersten liegt eine Wanderstrecke von etwa 1.500 Metern (in gerader Falllinie sind es 500 Meter). Die Umgebung ist paradiesisch, in den meisten Becken kann man sich erfrischen. Wer empfindliche Füße hat, sollte achtgeben: Die Fische knabbern gerne an Hautpartikeln und machen keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauenfüßen!

Nach so viel Natur und Erholung war wieder Zeit und Energie für Kultur, die alte Königsstadt Ayutthaya ruft! Von 1350 bis 1767 war Ayutthaya die Hauptstadt Siams (wie Thailand bis 1939 hieß). 33 Könige residierten hier, bis die Burmesen die Stadt fast dem Erdboden gleich machten. „Ayutthaya“ bedeutet „Heilige Stadt“ und liegt am Zusammenfluss dreier Flüsse. Sie war das Zentrum eines prächtigen Königreiches, wo die Elefanten aus goldenen Trögen fraßen.
Heute ist Ayutthaya, nur 70 Bahnkilometer nördlich von Bangkok gelegen, eine eher unauffällige Provinzstadt, die vom Glanz früherer Tage lebt. Sie gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wegen der Vielzahl an farbenreichen Chedis (einer Art Tempel) und Palästen lohnt sich ein Spaziergang auf dem weitläufigen Ruinengelände unbedingt. Natürlich kann man das Besuchsprogramm auch auf einem Elefantenrücken absolvieren.

Von Ayutthaya fuhren wir mit dem Nachtzug nach Chiang Mai, ein kleines Abenteuer. Die Strecke ist 520 km lang, man braucht dafür laut Fahrplan 9.40 Stunden. Aber mit den Plänen ist das manchmal so eine Sache … Wir kamen nach etwa 11 Stunden am Zielort an. Der Zug rumpelte zeitweilig mit 30 oder 40 km/h vor sich hin und hielt zwischendurch immer mal aus uns nicht ersichtlichen Gründen auf freier Strecke an. Erfreulicherweise ließen sich die Sitze nachts zu Liegen umklappen, so dass man ruhen konnte. Wir denken gerne an die gute Stimmung unter uns Reisenden aus aller Herren Ländern zurück, weniger gern an die hygienischen Verhältnisse.

Und die müden Glieder konnten sich in der nächsten Nacht wieder gut erholen.

Der „klassische Thailand-Tourist“ hält sich normalerweise in Bangkok und an den wunderschönen Stränden im Süden Thailands auf: Pattaya, Ko Samui …
Der Norden des Landes hat bedeutend weniger Touristen als der Süden. Er erfreut sich allerdings bei Naturliebhabern und Trekkinganhängern zunehmender Beliebtheit. Nordthailand ist weniger zugänglich, satt-bewachsene Hügel und Berge (hier findet sich der höchste Berg, Doi Inthanon, 2.563 m), schmale Bergpfade, fruchtbare Täler und dichte Dschungel bestimmen das Bild. Die Bewohner des Nordens sind ein buntes Völkergemisch aus den vielen Bergstämmen und den Nord-Thais. Die Bergvölker, mehr als eine Million Menschen, sprechen eigene Sprachen und haben ihre eigenen Traditionen und Lebensweisen.
Nordthailand war als Teil des „Goldenen Dreiecks“ (mit Laos und Myanmar) lange Zeit als Zentrum der Opiumproduktion berüchtigt, und der Schlafmohnanbau war das Hauptbetätigungsfeld der Bergvölker. 2003 wurden im Rahmen einer Regierungsinitiative mehr als 2.000 tatsächliche und vermeintliche Drogenhändler erschossen. Seitdem spielt die Opiumgewinnung in dieser Region keine besondere Rolle mehr.

Die Thais nennen Chiang Mai „Rose des Nordens“. Laut offizieller Statistik hat die Hauptstadt des Nordens 135.000 Einwohner, Kenner gehen jedoch vor dem Hintergrund vieler unregistrierter Zuzügler von 350.000 aus. Chiang Mai ist Universitätsstadt und bietet viele Alltags-Annehmlichkeiten einer Großstadt, ebenso Kultur. Auch eine der insgesamt 140 deutschen Auslandsschulen befindet sich hier. Ein Besuch des Nachtmarkts (Night Market), der sich über weite Teile der Innenstadt erstreckt, lohnt sich unbedingt.

Für uns war Chiang Mai Ausgangspunkt für zwei Exkursionen. Dabei handelte sich zum einen um den Besuch eines Elefantencamps inkl. Ausritt, zum anderen eine Trekkingtour mit Übernachtung bei einem Bergvolk.
Im Elefantencamp werden die grauen Riesen zu nützlichen und verlässlichen Waldarbeitern ausgebildet. Aber es gibt bedeutend mehr Elefanten, als sie im Wald einsetzbar wären. Mit zirkusähnlichen Darbietungen vor zahlendem Publikum und Ausritten in den Dschungel versuchen die Mahuts (Elefantenführer) sich und ihren Tieren ein Auskommen zu sichern.

Die Trekkingtour führte uns zu einer Siedlung des Palong-Stammes. Wir waren in einer kleinen Gruppe mit sechs Personen plus Guide unterwegs. Die Tour musste vorher bei den Behörden angemeldet werden, weil es in Ausnahmefällen zu unangenehmen Begegnungen mit Drogenkurieren oder Edelholzdieben kommen kann. Es war eine sehr schöne mehrstündige Wanderung, eine eindrückliche Begegnung mit Menschen eines vollkommen anderen Kulturkreises – und eine etwas unruhige Nacht in einer einfachen Hütte auf einer Matte auf dem Boden (Gemeinschaftsunterkunft). Zurück in die Zivilisation ging es mit dem Floß.

Dieser etwa 25 cm lange Gekko am Balken oberhalb der Schlafstätte der Engländerin in unserer Gruppe war der Aufreger der Nacht. Sie war aufgewacht und schaute direkt in die glitzernden Augen der harmlosen Echse. Da war’s endgültig vorbei mit der Nachtruhe, die ohnehin durch die ungewohnte Dschungelgeräuschkulisse beeinträchtigt war 🙂

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